21.11.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil24.01.2018

Adresshandel: Verkauf von Adressdaten wegen fehlender Einwilligung nach dem Bundes­datenschutz­gesetz unwirksamAnsprüche trotz vertrags­widriger Datennutzung für anstößige Werbe-E-Mails dennoch verneint

Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main hat den Verkauf von Adressdaten wegen fehlender Einwilligung nach dem Bundes­datenschutz­gesetz (BDSG) für unwirksam erklärt. Ansprüche trotz vertrags­widriger Nutzung durch Dritte für anstößige Werbe-E-Mails wies das Gericht dennoch zurück.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Rechtstreits handelt mit Adressdaten. Sie nimmt den beklagten Insol­venz­ver­walter der vormals ebenfalls mit Adressdaten handelnden Schuldnerin auf Schadensersatz und Unterlassen in Anspruch. Der Geschäftsführer der Klägerin war zuvor Geschäftsführer der Schuldnerin. Er hatte am Tag der Insol­ven­z­er­öffnung vom Beklagten verschiedene Internet-Domains einschließlich der über diese generierten Adressen für 15.000 Euro gekauft. Die Daten befanden sich ursprünglich auf zwei Servern der Schuldnerin und wurden auf einem USB-Stick übergeben. Die Server selbst, auf denen die Daten weiterhin rekonstruierbar lagen, wurden vom Beklagten an eine ebenfalls mit Adressen handelnde dritte Firma verkauft. Diese nutzte nach dem Vortrag der Klägerin rund eine Million Adressen, um Werbe-E-Mails für die Internetseite sexpage.de zu versenden.

Klägerin rügt Wertverlust der Adressen

Die Klägerin klagt nunmehr aus abgetretenem Recht ihres Geschäfts­führers. Sie ist der Ansicht, die von ihr erworbenen Adressen hätten durch die erfolgte Nutzung für die Internetseite sexpage.de 2/3 ihres Wertes verloren. Der Beklagte müsse deshalb den Kaufpreis anteilig an sie zurückzahlen. Zudem sei er verpflichtet, die weitere Nutzung dieser Adressdaten zu unterlassen.

Vertrag wegen Verstoß gegen Vorgaben des BDSG insgesamt nichtig

Das Landgericht Darmstadt gab der Klage statt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hatte vor dem Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main Erfolg. Der Klägerin stünden keinerlei vertragliche Ansprüche zu, so das Oberlan­des­gericht. Der Kaufvertrag sei vielmehr insgesamt nichtig, da die Adressinhaber in den Verkauf ihrer Daten nicht wirksam eingewilligt hätten. Der Vertrag verstoße gegen die Vorgaben des BDSG. Die Nutzung sogenannter perso­nen­be­zogener Daten sei nur zulässig, wenn der Betroffene einwillige oder das so genannte Listenprivileg eingreife. Name, Postanschrift, Telefonnummer und E-Mail-Adresse einer Person stellten "klassische" perso­nen­be­zogene Daten dar. Auch der einmalige Verkauf derartiger Daten - wie hier - unterfalle dem Adresshandel im Sinne von § 28 Abs. 3 S. 1 BDSG dar. Das so genannte Listenprivileg nach § 28 Abs. 3 S. 2 BDSG greife nicht, da es sich nicht um zusam­men­ge­fasste Daten von Angehörigen einer bestimmten Personengruppe handele.

Vertrag fehlt es am erforderlichen Hervorhebungen zu Verarbeitung oder Nutzung der Daten

Das Oberlan­des­gericht betonte, dass eine Einwilligung nach dem BDSG nur wirksam sei, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruhe, der auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung sowie [...] auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hingewiesen werde. Sie müsse grundsätzlich schriftlich abgegeben werden. Außerdem sei sie besonders hervorzuheben, wenn sie - wie hier - zusammen mit anderen Erklärungen erteilt werde. Nach dem von der Klägerin selbst vorgetragenen Wortlaut der Einwil­li­gungs­er­klärung seien jedoch weder die betroffenen Daten noch Kategorien etwaiger Datenempfänger oder der Nutzungszweck - Adresshandel - konkret genug bezeichnet worden. Es fehle zudem die erforderliche Hervorhebung.

Keine Rückabwicklung bei geset­zes­widrigen Verträgen

Der Vertrag verpflichte die Parteien darüber hinaus "systematisch" zu einem unlauteren wettbe­wer­bs­widrigen Verhalten, so dass auch deshalb von einer Gesamt­nich­tigkeit auszugehen sei. Die Zusendung von Werbe-E-Mails ohne Einwilligung stelle eine unzumutbare Belästigung nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG dar. Soweit der Beklagte zwar im Ergebnis in Höhe des erlangten Kaufpreises ungerecht­fertigt bereichert sei, begründe dies allein ebenfalls keinen Rückzah­lungs­an­spruch der Klägerin. Ein derartiger Anspruch sei hier vielmehr ausgeschlossen, da beide Vertrags­parteien vorsätzlich gegen die zwingenden Vorgaben des BDSG verstoßen hätten. Bei geset­zes­widrigen Verträgen versage § 817 Abs. 1 BGB jede Rückabwicklung. Wer sich dennoch auf ein derartiges Geschäft einlasse, leiste auf eigenes Risiko, betonte das Oberlan­des­gericht.

Erläuterungen:

§ 28 BDSG Datenerhebung und -speicherung für eigene Geschäftszwecke

(1) [...]

(2) 1 Die Verarbeitung oder Nutzung perso­nen­be­zogener Daten für Zwecke des Adresshandels oder der Werbung ist zulässig, soweit der Betroffene eingewilligt hat und im Falle einer nicht schriftlich erteilten Einwilligung die verantwortliche Stelle nach Absatz 3a verfährt. 2 Darüber hinaus ist die Verarbeitung oder Nutzung perso­nen­be­zogener Daten zulässig, soweit es sich um listenmäßig oder sonst zusam­men­ge­fasste Daten über Angehörige einer Personengruppe handelt, die sich auf die Zugehörigkeit des Betroffenen zu dieser Personengruppe, seine Berufs-, Branchen- oder Geschäfts­be­zeichnung, seinen Namen, Titel, akademischen Grad, seine Anschrift und sein Geburtsjahr beschränken, [...]

§ 7 UWG Unzumutbare Belästigungen

(1) 1 Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig. 2 Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht.

(2) Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen

1. [...]

3. bei Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt [...]

§ 817 BGB Verstoß gegen Gesetz oder gute Sitten

1 War der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt, dass der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat, so ist der Empfänger zur Herausgabe verpflichtet. 2 Die Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt, es sei denn, dass die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand; das zur Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online

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