23.11.2024
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Dokument-Nr. 26166

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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil12.07.2018

Anbieter von Luxusparfüms darf Vertrie­b­s­partner den Verkauf über die Plattform Amazon.de untersagenLuxusprodukte rechtfertigen Vertriebsverbot auf Amazon.de

Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) hat entschieden, dass ein Anbieter von Luxusparfüms seinen Vertrie­b­s­partnern untersagen darf, diese über die Plattform "amazon.de" zu bewerben und zu vertreiben. Der Entscheidung ist ein Vorla­ge­ver­fahren zum EuGH vorausgegangen.

Die Klägerin, die Firma Coty Germany GmbH, vertreibt Marken­kos­me­tik­produkte in Deutschland. Die Beklagte zählt zu den von der Klägerin autorisierten Einzelhändlern (Depositären), die bestimmte Quali­täts­an­for­de­rungen beim Vertrieb der klägerischen Produkte einhalten müssen. Die Beklagte vertreibt die Produkte in stationären Läden sowie im Internet über einen eigenen Internet-Shop und die Plattform „amazon.de“. Hinsichtlich des Internet-Vertriebs vereinbarten die Parteien, dass „die Führung eines anderen Namens oder die Einschaltung eines Dritt­un­ter­nehmens, für welches die Autorisierung nicht erteilt wurde, ... dem Depositär nicht gestattet (ist).“ Die Klägerin überarbeitete nachfolgend ihre Zusatz­ver­ein­barung zum sog. Elektronischen Schaufenster. Nunmehr ist der Depositär berechtigt, Produkte im Internet anzubieten und zu verkaufen, sofern der „Luxuscharakter der Produkte gewahrt“ bleibt. Die erkennbare Einschaltung eines Dritt­un­ter­nehmens, das nicht autorisierter Depositär ist, ist ausdrücklich nicht erlaubt. Diese geänderte Klausel unterzeichnete die Beklagte nicht.

Hersteller will Verkauf über amazon.de unterbinden

Die Klägerin möchte der Beklagten untersagen, bestimmte Markenprodukte über die Plattform „amazon.de“ zu bewerben und zu vertreiben. Der Vertrieb über „amazon.de“ unterfalle dem vertraglich vereinbarten Verbot, nicht autorisierte Dritt­un­ter­nehmen erkennbar einzuschalten.

OLG bestätigt Verbot des Vertriebs über die Plattform amazon.de

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat nunmehr vor dem OLG Erfolg. Das OLG hatte zunächst mit Beschluss vom 19.04.2016 dem EuGH Fragen zum europäischen Wettbe­wer­bsrecht vorgelegt. Diese hatte der EuGH mit Urteil vom 06.12.2017 (C-230/16) beantwortet. Das OLG hat nun die Ausle­gungs­vorgaben des EuGH auf den zu entscheidenden Fall angewandt. Dabei ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin von der Beklagten verlangen könne, die streitigen Markenprodukte nicht über „amazon.de“ zu vertreiben. Reine Werbe­ko­ope­ra­tionen, bei denen der Kunde auf den Internetshop der Beklagten geleitet werde, seien davon allerdings nicht erfasst und weiterhin zulässig.

Qualitativ selektives Vertriebssystem erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen Einschränkungen beim Vertrieb

Die Internet-Zusatz­ver­ein­barung sei, so das OLG, Bestandteil eines von der Klägerin unterhaltenen sog. qualitativen selektiven Vertrie­bs­systems. Für die kartell­rechtliche Beurteilung der ursprünglich sehr weiten Klausel sei auf die aktuell verwendete Fassung abzustellen. Die mit der Klausel verbundenen Beschränkungen des Wettbewerbs seien hier zulässig. Dabei bedürfe es im Ergebnis keiner abschließenden Entscheidung, ob die Regelung bereits grundsätzlich als wettbe­wer­bs­kon­former Bestandteil des Binnenmarktes anzusehen sei und damit gar nicht dem europäischen Kartellverbot nach Art. 101 Abs. 1 AEUV unterliege. Jedenfalls wäre die Vereinbarung zulässig, da sie zum Bereich der freigestellten und damit kartell­rechtlich unbedenklichen Vereinbarungen im Sinne der Verordnung (EU) 330/2010 (Vertikal-GVO) zähle.

