21.11.2024
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Dokument-Nr. 33275

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Oberlandesgericht Braunschweig Urteil07.09.2023

"Nicht Geimpft"-Stern auf Facebook keine strafbare VolksverhetzungStraftatbestand der Volksverhetzung nicht gegeben

Nicht jede Äußerung die unangebracht und moralisch anstößig ist, stellt ein strafbares Verhalten dar. "Nicht Geimpft"-Stern auf Facebook gebe es weder einen Bezug zu einer konkreten Völker­mord­handlung noch sei das Bild geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören, so das OLG Braunschweig.

Der Angeklagte veröffentlichte Ende 2020 auf seinem Facebook-Profil einen sechseckigen gelbfarbenen Stern mit der Aufschrift „Nicht Geimpft“ auf hellblauem rechteckigen Hintergrund. Er hat damit auf seine eingeschränkte Lebenssituation infolge der Regelungen in der Corona Pandemie aufmerksam machen wollen.

AG verneint strafbare Volksverhetzung

Das Amtsgericht Clausthal-Zellerfeld hat den Angeklagten in einem daraufhin eingeleiteten Strafverfahren von dem Vorwurf der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 3 des Straf­ge­setz­buches (StGB) freigesprochen. Das Verhalten des Angeklagten sei zweifelsohne unangebracht und geschmacklos, erfülle aber nicht die gesetzlichen Voraussetzungen des Straf­tat­be­standes. Der Angeklagte habe mit seiner Veröf­fent­lichung zwar die im natio­nal­so­zi­a­lis­tischen Unrechtsregime mit dem sogenannten „Judenstern“ bezweckte Ausgrenzung verharmlost. Jedoch erfasse der Straftatbestand ausdrücklich nur Völker­mord­hand­lungen i. S. d. § 6 Abs. 1 des Völker­straf­ge­setz­buches (VStGB). Die Staats­an­walt­schaft Göttingen (ZHIN) hat gegen diese Entscheidung Revision eingelegt. In der heutigen Erinne­rungs­kultur sei die Stigmatisierung der jüdischen Bevölkerung von ihrer Entrechtung und Verfolgung mit dem Ziel der Vernichtung nicht zu trennen. Die Pflicht, den sogenannten „Judenstern“ zu tragen, sei daher als Teil des Völkermordes anzusehen, so die General­staats­an­walt­schaft in der mündlichen Verhandlung.

Nicht jede Verharmlosung des NS-Unrechts ist strafbar

Dieser Argumentation ist das OLG nicht gefolgt und hat die Revision verworfen. Der Senat hat bei seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass ihm jegliches Verständnis für die Äußerung des Angeklagten fehle, die das unermessliche Leid der jüdischen Bevölkerung unter dem Natio­nal­so­zi­a­lismus mit den Beschränkungen in der Corona Pandemie gleichsetze und damit verharmlose. Jedoch sei davon die Frage der Strafbarkeit zu trennen. Der Gesetzgeber hat in dem Straftatbestand des § 130 Abs. 3 StGB sowohl nach dem eindeutigen Wortlaut als auch nach der Geset­zes­sys­tematik nicht jedwede Verharmlosung des NS-Unrechts unter Strafe gestellt. Das Gesetz verlange ausdrücklich, dass sich die Verharmlosung auf eine konkrete Völker­mord­handlung beziehe. Das Amtsgericht habe daher zutreffend entschieden, dass die mit dem Stern bezweckte Ausgrenzung als Vorbe­rei­tungs­handlung nicht mit einer in dem Gesetz bezeichneten Völker­mord­hand­lungen gleichgesetzt werden könne. Zudem sei das veröffentlichte Bild auch nicht geeignet, den öffentlichen Frieden i. S. d. § 130 Abs. 3 StGB zu stören. Es sei nicht darauf gerichtet gewesen, Dritte zu etwaigen Gewalttaten oder Rechtsbrüchen anzustacheln.

Quelle: Oberlandesgericht Braunschweig, ra-online (pm/ab)

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