Dokument-Nr. 22910
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- FamRZ 2016, 830Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ), Jahrgang: 2016, Seite: 830
Oberlandesgericht Celle Beschluss19.11.2015
Anspruch auf Ausbildungsunterhalt bei Aufnahme einer Erstausbildung neun Jahre nach Schulabschluss und alleiniger Betreuung zweier KinderKein Verstoß gegen Erwerbsobliegenheit
Nimmt ein Kind erst neun Jahre nach dem Schulabschluss eine Erstausbildung auf, so kann dem Kind gemäß §§ 1601, 1610 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt zustehen, wenn der verzögerte Beginn der Berufsausbildung darauf zurückzuführen ist, dass das Kind selbst nacheinander zwei Kinder bekam und diese allein betreuen musste. In diesem Fall liegt kein Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit vor. Dies hat das Oberlandesgericht Celle entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nachdem ein 16-jähriges Mädchen im Jahr 2005 ihren Hauptschulabschluss machte, wollte sie ihren Realschulabschluss nachholen. Diesen Plan musste sie jedoch aufgeben, da sie im Jahr 2006 eine Tochter bekam und diese allein betreuen musste. Sie versuchte im Anschluss daran im Jahr 2007 und 2008 jeweils eine Berufsausbildung aufzunehmen. Beide Ausbildungen brach die junge Mutter jedoch wegen Überforderung neben der Kinderbetreuung ab. Im Jahr 2010 bekam sie eine weitere Tochter, die sie ebenfalls wie das erste Kind allein betreute. Im September 2014 nahm sie schließlich eine Ausbildung als Einzelhandelskauffrau auf. Für diese Ausbildung begehrte sie von ihrem Vater die Zahlung eines Ausbildungsunterhalts. Da sich dieser weigerte den Unterhalt anzuerkennen, kam der Fall vor Gericht.
Anspruch auf Ausbildungsunterhalt
Das Oberlandesgericht Celle entschied zu Gunsten der inzwischen 25-jährigen Frau. Ihr habe gegen ihren Vater gemäß §§ 1601, 1610 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt zugestanden. Eine Verletzung der Erwerbsobliegenheit sei der unterhaltsberechtigten Frau nicht vorzuwerfen gewesen.
Kein Verstoß gegen Erwerbsobliegenheit
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts habe die Frau nicht gegen ihre Erwerbsobliegenheit verstoßen. Zwar müsse ein Kind nach dem Schulabschluss unter Berücksichtigung einer gewissen Orientierungsphase die berufliche oder weiterführende schulische Ausbildung zeitnah beginnen und zielstrebig durchführen, um den Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nicht zu verlieren. Betreut das Kind jedoch selbst eigene Kinder, so bestehe bis zum 3. Lebensjahr eines Kindes keine Erwerbsobliegenheit. Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt sei daher nicht ausgeschlossen, wenn das unterhaltsberechtigte Kind infolge einer Schwangerschaft und der sich anschließenden Kinderbetreuung seine Ausbildung nur verzögert beginnen könne (vgl. BGH, Urt. v. 29.06.2011 - XII ZR 127/09 -). Dies gelte insbesondere in Anbetracht der besonderen Bedeutung einer beruflichen Erstausbildung.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 18.07.2016
Quelle: Oberlandesgericht Celle, ra-online (zt/FamRZ 2016, 830/rb)
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