18.10.2024
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Oberlandesgericht Celle Urteil24.05.2019

Diesel-Abgasskandal: Verkäufer von Neufahrzeugen mit unzulässiger Abschalt­ein­richtung muss Käufer typengleiches Nachfolgemodell bereitstellenKäufer hat auch bei jahrelanger Nutzung des alten Fahrzeugs Anspruch auf Lieferung eines Nachfol­ge­modells

Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe in drei Fällen den Klagen von Käufern neuer Dieselfahrzeuge, die mit einer unzulässigen Abschalt­ein­richtung versehen waren, stattgegeben. Die beklagten Autohäuser wurden zur Lieferung eines fabrikneuen, typengleichen Ersatz­fahr­zeuges aus der aktuellen Serien­pro­duktion gegen Rückgabe des gekauften Fahrzeuges verurteilt.

Die Kläger forderten in allen zugrunde liegenden Verfahren von den beklagten Autohäusern jeweils die Lieferung eines fabrikneuen Fahrzeuges der aktuellen Serien­pro­duktion Zug um Zug gegen Rückgabe des mit einem Dieselmotor der Volkswagen AG aus der Motorbaureihe EA 189 ausgestatteten Fahrzeuges. Die Kläger hatten in den Jahren 2009, 2011 und 2013 Neufahrzeuge der Marken VW (Modelle Touran und Sharan) sowie Audi (Modell A 3) von den jeweiligen Autohäusern erworben und seither genutzt. Sie hatten im Januar bzw. August 2016 gegen Rückgabe ihrer Fahrzeuge die Nachlieferung eines Neufahrzeugs der aktuellen Serien­pro­duktion verlangt.

Autohäuser halten Nachlieferung eines Neufahrzeuges für unver­hält­nismäßig

Die Autohäuser beriefen sich darauf, dass die Nachlieferung eines Ersatz­fahr­zeuges unmöglich sei, weil das verkaufte Fahrzeug nicht mehr in der gleichen Art hergestellt werde. Die Nachlieferung eines Neufahrzeuges sei im Übrigen unver­hält­nismäßig, da in der Zwischenzeit ein Software-Update zur Verfügung stehe, nach dessen Aufspielen die von den Käufern geltend gemachten Beanstandungen beseitigt seien.

OLG bejaht Anspruch auf Lieferung eines fabrikneuen, typengleichen Ersatz­fahr­zeuges

Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe entschied, dass den Klägern ein Anspruch auf Lieferung eines fabrikneuen, typengleichen Ersatz­fahr­zeuges aus der aktuellen Serien­pro­duktion des Herstellers gegen Rückgabe des gekauften Fahrzeuges zusteht. Die Fahrzeuge waren bei Übergabe an die Käufer und im Zeitpunkt des Nacher­fül­lungs­ver­langens - wie bereits vom Bundes­ge­richtshof im Hinweis­be­schluss vom 8. Januar 2019, im Einzelnen ausgeführt - mit einem Sachmangel behaftet, da die Motorsteuerung der Fahrzeuge eine unzulässige Abschalt­ein­richtung aufwies.

OLG beruft sich auf Hinweis­be­schluss des BGH

Der Bundes­ge­richtshof vertrat in diesem Hinweis­be­schluss die Ansicht, dass der nach § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB vorgesehene Anspruch eines Käufers einer mangelhaften Sache auf Beschaffung einer gleichwertigen Sache auch die Nachlieferung eines fabrikneuen, typengleichen Ersatz­fahr­zeuges aus der aktuellen Serien­pro­duktion umfassen kann, sofern das bei Vertragsschluss maßgebliche Modell nicht mehr produziert wird. Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe schloss sich dieser Auffassung an und entschied, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Kaufvertrag in allen drei Fällen so auszulegen sei, dass das jeweils gekaufte Fahrzeug durch das aktuell produzierte Nachfolgemodell austauschbar ist. Das jeweilige Modell sei zwar verändert, aber durch ein vergleichbares Modell ersetzt worden. Die Ersatzlieferung eines Neufahrzeuges sei in den entschiedenen Fällen auch nicht "nur mit unver­hält­nis­mäßigen Kosten" möglich. Die Autohäuser könnten die Kläger nicht auf die Beseitigung des Mangels durch das Aufspielen eines zwischen­zeitlich entwickelten Software-Updates verweisen.

Von den Käufern beanspruchte Ersatz­lie­fe­rungen würden keine unver­hält­nis­mäßigen Kosten verursachen

Maßgeblich für die Beurteilung der Unver­hält­nis­mä­ßigkeit der Ersatzlieferung sei nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts der Zeitpunkt des Nacher­fül­lungs­ver­langens bzw. des Ablaufs der gesetzten Nacher­fül­lungsfrist. Zu diesem Zeitpunkt sei den beklagten Autohäusern eine Nachbesserung durch Software-Update noch nicht möglich gewesen, da das Software-Update den Autohäusern noch nicht zur Verfügung stand. Unabhängig davon ergebe eine umfassende Inter­es­se­n­ab­wägung und Würdigung aller maßgebenden Umstände der entschiedenen Einzelfälle, dass in diesen Fällen die von den Käufern beanspruchte Ersatzlieferung keine unver­hält­nis­mäßigen Kosten verursachen würden.

Die Käufer sind für die mit dem mangelhaften Fahrzeug zurückgelegten Kilometer nicht zur Zahlung von Nutzungsersatz verpflichtet.

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§ 439 BGB (auszugsweise)

(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.

[...]

(4) 1 Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 verweigern, wenn sie nur mit unver­hält­nis­mäßigen Kosten möglich ist. 2 Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. 3 Der Anspruch des Käufers beschränkt sich in diesem Fall auf die andere Art der Nacherfüllung; das Recht des Verkäufers, auch diese unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu verweigern, bleibt unberührt.

[...]

Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe/ra-online (pm/kg)

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