23.11.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil21.12.2022

„Bad Bank“ der WestLB haftet nicht für Steuerschulden aus Cum/Ex-GeschäftenBerufung der Beklagten erfolgreich

Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) hat die Klage der WestLB-Nachfolge­gesellschaft gegen die Erste Abwicklungs­gesellschaft (sog. Bad-Bank) auf Freistellung von Steuer­verbind­lich­keiten aus sog. Cum/Ex-Geschäften abgewiesen. Die Parteien streiten darüber, ob Steuer­verbind­lich­keiten der Klägerin im Rahmen der Umstruk­tu­rierung und Übertragung des Unter­nehmens­bereichs „Kapitalmarkt­geschäft“ von der Beklagten übernommen wurden. Das Landgericht hatte der Klägerin eine Forderung in Höhe von rund einer Mrd. Euro zugesprochen.

Die früher als WestLB firmierende Klägerin nimmt die Beklagte auf Freistellung von Steuerverbindlichkeiten in Anspruch, die auf ihre vor der Umstruk­tu­rierung getätigten Cum-Ex-Geschäfte zurückgehen. Alleinige Aktionärin der Klägerin ist das Land Nordrhein- Westfalen. Die Beklagte ist eine Abwick­lungs­anstalt innerhalb der Bundesanstalt für Finanz­ma­rkt­sta­bi­li­sierung (sog. „Bad Bank“) und dem Bundes­fi­nanz­mi­nis­terium unterstellt. Die früheren Aktionäre der WestLB, u.a. das Land Nordrhein-Westfalen sowie Sparkas­sen­verbände, sind entsprechend ihrer damaligen Betei­li­gungs­quoten an der WestLB nun an der Beklagten beteiligt.

WestLB war im Zuge der Finanzkrise in Schieflage geraten

Die WestLB war im Zuge der Finanzkrise in den Jahren 2008/2009 in Schieflage geraten. Die Beklagte, der bereits im Jahr 2009 ausgewählte toxische Portfo­lio­anteile übertragen worden waren, übernahm im Rahmen der 2012 abgeschlossenen Umstruk­tu­rierung weitere Risiko­po­si­tionen sowie strategisch nicht notwendige Unter­neh­mens­be­reiche. Die Parteien streiten darüber, ob im Zusammenhang mit der Übertragung des Unter­neh­mens­be­reichs „Kapital­ma­rkt­ge­schäft“ auch die Steuer­ver­bind­lich­keiten für die von der Klägerin vor der Umstruk­tu­rierung durchgeführten Cum/Ex-Geschäfte übernommen wurden. Die im Zuge der Umstruk­tu­rierung geschlossenen Verträge enthalten keine ausdrücklichen Regelungen zur Übertragung eigener Steuer­ver­bind­lich­keiten der Klägerin auf die Beklagte. Die Klägerin klärte die Beklagte auch nicht über aus den Cum/Ex-Geschäften resultierende steuerliche Risiken auf.

LG verurteilt „Bad Bank“ zur Übernahme der Steuerschulden

Die West LB führte in den Jahren ab 2005 bis jedenfalls einschließlich 2008 sogenannter Cum/Ex-Geschäfte durch. 2016 wurden von Seiten des Finanzamtes und der Staats­an­walt­schaft Ermittlungen wegen dieser Aktiengeschäfte um den jeweiligen Dividen­den­stichtag eingeleitet. Es sollte geklärt werden, ob in den Veran­la­gungs­zeit­räumen 2005-2011 zu Unrecht Kapita­l­er­trag­steuer auf Dividen­den­zah­lungen samt Solida­ri­täts­zu­schlag auf die Körper­schaft­steu­er­schuld der WestLB angerechnet worden war. Mit Bescheiden aus den Jahren 2019 und 2020 forderte das Finanzamt von der Klägerin die Rückerstattung erstatteter Kapita­l­er­trag­steuer nebst Solida­ri­täts­zu­schlag und Zinsen für die Jahre 2005-2008 in Höhe von rund 1 Milliarde Euro. Das Landgericht hatte die Beklagte zur Übernahme dieser Steuerschulden verurteilt.

Steuer­ver­bind­lich­keiten zählen nicht zu „Kapital­ma­rkt­ge­schäft“

Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte nun vor dem OLG Erfolg. „Die Auslegung des Abspal­tungs­vertrags ... ergibt, dass aus Cum/Ex-Geschäften herrührende Steuer­ver­bind­lich­keiten der Klägerin nicht Gegenstand des (wirtschaftlich) auf die Beklagte übertragenen Abspal­tungs­port­folios waren“, begründete der 4. Zivilsenat seine Entscheidung. Das Abspal­tungs­portfolio umfasse zwar auch Risiko­po­si­tionen und damit zusam­men­hängende Verbind­lich­keiten. Diese sollten gemäß den vertraglichen Regelungen jedoch nur insoweit übertragen werden, als sie sich einzelnen Unter­neh­mens­be­reichen zuordnen ließen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts seien die Steuer­ver­bind­lich­keiten der Klägerin aber nicht dem Unter­neh­mens­bereich „Kapital­ma­rkt­ge­schäft“ zuzuordnen.

„Gesamtbankebene“ betroffen

Die streitigen Steuer­ver­bind­lich­keiten für von der Klägerin erwirtschaftete Erträge knüpften nicht an die spezifische im Unter­neh­mens­bereich „Kapital­ma­rkt­ge­schäft“ entfaltete Geschäft­s­tä­tigkeit der Klägerin an. Sie beträfen unter­neh­mens­be­reichs­über­greifend alle von der Klägerin auf „Gesamtbankebene“ erzielten Erträge. Die Ertrag­steu­er­pflichten könnten nicht anteilig einzelnen Unter­neh­mens­be­reichen zugeordnet werden. Auch soweit die Erträge aus Geschäfts­vor­fällen in einzelnen Unter­neh­mens­be­reichen herrührten, resultierten aus solchen Geschäfts­vor­fällen keine übertragbaren ertrag­steu­er­lichen Rechte und Pflichten der Klägerin. Es ergäben sich allein ertrags­steu­erliche Effekte, die sich unter­neh­mens­be­reichs­über­greifend auf „Gesamtbankebene“ auswirkten. Sie begründeten auch erst auf der Gesamtbankebene steuerliche Rechte und Pflichten der Klägerin. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde kann die Zulassung der Revision beim Bundes­ge­richtshof begehrt werden.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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