21.11.2024
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Dokument-Nr. 34332

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Beschluss24.07.2024Oberlandesgericht Frankfurt am Main21 W 146/23
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss24.07.2024

Frau erhält Erbe trotz AusschlagungAnfechtung einer Erbschafts­ausschlagung bei fälschlich angenommener Überschuldung

Auch wenn ein Erbe nicht alle zumutbaren und möglichen Erkennt­nis­quellen über die Zusammensetzung eines Nachlasses genutzt hat und sein Erbe wegen - fälschlich - angenommener Überschuldung ausschlägt, kann er diese Ausschlagung später anfechten. Zu diesem Thema hatte das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main einen Fall zu entscheiden.

Ein Erbe ist grundsätzlich nicht verpflichtet, sich vor einer Ausschlagung über die Zusammensetzung des Nachlasses zu informieren. Trifft er allerdings seine Entscheidung allein auf der Basis von Spekulationen, kann er bei einer Fehlvorstellung die Ausschlagung mangels Irrtums über Tatsachen nicht anfechten. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) hat festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Erbschein­ser­teilung der Beschwer­de­führerin vorliegen.

Sachverhalt

Nach dem Versterben ihrer Mutter hatte die beschwer­de­führende Tochter die Erbschaft ausgeschlagen. Ein Dreivierteljahr später erklärte sie die Anfechtung dieser Ausschla­gungs­er­klärung und begehrt nunmehr einen Erbschein als Alleinerbin. Sie sei fälschlich von einer Überschuldung des Nachlasses ausgegangen sei. Aufgrund der Alkohol­krankheit ihrer Mutter sei sie nicht bei ihr aufgewachsen und habe seit ihrem 11. Lebensjahr keinen Kontakt mehr gehabt. Die sie über den Tod ihrer Mutter informierende Kriminalbeamtin habe berichtet, dass die im Bahnhofsviertel liegende Wohnung der Mutter in einem chaotischen und unaufgeräumten Zustand gewesen sei. Sie habe deshalb - ohne die Wohnung besichtigt zu haben - angenommen, dass ihre Mutter „abgerutscht sei und im sozialen Brennpunkt gelebt haben müsse“. Erst durch ein Schreiben des Nachlass­pflegers habe sie erfahren, dass ihre Mutter tatsächlich über Konto-Guthaben im oberen fünfstelligen Bereich verfügte. Das Nachlassgericht hatte den Erbscheins­antrag der Tochter zurückgewiesen. Die Anfechtung der Erbausschlagung sei unwirksam.

Ausschluss der Anfechtung bei Spekulationen

Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte vor dem OLG Erfolg. Die Tochter habe ihre Ausschla­gungs­er­klärung wirksam angefochten und damit die Erbschaft angenommen, stellte der zuständige 21. Zivilsenat nach Anhörung der Tochter fest. Die Ausschlagung einer Erbschaft könne grundsätzlich wegen eines Irrtums über eine verkehrs­we­sentliche Eigenschaft des Nachlasses angefochten werden, wenn der Irrtum für die Ausschla­gungs­er­klärung kausal gewesen sei. Ein Irrtum setze eine Abweichung zwischen Vorstellung und Realität voraus. Ein solcher Irrtum sei für eine Ausschlagung kausal, wenn der Erbe naheliegende Erkennt­nis­mög­lich­keiten über die Zusammensetzung des Nachlasses genutzt und diese - im Ergebnis unzutreffend - bewertet habe. Treffe der Erbe dagegen seine Entscheidung bewusst spekulativ, d.h. auf einer ungesicherten Grundlage, handele es sich allein um Vermutungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses. Eine so entstandene Fehlvorstellung berechtige nicht zur Anfechtung, da der Erbe in diesem Fall seine Entscheidung „bewusst auf spekulativer (...) Grundlage getroffen hat“.

Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses

Soweit sich die Tochter hier über den Wert des Nachlasses an sich geirrt habe und von einer Überschuldung ausgegangen sei, begründe dies zwar keinen Anfech­tungsgrund. „Der Wert ist anders als die wertbildenden Faktoren keine Eigenschaft einer Sache“, führte der Senat zur Begründung aus. Die Tochter habe sich aber über die konkrete Zusammensetzung des Nachlasses und damit über verkehrs­we­sentliche Eigenschaften geirrt, insbesondere über das Vorhandensein der Konto-Guthaben. Dieser Irrtum sei auch kausal für ihre Ausschlagung gewesen. Die Tochter habe zwar nicht alle naheliegenden Möglichkeiten ausgeschöpft, um sich über die Zusammensetzung des Nachlasses zu erkundigen, was gegen das Vorliegen eines Irrtums spreche. Gleichwohl sei der Senat aufgrund der persönlichen Anhörung der Tochter zu der Überzeugung gelangt, dass die Ausschlagung auf einer Fehlvorstellung und nicht auf einer Vermutung basiert habe. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle: Oberlandessgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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