21.11.2024
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Dokument-Nr. 22910

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Beschluss19.11.2015Oberlandesgericht Celle17 WF 242/15
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • FamRZ 2016, 830Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ), Jahrgang: 2016, Seite: 830
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Oberlandesgericht Celle Beschluss19.11.2015

Anspruch auf Aus­bildungs­unterhalt bei Aufnahme einer Erstausbildung neun Jahre nach Schulabschluss und alleiniger Betreuung zweier KinderKein Verstoß gegen Erwer­b­s­ob­lie­genheit

Nimmt ein Kind erst neun Jahre nach dem Schulabschluss eine Erstausbildung auf, so kann dem Kind gemäß §§ 1601, 1610 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Aus­bildungs­unterhalt zustehen, wenn der verzögerte Beginn der Berufs­aus­bildung darauf zurückzuführen ist, dass das Kind selbst nacheinander zwei Kinder bekam und diese allein betreuen musste. In diesem Fall liegt kein Verstoß gegen die Erwer­b­s­ob­lie­genheit vor. Dies hat das Oberlan­des­gericht Celle entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nachdem ein 16-jähriges Mädchen im Jahr 2005 ihren Haupt­schul­ab­schluss machte, wollte sie ihren Realschul­ab­schluss nachholen. Diesen Plan musste sie jedoch aufgeben, da sie im Jahr 2006 eine Tochter bekam und diese allein betreuen musste. Sie versuchte im Anschluss daran im Jahr 2007 und 2008 jeweils eine Berufs­aus­bildung aufzunehmen. Beide Ausbildungen brach die junge Mutter jedoch wegen Überforderung neben der Kinderbetreuung ab. Im Jahr 2010 bekam sie eine weitere Tochter, die sie ebenfalls wie das erste Kind allein betreute. Im September 2014 nahm sie schließlich eine Ausbildung als Einzel­han­dels­kauffrau auf. Für diese Ausbildung begehrte sie von ihrem Vater die Zahlung eines Ausbil­dungs­un­terhalts. Da sich dieser weigerte den Unterhalt anzuerkennen, kam der Fall vor Gericht.

Anspruch auf Ausbil­dungs­un­terhalt

Das Oberlan­des­gericht Celle entschied zu Gunsten der inzwischen 25-jährigen Frau. Ihr habe gegen ihren Vater gemäß §§ 1601, 1610 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Ausbil­dungs­un­terhalt zugestanden. Eine Verletzung der Erwerbsobliegenheit sei der unter­halts­be­rech­tigten Frau nicht vorzuwerfen gewesen.

Kein Verstoß gegen Erwer­b­s­ob­lie­genheit

Nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts habe die Frau nicht gegen ihre Erwer­b­s­ob­lie­genheit verstoßen. Zwar müsse ein Kind nach dem Schulabschluss unter Berück­sich­tigung einer gewissen Orien­tie­rungsphase die berufliche oder weiterführende schulische Ausbildung zeitnah beginnen und zielstrebig durchführen, um den Anspruch auf Ausbil­dungs­un­terhalt nicht zu verlieren. Betreut das Kind jedoch selbst eigene Kinder, so bestehe bis zum 3. Lebensjahr eines Kindes keine Erwer­b­s­ob­lie­genheit. Der Anspruch auf Ausbil­dungs­un­terhalt sei daher nicht ausgeschlossen, wenn das unter­halts­be­rechtigte Kind infolge einer Schwangerschaft und der sich anschließenden Kinderbetreuung seine Ausbildung nur verzögert beginnen könne (vgl. BGH, Urt. v. 29.06.2011 - XII ZR 127/09 -). Dies gelte insbesondere in Anbetracht der besonderen Bedeutung einer beruflichen Erstausbildung.

Quelle: Oberlandesgericht Celle, ra-online (zt/FamRZ 2016, 830/rb)

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