18.10.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einem Arzt im Vordergrund.
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Oberlandesgericht Celle Urteil09.04.2019

Unterlassene Basisdiagnostik stellt groben Behand­lungs­fehler darArzt muss als extrem schmer­z­ge­plagter Patient aufgesuchtem Internisten eigene Kranken­ge­schichte nicht selbstständig schildern

Das Oberlan­des­gericht Celle hat entschieden, dass ein extrem schmer­z­ge­plagter Patient, der selbst von Beruf Arzt ist, dem aufgesuchten behandelnden Arzt die eigene Kranken­ge­schichte nicht selbstständig schildern muss. Unterlässt der behandelnde Arzt eine notwendige Basisdiagnostik, stellt dies einen groben Behand­lungs­fehler dar.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine als niedergelassene Frauenärztin tätige Patientin stellte sich eines morgens nach vorheriger telefonischer Ankündigung wegen akuter und extremer Kopfschmerzen notfallmäßig in der Privat­sprech­stunde des sie bereits seit einigen Jahren behandelnden Internisten vor. Da der Internist selbst verhindert war, übernahm dessen Vertreter die Behandlung. Nach einer Untersuchung des Kopfs mittels Compu­ter­to­mo­graphie (CT), die einen altersgerechten Normalzustand ergab, empfahl der Internist die Einnahme von Ibuprofen gegen die Schmerzen und entließ die Patientin nach Hause. Dass eine körperliche Untersuchung der Patientin stattgefunden hatte, war in den Kranken­un­terlagen des Internisten nicht dokumentiert.

Krankenhaus stellt Hirnve­nen­ver­schluss fest

Noch am selben Tag wurde die Patientin abends mit Verdacht auf einen Krampfanfall im Gehirn per Rettungswagen in eine Klinik gebracht. Dort wurde aufgrund durchgeführter Untersuchungen bei der Patientin ein Hirnve­nen­ver­schluss (Sinus­ven­en­thrombose) festgestellt.

Patientin verlangt Schadensersatz und Schmerzensgeld

Die Patientin nahm daraufhin den behandelnden Internisten u.a. wegen der behaupteten Folgen des festgestellten Krank­heits­bildes vor dem Landgericht Hannover auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz in Anspruch.

LG: Unterlassen weiterer Untersuchungen stellt groben Behand­lungs­fehler dar

Das Landgericht Hannover erhob u. a. durch Einholung medizinischer Sachver­stän­di­gen­gut­achten Beweis und erklärte die Klage als dem Grunde nach gerechtfertigt. Im nächsten Schritt müsse das Verfahren zur Höhe der Ansprüche der Patientin fortgeführt werden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stelle es einen groben Behandlungsfehler dar, dass der Internist über die Compu­ter­to­mo­graphie hinaus keine weiteren Untersuchungen der Patientin durchgeführt habe.

OLG bestätigt Haftung des Internisten

Die hiergegen eingelegte Berufung blieb erfolglos. Das Oberlan­des­gericht Celle bestätigte die Entscheidung hinsichtlich der Haftung des Internisten. Aufgrund der von der Patientin beschriebenen extrem starken Kopfschmerzen sei nach dem medizinischen Standard - über die Compu­ter­to­mo­graphie hinaus - eine klinische Untersuchung durchzuführen gewesen, die eine klinische Basisdiagnostik und die Erhebung eines groben neurologischen Status umfasst hätte, um danach zu entscheiden, ob und welche weitere Diagnostik gegebenenfalls erforderlich sei. Von der Patientin, die zwar selbst Ärztin ist, aber extrem schmerzgeplagt war, könne nicht erwartet werden, dass sie dem behandelnden Internisten ohne Nachfragen eine vollständige Anamnese liefere. Es sei und bleibe Aufgabe des behandelnden Arztes, entsprechend präzise Fragen zu stellen.

Unterbliebene weitere Diagnostik ist als grober Behand­lungs­fehler zu werten

Aus medizinischer Sicht sei es schlichtweg nicht mehr verständlich, dass die gebotene Diagnostik durch den behandelnden Internisten unterblieben sei, erst recht nachdem das Ergebnis der Compu­ter­to­mo­graphie unauffällig war und keine Erklärung für die von der Patientin so noch nicht erlebten Kopfschmerzen bot. Deshalb liege ein grober Behand­lungs­fehler vor, der eine Umkehr der Beweislast bewirke. Es sei dem insoweit beweis­be­lasteten Internisten aber nicht gelungen, den Beweis dafür führen, dass der Eintritt des Primärschadens aufgrund des Behand­lungs­fehlers gänzlich unwahr­scheinlich sei, weshalb er der Patientin auf Schmerzensgeld und Schadensersatz hafte.

Quelle: Oberlandesgericht Celle/ra-online (pm)

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