18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 30240

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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil21.04.2021

Konkrete Ermittlung des Nutzungs­vorteils beim Dieselskandal ist gegenüber linearer Teilwert­abschreibung vorzugswürdigSchätzung allein anhand einer linearen Teilwert­abschreibung bildet die konkrete Wertentwicklung nur unzureichend ab

Vom Dieselskandal betroffene Käufer müssen sich auf den Kaufpreis den gezogenen Nutzungsvorteil anrechnen lassen. Dabei ist nach einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Frankfurt am Main (OLG) auf den konkret - notfalls sachverständig - erlittenen Wertverlust des Fahrzeugs abzustellen. Die Schätzung allein anhand einer linearen Teilwert­abschreibung (gefahrene Kilometer multipliziert mit dem Kaufpreis geteilt durch die Gesamt­lauf­leistung) bilde die konkrete Wertentwicklung nur unzureichend ab und könne dazu führen, dass der Geschädigte an dem Schadensfall "verdient“.

Der Kläger kaufte 2011 einen neuen VW Touran für 34.700 € mit einem Dieselmotor des Typs EA 189. Die Motosteuerung war zum Zeitpunkt der Erstzulassung so programmiert, dass sie das Durchlaufen des Prüfstandes erkannte und in diesem Fall in einen Stickoxid-optimierten Betriebsmodus wechselte. Der Kläger meint, die beklagte Herstellerin habe ihn sittenwidrig über das Vorhandensein einer geset­zes­widrigen Abschalt­ein­richtung getäuscht. Er begehrt Schadensersatz in Höhe des gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen.

OLG: Kläger muss sich Nutzungsvorteil anrechnen lassen

Die hiergegen eingelegte Berufung hatte vor dem OLG teilweise Erfolg. Der Kläger könne - wie auch höchst­rich­terlich bereits mehrfach ausgesprochen - grundsätzlich Schadensersatz von der Beklagten wegen einer sittenwidrigen Schädigung verlangen. Er müsse sich aber auf den Kaufprei­s­er­stat­tungs­an­spruch die von ihm gezogenen Fahrzeug­nut­zungen anrechnen lassen. Dieser Nutzungsvorteil bemesse sich nach dem Wertverlust, den das Fahrzeug während der Nutzungszeit erlitten habe. Die Schätzung dieses Wertverlustes könne zwar nach höchst­rich­ter­licher Rechtsprechung im Wege einer linearen Teilwert­ab­schreibung erfolgen: Demnach werde der Bruttokaufpreis des Fahrzeugs durch die voraus­sichtliche Restlauf­leistung im Erwer­bs­zeitpunkt geteilt und dieser Wert mit den gefahrenen Kilometer multipliziert.

Nicht allein die Laufleistung darf entscheidend sein

Vorzugswürdig sei jedoch eine ggf. sachverständig vorgenommene Schätzung des Nutzungs­vorteils anhand des konkret erlittenen Wertverlustes. „Die vom Bundes­ge­richtshof gebilligte Methode der Schadens­schätzung auf der Grundlage der Annahme eines linearen Wertverzehrs ist regelmäßig nicht in gleicher Weise geeignet, den Nutzungsvorteil mit derselben Genauigkeit abzubilden“, so begründet der Senat diese Einschätzung. „Insbesondere bei Fahrzeugen mit einer sehr geringen Laufleistung kann es bei Anwendung der ausschließlich laufleis­tungs­be­zogenen Formel dazu kommen, dass der Geschädigte an dem Schadensfall „verdient““, ergänzt der Senat. Es sei gerichtsbekannt, dass genutzte Fahrzeuge in den ersten Jahren nach der Erstzulassung einen unver­hält­nismäßig hohen Wertverlust erlitten. Werde allein auf die zurückgelegte Fahrtstrecke abgestellt, müsse sich der Geschädigte jedoch nur einen auf der Annahme eines linearen Wertverlustes beruhenden Nutzungsvorteil anrechnen lassen. Der so ermittelte Nutzungsvorteil sei geringer als die Differenz zwischen tatsächlichem Bruttokaufpreis und Fahrzeugwert, so dass dem Geschädigten ein auf dem Schaden­se­r­eignis beruhender ungerecht­fer­tigter Vorteil verbliebe.

Kläger würde sonst einen „Gewinn“ von 17.016,32 € erzielen

So liege der Fall auch hier. Der sachverständig berechnete konkrete Nutzungsvorteil betrage 22.250 €, so dass die Beklagte zur Zahlung von 12.450,00 € zu verurteilen sei. Bei Ansatz eines linear berechneten Nutzungs­vorteils würde sich dagegen ein Nutzungsvorteil nur in Höhe von 5.233,68 € ergeben, so dass dem Kläger knapp 29.500 € zugesprochen werden würden. Über die lineare Berech­nungs­methode würde damit beim Kläger damit ein „Gewinn“ von 17.016,32 € verbleiben. Eine solche Überkom­pen­sation sei nach allgemeinen schadens­recht­lichen Grundsätzen nicht zu rechtfertigen.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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