18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 10770

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Urteil17.07.1996Oberlandesgericht Dresden8 U 696/96
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DAR 1997, 492Zeitschrift: Deutsches Autorecht (DAR), Jahrgang: 1997, Seite: 492
  • r+s 1997, 369Zeitschrift: recht und schaden (r+s), Jahrgang: 1997, Seite: 369
  • WuM 1997, 377Zeitschrift: Wohnungswirtschaft und Mietrecht (WuM), Jahrgang: 1997, Seite: 377
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Vorinstanz:
  • Landgericht Chemnitz, Urteil26.02.1996, 1 O 5967/95
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Dresden Urteil17.07.1996

Neigungswinkel des Hausdachs von über 50 Grad: Hotel haftet für Schäden durch herabstürzende DachlawinenBei besonderen Umständen durch die Beschaffenheit des Gebäudes besteht gesonderte Verkehrs­si­che­rungs­pflicht der Eigentümer

Hauseigentümer, deren Hausdach einen Neigungswinkel von über 50 Grad hat, müssen gesonderte Fanggitter anbringen, die das Herabstürzen von Dachlawinen verhindern. Wird beispielsweise ein Auto durch eine herabstürzende Dachlawine beschädigt, haftet der Hauseigentümer wegen Verletzung seiner Verkehrs­si­che­rungs­pflicht. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Dresden.

Im zugrunde liegenden Fall parkte ein Autofahrer seinen Pkw in einer Einbahnstraße vor einem Hotel in Freiberg. Entsprechend der historischen Bautradition der Stadt hat das Dach des Hotels einen Neigungswinkel von über 50 Grad. Über die gesamte Dachlänge verteilt befinden sich acht Schleppgauben mit jeweils einer Breite von einem bzw. zwei Dachfenstern. Unterhalb der Schleppgauben befindet sich in einem Abstand von ca. 60 cm von den Dachfenstern entfernt ein ca. 25 cm hohes durchgängiges Schneefanggitter. Auf den Schleppgauben sind keine Schnee­fang­gitter angebracht.

Herabstürzende Dachlawine beschädigt geparkten Pkw

An dem Vormittag, an dem der spätere Kläger sein Auto vor dem Hotel parkte, rutschten Schneemassen über die Schleppgauben und fielen auf die gesamte Länge des geparkten Pkw. Dadurch wurde die Motorhaube verbeult, die Frontscheibe eingedrückt, das Dach und das Schie­be­da­ch­fenster verbeult, die Heckscheibe eingedrückt und der Koffer­raum­deckel beschädigt. Es entstand ein Gesamtschaden in Höhe von 12.450,77 DM.

OLG hält Hotel für schaden­s­er­satz­pflichtig

Die Klage des Autobesitzers auf Schadensersatz durch das Hotel blieb vor dem Landgericht Chemnitz zunächst erfolglos. Das Oberlan­des­gericht Dresden sah die zulässige Berufung jedoch für begründet an und hielt das Hotel gemäß § 823 Abs. 1 BGB durchaus für schaden­s­er­satz­pflichtig.

Hauseigentümer muss bei Vorliegen besonderer Umstände Maßnahmen zur Verhinderung von Schneelawinen ergreifen

Nach Auffassung der Richter hatte das Landgericht zurecht auch eine Verkehrs­si­che­rungs­pflicht der Eigentümer des Hotels bejaht. Eine Verkehrs­si­che­rungs­pflicht treffe jeden, der Gefahrenquellen schaffe, durch die Dritte geschädigt werden könnten. Der Umfang der Verkehrs­si­che­rungs­pflicht hänge dabei einerseits von den Sicher­heits­er­war­tungen des jeweiligen Verkehrs ab und andererseits von der wirtschaft­lichen Zumutbarkeit für denjenigen, der den Verkehr eröffnete. Somit treffe den Hauseigentümer nicht grundsätzlich eine Pflicht, Dritte vor Dachlawinen durch spezielle Maßnahmen zu schützen. Sofern jedoch besondere Umstände vorlägen, müsse der Hauseigentümer je nach Notwendigkeit einerseits und Zumutbarkeit andererseits Maßnahmen zur Verhinderung der Schneelawinen ergreifen.

Besondere Umstände lagen zweifelsfrei vor

Aufgrund der allgemeinen Schneelage des Ortes, der allgemeinen Beschaffenheit des Gebäudes, der allgemeinen ortsüblichen Sicher­heits­vor­keh­rungen und der konkreten Schnee­ver­hältnisse und der Witterungslage seien solche besonderen Umstände hier zweifelsfrei vorhanden.

Besondere Dachkon­struktion hätte Anbringung von sichernden Schnee­fang­gitter auf Schleppgauben erfordert

Die Eigentümer des Hotels seien ihrer Verkehrs­si­che­rungs­pflicht somit nicht ausreichend nachgekommen. Zwar reiche nach der allgemeinen Lebenserfahrung das auf der ganzen Breite des Daches angebrachte Schnee­fang­gitter von ca. 25 cm Höhe unterhalb der Gauben aus, um das Abrutschen von Dachlawinen in der Regel zu verhindern. Aufgrund der Dachneigung, der Höhe des Daches und der Konstruktion der Schleppgauben rutscht der Schnee jedoch oberhalb und über die Schnee­fang­gitter auf die vor dem Hotel verlaufende öffentliche Straße, wodurch im vorliegenden Fall ein ausreichender Schutz des Verkehrs durch dieses Schnee­fang­gitter nicht wie erforderlich erreicht wurde. Das Hotel sei daher dazu verpflichtet gewesen aufgrund dieser besonderen Dachkon­struktion, auch auf den Schleppgauben sichernde Schnee­fang­gitter anzubringen.

Verhalten der Hoteleigentümer war fahrlässig

Die Hoteleigentümer hätten auch schon allein deswegen fahrlässig gem. § 276 BGB gehandelt, da sie aus einem ähnlichen Unfall im Vorjahr bereits von dieser Konstruk­ti­o­ns­schwäche ihres Daches wussten, urteilte das Oberlan­des­gericht. Die Beklagten hätten daher gemäß §§ 823 Abs. 1, 840 BGB wegen schuldhafter Verletzung der Verkehrs­si­che­rungs­pflicht den unstreitig entstandenen Schaden des Klägers zu ersetzen.

Autobesitzer musste nicht mit Gefahr herabstürzenden Schnees rechnen

Im Übrigen könne dem Autobesitzer kein Mitverschulden an dem Unfall zugerechnet werden. Unstreitig sei von der Stelle, an der das Auto geparkt wurde, nur das Schnee­fang­gitter auf dem Dach des Hotels zu sehen. Nicht erkennbar sei, dass auf den Dachgauben keine Schnee­fang­gitter angebracht seien. Infolgedessen durfte der Kläger davon ausgehen, dass er ausreichend vor herabstürzendem Schnee vom Dach des Hotels gesichert werde. Nach Ansicht der Richter sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen, auf die gegen­über­liegende Straßenseite hinüberzugehen und die Schneelage auf dem Dach des Hotels zu begutachten. Da er von seinem Standort das in der Regel ausreichende Schnee­fang­gitter sehen konnte, musste er nicht damit rechnen, dass aufgrund einer besonderen Dachkon­struktion (Schleppgauben) trotzdem die Gefahr herabstürzenden Schnees bestehen könnte.

Quelle: ra-online (ac)

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