Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss20.09.2007
495 Seiten Klageschrift: Richter dürfen keine Schriftsatz-Längenvorgabe machenOLG Frankfurt gibt Befangenheitsantrag statt
Wenn Richter die Länge eines Schriftsatzes vorgeben, können sie als befangen abgelehnt werden. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hervor.
Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Kläger eine Klageschrift mit einem Umfang von 495 Seiten eingereicht. Das war einer Kammer des Landgerichts Frankfurt zuviel Lesestoff, so dass der Kammervorsitzende den Anwalt des Klägers bat, den Schriftsatz auf 20 bis 30 Seiten zusammenzufassen, da nur dann eine ordnungsgemäße Bearbeitung gewährleistet werden könne. Der erboste Kläger lehnte nach diesem gerichtlichen Hinweis den Vorsitzenden der Kammer als befangen ab.
Klageschrift übersteigt den üblichen Umfang
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main bestätigte den Kläger in seiner Auffassung. Tatsächlich handele es sich im vorliegenden Fall offenbar um eine das Übliche an Umfang und Komplexität bei weitem überschreitende Klageschrift, deren Bearbeitung einen ganz außergewöhnlichen Zeitaufwand erfordern dürfte, führte das OLG Frankfurt aus. Dieser im vorliegenden Fall notwendige Arbeitsaufwand dürfte vermutlich durchaus im Grenzbereich des für einen einzelnen Berufsrichter - gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit zwei Handelsrichtern - Leistbaren liegen. Es sei jedoch auch in derartig umfangreichen und aufwändigen Rechtsstreitigkeiten Aufgabe der zuständigen Richter sowie des Präsidiums und der Gerichtsverwaltung dafür zu sorgen, dass auch diese innerhalb eines vertretbaren Zeitraumes angemessen bearbeitet werden bzw. bearbeitet werden können. Hierbei hätten einerseits die zuständigen Richter für die Bewältigung eines gegebenenfalls äußerst umfangreichen und komplexen Prozessstoffes ihre ganze Arbeitskraft einzusetzen und andererseits das Präsidium und die Gerichtsverwaltung die hierfür erforderlichen organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen.
Kläger durfte Misstrauen gegen die Unparteilichkeit haben
Im vorliegenden Fall liege daher eine Überschreitung der richterlichen Befugnisse im Rahmen des Hinweises gemäß § 139 ZPO vor, die geeignet sei, vom Standpunkt des Klägers aus Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Vorsitzenden Richters zu erregen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 20.08.2008
Quelle: ra-online
der Leitsatz
Ein Grund zur Besorgnis der Befangenheit eines Richters kann auch darin gesehen werden, dass er den Prozessbeteiligten Vorgaben zur Länge von Schriftsätzen macht.