Vertrie­b­s­ein­schrän­kungen zur Wahrung des Luxusimage erlaubt

Es spreche allerdings bereits viel dafür, dass die Regelung nicht vom europäischen Kartellverbot erfasst werde. Qualitative selektive Vertrie­bs­ver­ein­ba­rungen seien nach der Rechtsprechung des EuGH zulässig, „wenn die Auswahl der Wiederverkäufer anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgt, die einheitlich ... festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden, wenn die Eigenschaften des fraglichen Erzeugnisses zur Wahrung seiner Qualität ... ein solches Vertriebsnetz erfordern und sofern die festgelegten Kriterien schließlich nicht über das erforderliche Maß hinausgehen“. Der EuGH habe im Rahmen des Vorla­ge­ver­fahrens klargestellt, „dass auch die Sicherstellung des Luxusimages von Waren, deren Qualität nicht allein auf ihren materiellen Eigenschaften beruht, sondern auch auf ihrem Presti­ge­cha­rakter, der ihnen eine luxuriöse Ausstattung verleiht, die Einrichtung eines selektiven Vertrie­bs­systems rechtfertigen kann“. Um „in Anbetracht ihrer Eigenschaften und ihres Wesens die Qualität von Luxuswaren zu wahren“, könne mithin auch zur Sicherstellung einer hochwertigen Art der Darbietung die Errichtung eines selektiven Vertrie­bs­systems erforderlich sein. Den hier zu beurteilenden Markenprodukten komme ein Luxusimage zu. Dies wäre bei freier Zulassung der Einschaltung von Dritt­un­ter­nehmen wie „amazon.de“ gefährdet.

Quali­täts­kri­terien einheitlich und diskri­mi­nie­rungsfrei angewandt

Die aufgestellten Quali­täts­kri­terien würden auch einheitlich und diskri­mi­nie­rungsfrei angewandt. Dies hätten die vernommenen Zeugen überzeugend bekundet. Zweifelhaft sei lediglich, ob das Verbot jeglicher „Verkaufs­ko­ope­ration mit einer nach außen erkennbaren anderen Drittplattform ohne Rücksicht auf deren konkrete Ausgestaltung in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel“ stehe. Es seien auch vertragliche Klauseln für den Internetvertrieb vorstellbar, die weniger in die Wettbe­wer­bs­freiheit des Händlers eingriffen. Letztlich habe aber bereits der EuGH hinsichtlich dieser konkreten Klausel die Verhält­nis­mä­ßigkeit bejaht.

Wettbe­wer­bs­be­schränkende Vereinbarungen sind demnach erlaubt, soweit die Marktanteile der beteiligten Vertragspartner jeweils nicht über 30 % liegen

Im Ergebnis bedürfe die Frage, ob das Kartellverbot überhaupt anwendbar sei, jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Die Vereinbarung sei jedenfalls nach den Ausnah­me­vor­schriften der Art. 101 Abs. 3 AEUV, Art. 2 ff Vertikal-GVO von den strengen kartell­recht­lichen Vorgaben ausgenommen. Wettbe­wer­bs­be­schränkende Vereinbarungen sind demnach erlaubt, soweit die Marktanteile der beteiligten Vertragspartner jeweils nicht über 30 % liegen und die Absprachen keine sog. Kernbe­schrän­kungen enthalten. Hier betrügen die Marktanteile der Parteien jeweils nicht mehr als 30 %. Die Klausel enthalte auch keine Kernbe­schränkung. Insbesondere würde keine Kundengruppe im Sinne von Art. 4 b Vertikal-GVO abgegrenzt, da die Kunden von Dritt­platt­formen innerhalb der Gruppe der Online-Käufer nicht separiert werden könnten. Auch der passive Verkauf an Endverbraucher werde nicht i.S.d. Art. 4 c Vertikal-GVO beschränkt. Den Vertrags­händlern sei es unter bestimmten Bedingungen gestattet, über das Internet und mittels anderen Suchmaschinen Werbung zu betreiben und die Ware zu vertreiben.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Beklagte kann mit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde vor dem BGH die Zulassung der Revision begehren.

Quelle: ra-online, OLG Frankfurt am Main (pm/pt)

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