21.11.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil30.04.2019

Im Ausland ansässige E-Book-Plattform haftet für Ur­heber­rechts­verletzung von in Deutschland noch nicht gemeinfreien WerkenGeschäftsführer der Plattforma darf bei bestim­mungs­gemäßer Ausrichtung der Webseite auch auf deutsche Nutzer nicht nur Prüfung US-amerikanischer Urheberrechte veranlassen

Die Betreiberin einer international ausgerichteten Internet-Plattform, auf der kostenfrei literarische Werke veröffentlicht werden, haftet für Ur­heber­rechts­verletzungen in Deutschland, wenn die in deutscher Sprache angebotenen Werke nach deutschem Urheberrecht noch nicht gemeinfrei sind und die Betreiberin sich die von Dritten auf der Plattform eingestellten Werke "zu eigen" gemacht hat. Der Geschäftsführer haftet ebenfalls, wenn er lediglich eine Prüfung US-amerikanischen Urheberrechts veranlasst, trotz der bestim­mungs­gemäßen Ausrichtung der Webseite auch auf deutsche Nutzer. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Frankfurt am Main hervor.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens ist ein Verlag und gibt u.a. Werke von Thomas Mann, Heinrich Mann und Alfred Döblin heraus. Die Beklagte ist eine "non-for-profit-Corporation" nach US-amerikanischem Recht. Sie betreibt eine auch in Deutschland abrufbare Webseite, deren Ziel die Veröf­fent­lichung von in den USA gemeinfreien Werken ist. Auf der Homepage sind über 50.000 Bücher als E-Books kostenlos abrufbar, u.a. 18 Werke der genannten drei Autoren auch in deutscher Sprache. Die Bücher werden von freiwillig für die Beklagte tätigen Dritten (sogenannte volunteers) auf der Plattform eingestellt. Die Beklagte veranlasst vor der Veröf­fent­lichung eine Prüfung ausschließlich nach US-amerikanischem Urheberrecht.

Klägerin beanstandet Verletzung von Urheberrechten

Die Klägerin war der Auffassung, dass die Beklagte die ihr zustehenden Urheberrechte an den 18 Werken verletze. Sie nahm die Beklagte auf Unterlassen in Anspruch. Das Landgericht gab der Klage statt. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main keinen Erfolg.

OLG bejaht Anwendbarkeit von deutschem Recht

Die deutschen Gerichte seien international zuständig, da die Inhalte der Webseite auch in Deutschland abgerufen werden können, stellt das Oberlan­des­gericht zunächst klar. Anwendbar sei deutsches Recht. Nach den Regelungen des internationalen Privatrechts richte sich die Frage, ob Ansprüche wegen der Verletzung von Urheberrechten bestehen, nach dem Recht des sogenannten Schutzlandes, also hier der Bundesrepublik Deutschland.

Betroffene Werke nach deutschem Recht noch nicht gemeinfrei

Die Beklagte verletze ausschließliche urheber­rechtliche Nutzungsrechte der Klägerin. Die Klägerin habe nachweisen können, dass ihr in Deutschland an den streit­ge­gen­ständ­lichen Werken ausschließliche Nutzungsrechte zustünden. Nach deutschem Recht seien die Werke - noch - nicht gemeinfrei (anders als in den USA).

Beklagte auch als Täterin haftbar

Die Beklagte hafte für die über ihre Plattform abrufbaren Werke auch als sogenannte Täterin. Der Betreiber einer Inter­net­plattform sei für dort zugänglich gemachte Inhalte nicht nur verantwortlich, wenn er die Inhalte selbst geschaffen habe. Es genüge, dass er sich die Inhalte "zu eigen" gemacht habe. Das sei hier der Fall. So bezeichne die Beklagte die von den sogenannten volunteers auf ihrer Plattform eingestellten Werke als "our books"; zudem verweise sie auf eine mit der angebotenen Literatur verbundene "Project ... License". Schließlich habe sie willentlich an dem Angebot ihrer Webseite für deutsche Nutzer festgehalten, auch nachdem die Klägerin sie auf den noch bestehenden Urheberschutz in Deutschland hingewiesen hatte. Die fehlende Gewinn­er­zie­lungs­absicht der Beklagten sei für die Frage einer unzulässigen öffentlichen Wiedergabe ohne Bedeutung.

Auch Geschäftsführer der Beklagten haftet für Urheber­rechts­ver­let­zungen

Der zudem in Anspruch genommene Geschäftsführer der Beklagten hafte ebenfalls für die Urheber­rechts­ver­let­zungen. Grundsätzlich treffe einen Geschäftsführer zwar nicht die Verpflichtung, "jedwedes deliktische Verhalten - also im urheber­recht­lichen Bereich jede Urheberrechtsverletzung - zu verhindern, die aus dem von ihm geleiteten Unternehmen heraus begangen werden". Beruhe aber die Rechts­ver­letzung auf einer Maßnahme der Gesellschaft, die typischerweise auf Geschäfts­füh­rerebene entschieden werde, sei davon auszugehen, dass sie von dem Geschäftsführer veranlasst worden sei. Hier habe der Geschäftsführer das Konzept der Beklagten, literarische Werke vor ihrer Veröf­fent­lichung lediglich nach US-amerikanischen Urheberrecht zu prüfen, obwohl sich die Seite bestim­mungsgemäß auch an deutsche Nutzer richtete, selbst heraus­ge­ar­beitet und praktiziert.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online (pm/kg)

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