21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen die Rücken von verschiedenen Zeitungen, die nebeneinander aufgereiht wurden.
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss06.09.2018

Versand kompro­mit­tie­render Nachrichten über Messenger: Facebook muss keine Nutzerdaten des Facebook-Messen­ger­dienstes an Betroffene herausgebenGeset­zes­grundlage für Herausgabe von Nutzerdaten nicht gegeben

Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass ein Betroffener von (möglicherweise) rechtswidrigen Inhalten, die über den Facebook-Messengerdienst verschickt wurden, keine gerichtliche Erlaubnis verlangen kann, dass ihm Facebook die Nutzerdaten des Versenders mitteilt. Nutzerdaten dürften an Betroffene nach § 14 TMG nur im Zusammenhang mit Inhalten von sozialen Netzwerken herausgegeben werden. Der Messenger diene dagegen dem privaten Austausch.

Die Antragstellerin des zugrunde liegenden Streitfalls verlangte von der Beteiligten (Facebook) Auskunft über Nutzerdaten. Facebook betreibt neben der Webseite www.facebook.com auch einen Messenger-Dienst (Messenger). Über diesen Messenger können private Nachrichten an bestimmte Personen oder Gruppen geschickt werden. Die Nutzer müssen dafür nicht bei Facebook angemeldet sein. Alle bei Facebook angemeldeten Nutzer können dagegen über den Messenger angeschrieben werden.

Antragstellerin verlangt gerichtlich Auskunft über Bestandsdaten von Nutzern

Die Antragstellerin wandte sich gegen kompro­mit­tierende Nachrichten, die von drei verschiedenen Nutzerkonten über den Messenger an ihre Freunde und Familien­an­ge­hörige verschickt wurden. Sie hatte zunächst vergeblich von Facebook die Löschung der Beiträge verlangt. Nunmehr begehrt sie, dass es Facebook gerichtlich erlaubt wird, ihr Auskunft über die Bestandsdaten der Nutzer, ihre Namen, E-Mail-Adressen und IP-Adressen zu erteilen.

Messenger ist Programm zur Indivi­du­a­l­kom­mu­ni­kation

Das Landgericht Frankfurt am Main wies den Antrag zurück. Die Beschwerde der Antragstellerin hatte auch vor dem Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main keinen Erfolg. Das Oberlan­des­gericht stellte fest, dass nach der gegenwärtigen Gesetzeslage die begehrte daten­schutz­rechtliche Erlaubnis zur Herausgabe der Nutzerdaten an die Antragstellerin deshalb nicht bestehe, da es sich bei dem Messenger um ein Mittel der Indivi­du­a­l­kom­mu­ni­kation handele. Zwar sei § 14 Abs. 3 TMG auf Facebook anwendbar, soweit es um Kommunikation in seinem sozialen Netzwerk gehe. Der Messenger diene jedoch - vergleichbar mit WhatsApp - dem privaten Austausch.

Gesetzgeber hat Indivi­du­a­l­kom­mu­ni­kation von Anwen­dungs­bereich des NetzDG ausgenommen

§ 14 Abs. 3 TMG erfasse gegenwärtig nur solche Diensteanbieter, die ein soziales Netzwerk im Sinne von § 1 Abs. 1 NetzDG betreiben. Dafür spreche sowohl der Wortlaut des Gesetzes als auch der Willen des Gesetzgebers. In der Geset­zes­be­gründung zu § 1 NetzDG heiße es zwar, dass der "oft aggressiv, verletzend und nicht selten hasserfüllt(en)" "Debattenkultur im Netz" zu begegnen sei. Gleichzeitig habe der Gesetzgeber jedoch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Indivi­du­a­l­kom­mu­ni­kation von dem Anwen­dungs­bereich des NetzDG ausgenommen werde. Auch die Verknüp­fungs­option des Messengers mit anderen Facebook-Diensten und die Möglichkeit, Nachrichten anonym zu versenden, führe nicht zum Charakter eines sozialen Netzwerks. Zwar erleichtere die Interaktion mit anderen Facebook-Diensten, mit einer Vielzahl von Empfängern ohne großen Aufwand zu kommunizieren. Allein die Möglichkeit, private Nachrichten an einen großen Empfängerkreis zu versenden, führe jedoch nicht zur Annahme eines sozialen Netzwerkes. Ein soziales Netzwerk müsse vielmehr dazu "bestimmt" sein, "beliebige Inhalte mit anderen Nutzern zu teilen oder zugänglich zu machen". Das Oberlan­des­gericht resümierte insoweit, dass der Messenger eine andere Funktion erfülle, nämlich die der privaten Kommunikation.

Allgemeiner Auskunfts­an­spruch nach "Treu und Glauben" fraglich

§ 14 Abs. 3 TMG verdränge auch als speziellere Regelung die allgemeine daten­schutz­rechtliche Möglichkeit nach § 24 BDSG, Auskunft über Daten zu erteilen. Bei der Umsetzung der DSGVO und Anpassung des BDSG sei der Gesetzgeber explizit davon ausgegangen, dass weiterer Anpas­sungs­bedarf bestehe, der gesonderte Geset­zes­vorhaben erfordere. Das TMG sei bislang indes nicht novelliert und damit in seiner bestehenden Form anzuwenden. Es sei allerdings nicht zu verkennen, dass dieses Ergebnis für die Antragstellerin unbefriedigend sei. Betroffenen stehe gegenwärtig kein spezieller daten­schutz­recht­licher Anspruch zur Seite; ein allgemeiner Auskunftsanspruch nach "Treu und Glauben" sei fraglich.

Insoweit könnte der Gesetzgeber aufgerufen sein, gegebenenfalls ein Auskunfts­an­spruch entsprechend der Regelung in § 101 UrhG zu kodifizieren, deutet das Gericht abschließend an.

§ 14 TMG Bestandsdaten

(1) Der Diensteanbieter darf perso­nen­be­zogene Daten eines Nutzers nur erheben und verwenden, soweit sie für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung oder Änderung eines Vertrags­ver­hält­nisses zwischen dem Diensteanbieter und dem Nutzer über die Nutzung von Telemedien erforderlich sind (Bestandsdaten).

[...]

(3) Der Diensteanbieter darf darüber hinaus im Einzelfall Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivil­recht­licher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte, die von § 1 Absatz 3 des Netzwerk­durch­set­zungs­ge­setzes erfasst werden, erforderlich ist.

§ 1 NetzDG Anwen­dungs­bereich

(1) 1 Dieses Gesetz gilt für Teleme­di­en­diens­tean­bieter, die mit Gewinn­er­zie­lungs­absicht Plattformen im Internet betreiben, die dazu bestimmt sind, dass Nutzer beliebige Inhalte mit anderen Nutzern teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich machen (soziale Netzwerke). 2 Plattformen mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, die vom Diensteanbieter selbst verantwortet werden, gelten nicht als soziale Netzwerke im Sinne dieses Gesetzes. 3 Das Gleiche gilt für Plattformen, die zur Indivi­du­a­l­kom­mu­ni­kation oder zur Verbreitung spezifischer Inhalte bestimmt sind.

[...]

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss26471

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI