Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss15.02.2022
Streit der Kindeseltern über Wechselmodell muss im Rahmen eines Umgangsverfahrens gelöst werdenDurchsetzung eines Wechselmodells oder Residenzmodells mittels Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht möglich
Streiten sich die Kindeseltern vor Gericht über die Durchsetzung eines Wechselmodells, so muss dieser Streit im Rahmen eines Umgangsverfahrens gelöst werden. Das Wechselmodell oder Residenzmodell kann nicht mittels Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts durchgesetzt werden. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die geschiedenen Eltern eines 4-jährigen Kindes stritten sich im Jahr 2020 vor dem Amtsgericht Frankfurt a.M. im Rahmen eines sorgerechtlichen Verfahrens über die Durchsetzung eines Wechselmodells. Während der Kindesvater das Wechselmodell bevorzugte, wollte die Kindesmutter beim Residenzmodell bleiben. Das Amtsgericht hielt das Residenzmodell für kindeswohlgerecht und übertrug der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Es begründete seine Entscheidung damit, dass mit der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Kindesmutter sichergestellt werden könne, dass es beim überwiegenden Betreuungsanteil der Kindesmutter bleibe und das paritätische Wechselmodell des Kindesvater verhindert werde. Der Kindesvater legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein.
Streit über Wechselmodell kann nicht mittels Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts gelöst werden
Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. entschied zu Gunsten des Kindesvaters. Der Streit über die Durchführung eines Wechselmodells könne nicht mittels Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts gelöst werden. Vielmehr könne die erstmalige Anordnung eines Wechselmodells bei ausschließlichem Streit der Eltern über die Frage nur im Rahmen eines Umgangsverfahrens erfolgen. Die gesetzliche Ausgestaltung des Umgangsrechts ermögliche unproblematisch die Anordnung einer paritätischen Betreuung auf umgangsrechtlicher Grundlage.
Kein Zusammenhang zwischen Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und Entscheidung für Residenzmodell
Nach Auffassung des Oberlandesgericht bestehe zwischen der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der Entscheidung für ein Residenzmodell kein Zusammenhang. Dies folge daraus, dass selbst bei zuvor erfolgter Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil, die spätere Anordnung der paritätischen Betreuung im Wege der Umgangsregelung möglich sei. Im Umkehrschluss müsse dies bedeuten, dass mit der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht notwendigerweise eine gerichtliche Entscheidung für ein Residenzmodell verbunden sei.
Keine Ermächtigung für Gericht im Sorgerechtsverfahren Umfang der Betreuung zu regeln
Ohnehin sei das Gericht nicht ermächtigt, so das Oberlandesgericht, über die im Sorgerechtsverfahren zu treffende Entscheidung über die Aufhebung oder Beibehaltung des gemeinsamen Sorgerechts hinaus eine Anordnung über die konkrete Aufteilung der Betreuungsanteile beider Eltern zu treffen und damit verbundene zeitliche Vorgaben für die jeweilige Übergabe des Kindes von einem Elternteil an den anderen zu machen. Eine solche Ermächtigung sei weder mit dem Wortlaut noch dem Zweck von § 1671 BGB zu entnehmen.
Mangelnde Durchsetzbarkeit eines Wechselmodell oder Residenzmodell mittels Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts
Damit einher gehe nach Auffassung des Oberlandesgericht das Problem der mangelnden Durchsetzbarkeit eines Wechselmodell oder Residenzmodell mittels Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Denn die gerichtliche Erwartung, dass der obsiegende Elternteil sein Aufenthaltsbestimmungsrecht im Sinne eines Wechselmodells oder Residenzmodells nutzt, könne nur in den Gründen ausgesprochen werden. Sie gelange nicht in den Entscheidungstenor und sei damit nicht durchsetzbar.
Vorliegen eines unverhältnismäßigen Eingriffs in das Sorgerecht
Das Oberlandesgericht gab zudem zu bedenken, dass die sorgerechtliche Verortung des Wechselmodells zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Sorgerecht des anderen Elternteil führen würde. Denn diese Regelung würde deutlich über die allein streitige Frage der Häufigkeit der Umgangskontakte hinausgehen. Denn mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht dürfte der begünstigte Elternteil ohne die Zustimmung des anderen Elternteils umziehen. Es sei sogar ein Umzug ins Ausland möglich, mit der Folge eines faktischen Beziehungsabbruchs zum Umgangselternteil.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.04.2022
Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt a.M., ra-online (vt/rb)