18.10.2024
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Dokument-Nr. 33307

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Beschluss19.09.2023Oberlandesgericht Frankfurt am Main21 W 63/23
Vorinstanz:
  • Amtsgericht Gelnhausen, Beschluss22.03.2023, 34 IV 573/18
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss19.09.2023

In Verwahrung gegebener kombinierter Ehe- und Erbvertrag kann von den Eheleuten nicht mehr herausgefordertKein Anspruch auf Herausgabe eines kombinierten Ehe- und Erbvertrags

Ein Erbvertrag, der nur Verfügungen von Todeswegen enthält, kann später aus der amtlichen Verwahrung herausverlangt werden (§ 2300 BGB). Wird mit dem Erbvertrag eine weitere vertragliche Verpflichtung wie z.B. ein Ehevertrag verbunden, besteht kein Anspruch auf Herausgabe dieser kombinierten Urkunde. Dies gilt auch, wenn der kombinierte Vertrag später aufgehoben wurde, entschied das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG). Auch über eine verfas­sungs­konforme Auslegung könnten die Beteiligten nicht die Eröffnung der Urkunde trotz geänderter Willenslage verhindern.

Die Beteiligten sind verheiratet. Sie schlossen 2011 einen notariellen Vertrag. Mit diesem änderten sie zum einen ihren 1988 aufgesetzten Ehevertrag ab und errichteten zum anderen einen Erbvertrag (sog. kombinierter Ehe- und Erbvertrag). Die Urkunde gaben sie in amtliche Verwahrung. 2018 errichteten sie mit notarieller Urkunde ein gemein­schaft­liches Testament und widerriefen den 2011 beurkundeten Erbvertrag. An den Erklärungen zum Ehevertrag aus dem Jahr 2011 sollte sich dagegen nichts ändern. Auch diese Urkunde gaben sie in amtliche Verwahrung. 2018 und 2019 begehrten sie erfolglos die Herausgabe der Urkunden. Daraufhin hoben sie mit notarieller Urkunde 2022 die Verträge von 2011 und 2018 auf und beantragten erneut die Rückgabe der Urkunden. Das Nachlassgericht wies beide Anträge zurück. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte teilweise Erfolg, soweit es die Herausgabe des gemein­schaft­lichen Testaments betrifft.

Eingriff in informationelle Selbst­be­stimmung

Die Herausgabe des kombinierten Ehe- und Erbvertrags aus dem Jahr 2011 könnten die Ehegatten nicht verlangen. Der gesetzliche Herausgabeanspruch nach § 2256 Abs. 2 BGB für Testamente sei nach dem eindeutigen Willen des Reform­ge­setz­gebers für Erbverträge eingeschränkt. Soweit ein Erbvertrag neben der Verfügung von Todes wegen weitere Regelungen enthalte, sei eine Herausgabe ausgeschlossen (§ 2300 Abs. 2 BGB). Die herausverlangte Urkunde der Eheleute aus dem Jahr 2011 umfasse neben dem Erbvertrag auch Regelungen zum Ehevertrag. Damit unterfalle sie nicht dem Heraus­ga­be­an­spruch. Da es sich um ein rein formelles Verfahren handele, komme es trotz der zwischen­zeit­lichen Aufhebung nicht auf die Unwirksamkeit des Erbvertrages an. Der Anwen­dungs­bereich des Rückga­be­an­spruchs sei auch nicht im Wege einer verfas­sungs­kon­formen Auslegung zu erweitern. „Zwar liegt im Hinblick auf das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung ein Grund­recht­s­eingriff vor“, konstatiert das OLG. Die Testierenden hätten selbst bei sehr persönlichen Inhalten nicht mehr die Möglichkeit, eine Eröffnung des Erbvertrags zu verhindern und müssten die Bekanntgabe eines mittlerweile geänderten Willens in Kauf nehmen.

Eingriff aber unter Berück­sich­tigung des Schutzzwecks der Norm gerechtfertigt

Dieser Eingriff sei aber unter Berück­sich­tigung des Schutzzwecks der Norm gerechtfertigt. Die Beschränkung der Rücknah­memög­lichkeit bei kombinierten Erbverträgen diene dem Schutz der die ehever­trag­lichen Regelungen enthaltenen Originalurkunde vor Verlust. Da ein Ehevertrag typischerweise Regelungen enthalte, die zu Lebzeiten maßgeblich seien, bestehe ein besonderes Interesse am Erhalt der Urkunde. Im Übrigen hätten die Eheleute sich freiwillig dafür entschieden, den kombinierten Ehe- und Erbvertrag in die amtliche Verwahrung zu geben. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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