21.11.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss04.04.2018

Elternteil kann während des freiwilligen sozialen Jahres des Kindes unter­halts­pflichtig seinOrientierungs- und Erprobungsphase während der Berufsfindung rechtfertigt gerade bei Minderjährigen Unterhalts­verpflichtung während des freiwilligen sozialen Jahres

Während eines freiwilligen sozialen Jahres besteht jedenfalls dann eine Unter­halts­pflicht, wenn das Kind bei Beginn minderjährig war und das Freiwil­li­genjahr auch der Berufsfindung dient. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Frankfurt am Main hervor.

Die Beteiligten des zugrunde liegenden Falls streiten um Kindesunterhalt. Sie waren miteinander verheiratet und haben zwei Kinder. Die Kinder leben seit der Trennung im Haushalt der Antragstellerin. Der Sohn der Antragstellerin begann mit siebzehneinhalb Jahren ein freiwilliges soziales Jahr beim Deutschen Roten Kreuz. Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner auf Kindesunterhalt u.a. für diese Zeit in Anspruch.

Gerichte bejahen grundsätzliche Unter­halts­pflicht

Das Amtsgericht Kassel hatte den Antragsgegner zur Unter­halts­zahlung verpflichtet. Hiergegen richtete sich seine Beschwerde. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main bestätigte die grundsätzliche Unter­halts­pflicht des Antragsgegners während des Freiwil­li­genjahrs und änderte nur die Höhe des Anspruchs teilweise ab.

Jugend-Freiwilligen-Dienste sollen Jugendlichen soziale, kulturelle und interkulturelle Kompetenzen vermitteln

Der Antragsgegner schulde dem Grunde nach Unterhalt während des freiwilligen sozialen Jahres, betont das Oberlan­des­gericht. Entgegen der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur spreche bereits viel dafür, für die Zeit eines Freiwil­li­gen­jahres grundsätzlich einen Anspruch auf Ausbil­dungs­un­terhalt anzuerkennen. Das Gesetz zur Förderung von Jugend-Freiwilligen-Diensten verfolge das am Gemeinwohl orientierte Ziel, Jugendlichen soziale, kulturelle und interkulturelle Kompetenzen zu vermitteln. Neben einer beruflichen Orientierungs- und Arbeits­er­fahrung vermittele der Jugend-Freiwilligen-Dienst auch wichtige personale und soziale Kompetenzen, die als Schlüs­sel­kom­petenz noch die Arbeits­ma­rkt­chancen verbessern, erläuterte das Gericht. Dies allein könnte es rechtfertigen, einen Unterhaltsanspruch während eines Freiwil­li­gen­jahres grundsätzlich zu bejahen, auch wenn die Tätigkeit nicht konkret für die weitere Ausbildung erforderlich sei. Die von der überwiegenden Meinung vertretene Obliegenheit des Kindes, nach Abschluss der Schulbildung alsbald eine Berufs­aus­bildung zu beginnen und sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener Zeit zu beenden, sei damit zu hinterfragen.

Freiwilliges soziales Jahr diente der Berufsfindung

Jedenfalls aber bestehe unter Berück­sich­tigung der hier vorliegenden Umstände ein Unter­halts­an­spruch, führt das Oberlan­des­gericht weiter aus. Bedeutung erlange, dass der Sohn zum Zeitpunkt des Beginns des freiwilligen Jahres noch minderjährig gewesen sei. Seine eigene Erwer­b­s­ob­lie­genheit sei in dieser Zeit zurückhaltender zu bewerten als bei einem volljährigen Kind. Zudem sei dem Sohn im Rahmen seiner beruflichen Orientierung empfohlen worden, vor Beginn der von ihm angestrebten Ausbildung zum Altenpfleger im Rahmen eines freiwilligen sozialen Jahres zu erproben, ob er dafür geeignet sei. Damit sei das freiwillige soziale Jahr zwar keine Voraussetzung für die Ausbildung geworden. Es habe aber im weitesten Sinne der Berufsfindung gedient und stelle einen wichtigen Baustein für seine künftige Ausbildung dar.

Auch BGH gesteht Orientierungs- und Erprobungsphase während der Berufsfindung zu

Sogar jungen Volljährigen werde nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs eine Orientierungs- und Erprobungsphase während der Berufsfindung zugestanden, die den Eltern abverlange, gewisse Verzögerungen in der Ausbildung hinzunehmen und finanziell mitzutragen, die nur auf einem leichten Versagen beruhten. Diese Überlegung rechtfertige auch eine Unter­halts­ver­pflichtung während des freiwilligen sozialen Jahres.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online

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