18.10.2024
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Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil21.09.1999

Querschnitt­lähmung durch Sex - Unfall­ver­si­cherung muss zahlenGeschlechtsakt kann ein "von außen wirkendes Ereignis" im versi­che­rungs­recht­lichen Sinne sein

Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls verklagte ihre beiden Unfall­ver­si­che­rungen auf Zahlung von Invali­di­täts­leis­tungen in Höhe von insgesamt rund 775.000 DM. Sie war seit einem Unfall beim Geschlechts­verkehr inkomplett querschnitts­gelähmt. Das Oberlan­des­gericht Düsseldorf gab der Klägerin auch in zweiter Instanz Recht und wies die Berufungen der Unfall­ver­si­che­rungen zurück.

Das Gericht befand, dass die Querschnittslähmung Folge eines "Unfalls" im Sinne der Allgemeinen Unfall­ver­si­cherungs-Bedingungen (AUB) sei. Dies gelte sowohl dann, wenn die Klägerin - was von den Versicherungen bestritten worden war - durch einen Aufprall auf das Bettgestell verletzt worden sei, als auch dann, wenn die Querschnitts­lähmung durch den Geschlechts­verkehr als solchen ausgelöst worden sei.

Der Unfall ereignete sich entweder durch Sturz aus dem Bett ...

Die Klägerin war im April 1994 mit starken Unter­leibs­blu­tungen in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Dort zeigten sich die Lähmungs­er­schei­nungen. Der Unfall hatte sich nach den Ausführungen der Klägerin wie folgt zugetragen: Sie sei beim Intimverkehr rittlings auf ihrem auf dem Rücken liegenden Partner gesessen. Aufgrund einer heftigen Bewegung habe sie das Gleichgewicht verloren und sei aus dem Bett gestürzt. Dabei sei sie mit dem Gesäß auf eine am Fußende des Betts befindliche Metall-Einfassung aufgeschlagen.

... oder durch den Geschlechtsakt selbst

Diese Unfall­schil­derung zweifelten die in Anspruch genommenen Versicherungen an. Sie führten aus, dass das von der Klägerin beschriebene Aufschlagen weder zu einer Querschnitts­lähmung noch zu vaginalen Blutungen passe. Die Durch­blu­tungs­stö­rungen seien Folge der heftigen Bewegungen beim Geschlechts­verkehr. Verletzungen infolge von Eigenbewegungen erfüllten aber nicht den Tatbestand des "Unfalls" im Sinne der AUB, weshalb der Versi­che­rungsfall nicht eingetreten sei.

Beide Sachver­halts­ver­sionen führen zur Eintritts­pflicht der Versicherungen

Auch die Richter äußerten Bedenken hinsichtlich der Unfall­schil­derung der Klägerin. An ihrem Körper seien keinerlei Spuren einer äußeren Verletzung festzustellen gewesen, die auf einen Sturz hingedeutet hätten. Die Klägerin habe den Ärzten im Krankenhaus auch nichts von einem Sturz gesagt. Zudem sei schwer vorstellbar, wie die Klägerin in der sitzenden Position das Gleichgewicht verlierend nicht lediglich nach hinten weggekippt, sondern weggeschleudert und dabei mit dem Gesäß auf die Metallstange am Fußende des Bettes aufgeprallt sein solle. Dieser Frage brauche aber nicht weiter nachgegangen zu werden.

Mechanische Ursache beim Geschlechtsakt ist "von außen wirkendes Ereignis"

Die Richter stellten klar, dass die Versicherungen nach beiden Sachver­halts­va­rianten eintritts­pflichtig seien. Denn die Klägerin habe - gegebenenfalls auch ohne Aufprall - eine Gesund­heits­be­schä­digung durch ein von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig erlitten. Dies dokumentierten die heftigen vaginalen Blutungen.

Geschlechts­verkehr beruht nicht nur auf Eigenbewegungen, sondern auch auf Bewegungen des Partners

Die "mechanische" Ursache, welche zu "Irritationen" geführt und die Blutungen ausgelöst habe, stelle sich doch als ein von außen wirkendes Ereignis dar. Denn als ein solches sei auch der Geschlechtsakt anzusehen, wenn er wie hier ausweislich der Aussage des Geschlechts­partners von ihm mit Heftigkeit vollzogen worden sei und zu alsbald eintretenden Blutungen geführt habe. Infolge des Kontakts mit dem Partner und dessen Bewegungen gehe es beim vollzogenen Geschlechts­verkehr nicht lediglich um bloße (gesteuerte) Eigenbewegungen der Verletzten, welche die Annahme eines Unfalls möglicherweise nicht rechtfertigen würden.

Geschlechts­verkehr ist eine "plötzliche" Einwirkung von außen

Auch das weitere Merkmal des Unfallbegriffs der AUB, dass es sich um eine "plötzliche" Einwirkung von außen gehandelt haben müsse, sei erfüllt. Plötzlich sei die Einwirkung von außen, wenn sie sich auf einen kurzen Zeitraum beschränke, der sich von einem nur allmählich ablaufenden Geschehen abhebe, das etwa in einer sich über Tage erstreckenden Einwirkung zu sehen wäre. Der Geschlechts­verkehr insgesamt und insbesondere die heftigen Stöße des Partners der Klägerin konzentrierten sich indes auf eine kurze Zeitspanne.

Quelle: ra-online, Oberlandesgericht Düsseldorf (vt/we)

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