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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil21.04.2021
Konkrete Ermittlung des Nutzungsvorteils beim Dieselskandal ist gegenüber linearer Teilwertabschreibung vorzugswürdigSchätzung allein anhand einer linearen Teilwertabschreibung bildet die konkrete Wertentwicklung nur unzureichend ab
Vom Dieselskandal betroffene Käufer müssen sich auf den Kaufpreis den gezogenen Nutzungsvorteil anrechnen lassen. Dabei ist nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) auf den konkret - notfalls sachverständig - erlittenen Wertverlust des Fahrzeugs abzustellen. Die Schätzung allein anhand einer linearen Teilwertabschreibung (gefahrene Kilometer multipliziert mit dem Kaufpreis geteilt durch die Gesamtlaufleistung) bilde die konkrete Wertentwicklung nur unzureichend ab und könne dazu führen, dass der Geschädigte an dem Schadensfall "verdient“.
Der Kläger kaufte 2011 einen neuen VW Touran für 34.700 € mit einem Dieselmotor des Typs EA 189. Die Motosteuerung war zum Zeitpunkt der Erstzulassung so programmiert, dass sie das Durchlaufen des Prüfstandes erkannte und in diesem Fall in einen Stickoxid-optimierten Betriebsmodus wechselte. Der Kläger meint, die beklagte Herstellerin habe ihn sittenwidrig über das Vorhandensein einer gesetzeswidrigen Abschalteinrichtung getäuscht. Er begehrt Schadensersatz in Höhe des gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen.
OLG: Kläger muss sich Nutzungsvorteil anrechnen lassen
Die hiergegen eingelegte Berufung hatte vor dem OLG teilweise Erfolg. Der Kläger könne - wie auch höchstrichterlich bereits mehrfach ausgesprochen - grundsätzlich Schadensersatz von der Beklagten wegen einer sittenwidrigen Schädigung verlangen. Er müsse sich aber auf den Kaufpreiserstattungsanspruch die von ihm gezogenen Fahrzeugnutzungen anrechnen lassen. Dieser Nutzungsvorteil bemesse sich nach dem Wertverlust, den das Fahrzeug während der Nutzungszeit erlitten habe. Die Schätzung dieses Wertverlustes könne zwar nach höchstrichterlicher Rechtsprechung im Wege einer linearen Teilwertabschreibung erfolgen: Demnach werde der Bruttokaufpreis des Fahrzeugs durch die voraussichtliche Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt geteilt und dieser Wert mit den gefahrenen Kilometer multipliziert.
Nicht allein die Laufleistung darf entscheidend sein
Vorzugswürdig sei jedoch eine ggf. sachverständig vorgenommene Schätzung des Nutzungsvorteils anhand des konkret erlittenen Wertverlustes. „Die vom Bundesgerichtshof gebilligte Methode der Schadensschätzung auf der Grundlage der Annahme eines linearen Wertverzehrs ist regelmäßig nicht in gleicher Weise geeignet, den Nutzungsvorteil mit derselben Genauigkeit abzubilden“, so begründet der Senat diese Einschätzung. „Insbesondere bei Fahrzeugen mit einer sehr geringen Laufleistung kann es bei Anwendung der ausschließlich laufleistungsbezogenen Formel dazu kommen, dass der Geschädigte an dem Schadensfall „verdient““, ergänzt der Senat. Es sei gerichtsbekannt, dass genutzte Fahrzeuge in den ersten Jahren nach der Erstzulassung einen unverhältnismäßig hohen Wertverlust erlitten. Werde allein auf die zurückgelegte Fahrtstrecke abgestellt, müsse sich der Geschädigte jedoch nur einen auf der Annahme eines linearen Wertverlustes beruhenden Nutzungsvorteil anrechnen lassen. Der so ermittelte Nutzungsvorteil sei geringer als die Differenz zwischen tatsächlichem Bruttokaufpreis und Fahrzeugwert, so dass dem Geschädigten ein auf dem Schadensereignis beruhender ungerechtfertigter Vorteil verbliebe.
Kläger würde sonst einen „Gewinn“ von 17.016,32 € erzielen
So liege der Fall auch hier. Der sachverständig berechnete konkrete Nutzungsvorteil betrage 22.250 €, so dass die Beklagte zur Zahlung von 12.450,00 € zu verurteilen sei. Bei Ansatz eines linear berechneten Nutzungsvorteils würde sich dagegen ein Nutzungsvorteil nur in Höhe von 5.233,68 € ergeben, so dass dem Kläger knapp 29.500 € zugesprochen werden würden. Über die lineare Berechnungsmethode würde damit beim Kläger damit ein „Gewinn“ von 17.016,32 € verbleiben. Eine solche Überkompensation sei nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen nicht zu rechtfertigen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 10.05.2021
Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)
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