15.11.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss01.07.2010

OLG Frankfurt am Main lehnt Entlassung eines Straftäters aus der nachträglichen Siche­rungs­ver­wahrung abTäter ist weiterhin als gefährlich einzustufen

Ein Strafgefangener in Siche­rungs­ver­wahrung, der weiterhin als gefährlich gilt, kann sich nicht auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte beruft, wonach eine rückwirkende Siche­rungs­ver­wahrung von mehr als zehn Jahren unzulässig ist. Eine Ablehnung der Aussetzung der Unterbringung ist zulässig. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main. Ein voraus­ge­gangenes rechtskräftiges Urteil des Landgerichts ist für das Oberlan­des­gericht im Vollstre­ckungs­ver­fahren bindend und kann nur in einem Wieder­auf­nah­me­ver­fahren beseitigt werden.

Im zugrunde liegenden Fall hatte das Landgericht Frankfurt am Main den bereits damals einschlägig vorbestraften, jetzt 52 Jahre alten Lothar K., im Jahre 1987 unter anderem wegen vier Fällen der Vergewaltigung zu einer Gesamt­frei­heits­strafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und zudem wegen einer hochgradigen Persön­lich­keits­s­törung und sexueller Abartigkeit seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§ 63 StGB). Eine Therapie lehnte der Verurteilte jedoch ab. Im August 2007 erklärte das Landgericht Marburg die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 67 d Abs. 6 StGB für erledigt. Die verhängte Freiheitsstrafe hatte K. bis dahin vollständig verbüßt. Da K. weiterhin als für die Allgemeinheit gefährlich galt, wurde er jedoch nicht entlassen, sondern das Verfahren über die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung (§ 66 b StGB) nach einer im Jahre 2004 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelung eingeleitet, die das Landgericht Frankfurt am Main mit rechtskräftigem Urteil vom 21. August 2008 auch angeordnet hat. Die Revision des Beschwer­de­führers gegen dieses Urteil blieb erfolglos. Das Urteil vom 21. August 2008 hat damit Rechtskraft erlangt. Seit Januar 2009 befindet sich der Beschwer­de­führer zum Vollzug der nachträglichen Maßregel in Siche­rungs­ver­wahrung.

Strafgefangener verlangt sofortige Entlassung aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

K. erstrebt seine sofortige Entlassung und beruft sich hierbei auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 17. Dezember 2009, mit dem der Gerichtshof ausgesprochen hat, dass die Siche­rungs­ver­wahrung als Strafe anzusehen sei, für die das Rückwir­kungs­verbot gelte. Diesem Begehren hat das Landgericht Marburg nicht entsprochen.

Rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Frankfurt für Oberlan­des­gericht im Vollstre­ckungs­ver­fahren bindend

Das Gericht hat die Beschwerde K.s gegen den ablehnenden Beschluss des Landgerichts Marburg verworfen, weil er weiterhin gefährlich ist. Die Frage, ob der Beschwer­de­führer mit Blick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrecht aus der nachträglichen Siche­rungs­ver­wahrung zu entlassen ist, hat das Gericht nicht entschieden, weil das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21. August 2008 für das Gericht im Vollstre­ckungs­ver­fahren bindend ist und die Rechtskraft nur in dem dafür vorgesehenen Wieder­auf­nah­me­ver­fahren beseitigt werden kann.

Zuvor entschiedene Entlassung von zwei in der Siche­rungs­ver­wahrung untergebrachten Tätern nicht mit vorliegendem Fall vergleichbar

Insofern unterscheidet sich die Sachlage wesentlich von denjenigen Fällen, in denen die Entlassung von zwei in der Siche­rungs­ver­wahrung untergebrachten Tätern aufgrund des Beschlusses vom 24. Juni 2010 und des des Beschlusses vom 1. Juli 2010 erfolgte. Dort ging es nicht um die Anordnung der nachträglichen Siche­rungs­ver­wahrung gemäß § 66 b StGB in einem Urteil aufgrund einer neuen Haupt­ver­handlung. Vielmehr war in beiden Fällen in den Urteilen der Gerichte bereits die Unterbringung in der Siche­rungs­ver­wahrung angeordnet worden, wobei deren Höchstfrist, nach der zurzeit des Urteils geltenden Gesetzeslage 10 Jahre betrug. Der Gesetzgeber ließ diese Höchstfrist im Jahre 1998 wegfallen, mit der Folge, dass die hiervon betroffenen Täter auch nach Ablauf der früher geltenden Höchstfrist nicht entlassen wurden. Hierin sieht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einen Verstoß gegen das so genannte Rückwir­kungs­verbot.

Quelle: ra-online, Oberlandesgericht Frankfurt am Main

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