Dokument-Nr. 27280
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- Landgericht Hannover, Urteil04.06.2018, 19 O 286/13
- Mithaftung von Ärzten bei fehlerhafter Befundung und Diagnose: Haftung mehrerer Ärzte bei mehreren ärztlichen BehandlungsfehlernOberlandesgericht Hamm, Urteil04.12.2015, 26 U 32/14 und 26 U 33/14
- Bei Missachtung ärztlicher Empfehlungen kann Beweislastumkehr nach grobem Behandlungsfehler entfallenOberlandesgericht Hamm, Urteil02.02.2018, 26 U 72/17
Oberlandesgericht Celle Urteil09.04.2019
Unterlassene Basisdiagnostik stellt groben Behandlungsfehler darArzt muss als extrem schmerzgeplagter Patient aufgesuchtem Internisten eigene Krankengeschichte nicht selbstständig schildern
Das Oberlandesgericht Celle hat entschieden, dass ein extrem schmerzgeplagter Patient, der selbst von Beruf Arzt ist, dem aufgesuchten behandelnden Arzt die eigene Krankengeschichte nicht selbstständig schildern muss. Unterlässt der behandelnde Arzt eine notwendige Basisdiagnostik, stellt dies einen groben Behandlungsfehler dar.
Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine als niedergelassene Frauenärztin tätige Patientin stellte sich eines morgens nach vorheriger telefonischer Ankündigung wegen akuter und extremer Kopfschmerzen notfallmäßig in der Privatsprechstunde des sie bereits seit einigen Jahren behandelnden Internisten vor. Da der Internist selbst verhindert war, übernahm dessen Vertreter die Behandlung. Nach einer Untersuchung des Kopfs mittels Computertomographie (CT), die einen altersgerechten Normalzustand ergab, empfahl der Internist die Einnahme von Ibuprofen gegen die Schmerzen und entließ die Patientin nach Hause. Dass eine körperliche Untersuchung der Patientin stattgefunden hatte, war in den Krankenunterlagen des Internisten nicht dokumentiert.
Krankenhaus stellt Hirnvenenverschluss fest
Noch am selben Tag wurde die Patientin abends mit Verdacht auf einen Krampfanfall im Gehirn per Rettungswagen in eine Klinik gebracht. Dort wurde aufgrund durchgeführter Untersuchungen bei der Patientin ein Hirnvenenverschluss (Sinusvenenthrombose) festgestellt.
Patientin verlangt Schadensersatz und Schmerzensgeld
Die Patientin nahm daraufhin den behandelnden Internisten u.a. wegen der behaupteten Folgen des festgestellten Krankheitsbildes vor dem Landgericht Hannover auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz in Anspruch.
LG: Unterlassen weiterer Untersuchungen stellt groben Behandlungsfehler dar
Das Landgericht Hannover erhob u. a. durch Einholung medizinischer Sachverständigengutachten Beweis und erklärte die Klage als dem Grunde nach gerechtfertigt. Im nächsten Schritt müsse das Verfahren zur Höhe der Ansprüche der Patientin fortgeführt werden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stelle es einen groben Behandlungsfehler dar, dass der Internist über die Computertomographie hinaus keine weiteren Untersuchungen der Patientin durchgeführt habe.
OLG bestätigt Haftung des Internisten
Die hiergegen eingelegte Berufung blieb erfolglos. Das Oberlandesgericht Celle bestätigte die Entscheidung hinsichtlich der Haftung des Internisten. Aufgrund der von der Patientin beschriebenen extrem starken Kopfschmerzen sei nach dem medizinischen Standard - über die Computertomographie hinaus - eine klinische Untersuchung durchzuführen gewesen, die eine klinische Basisdiagnostik und die Erhebung eines groben neurologischen Status umfasst hätte, um danach zu entscheiden, ob und welche weitere Diagnostik gegebenenfalls erforderlich sei. Von der Patientin, die zwar selbst Ärztin ist, aber extrem schmerzgeplagt war, könne nicht erwartet werden, dass sie dem behandelnden Internisten ohne Nachfragen eine vollständige Anamnese liefere. Es sei und bleibe Aufgabe des behandelnden Arztes, entsprechend präzise Fragen zu stellen.
Unterbliebene weitere Diagnostik ist als grober Behandlungsfehler zu werten
Aus medizinischer Sicht sei es schlichtweg nicht mehr verständlich, dass die gebotene Diagnostik durch den behandelnden Internisten unterblieben sei, erst recht nachdem das Ergebnis der Computertomographie unauffällig war und keine Erklärung für die von der Patientin so noch nicht erlebten Kopfschmerzen bot. Deshalb liege ein grober Behandlungsfehler vor, der eine Umkehr der Beweislast bewirke. Es sei dem insoweit beweisbelasteten Internisten aber nicht gelungen, den Beweis dafür führen, dass der Eintritt des Primärschadens aufgrund des Behandlungsfehlers gänzlich unwahrscheinlich sei, weshalb er der Patientin auf Schmerzensgeld und Schadensersatz hafte.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 09.04.2019
Quelle: Oberlandesgericht Celle/ra-online (pm)
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