Oberlandesgericht Brandenburg Beschluss24.03.2016
Beziehung zwischen 47-jährigem Mann und 15-jähriger Jugendlichen rechtfertigt bei massiv entgegenstehem Willen der Jugendlichen kein Kontakt- und AnnäherungsverbotDurch Konflikt mit Eltern und Jugendamt maßgeblich ausgelöste Kindeswohlgefährdung muss durch Akzeptanz der Beziehung begegnet werden
Kommt es zwischen einem 47-jährigen Mann und einer 15-jährigen Jugendlichen zu einer Liebesbeziehung, so rechtfertigt dies dann kein Kontakt- und Annäherungsverbot, wenn die Beziehung dem selbstbestimmten Willen der Jugendlichen entspricht. Die durch den massiven Konflikt mit den Eltern und dem Jugendamt maßgeblich ausgelöste Kindeswohlgefährdung muss durch eine Akzeptanz der Beziehung begegnet werden. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg hervor.
In dem zugrunde liegenden Fall kam es zwischen einer 15-jährigen Jugendlichen und ihren Eltern zu einem erbitterten Streit. Hintergrund dessen war, dass die Jugendliche eine Liebesbeziehung zum 47-jährigen angeheirateten Onkel unterhielt. Die Eltern versuchten hartnäckig und massiv die Beziehung zu unterbinden. Ihrer Meinung nach habe der ältere Partner ihre Tochter manipuliert. Er isoliere sie und hetze sie gegen die Eltern auf. Die Jugendliche dagegen hielt an der Beziehung gegen alle Widerstände fest. Dies führte zu einem zerrütteten Verhältnis zwischen Tochter und Eltern. Aufgrund der Auseinandersetzung flüchtete die Jugendliche mit ihrem älteren Partner nach Südfrankreich. Nach ihrem Auffinden eskalierte die Situation weiter. Die Jugendliche lehnte eine Rückkehr in das Elternhaus ab und tauchte unter. Ein Schulbesuch fand weitgehend nicht mehr statt. Die Eltern veranlassten schließlich die zeitweise Unterbringung der Jugendlichen in eine psychiatrische Klinik. Nach dem sich die Situation nicht verbesserte, beantragten die Eltern ein umfassendes Kontakt- und Annäherungsverbot gegen den Partner ihrer Tochter.
Amtsgericht spricht Kontakt- und Annäherungsverbot aus
Das Amtsgericht Oranienburg sprach gegen den Partner der Jugendlichen ein umfassendes Kontakt- und Annäherungsverbot aus. Es sah durch die Beziehung mit dem mehr als 30 Jahre älteren Mann das Kindeswohl gefährdet. Es habe die Gefahr bestanden, dass die Jugendliche nachhaltigen psychischen Schaden erleide. Sie sei nicht mehr zur Schule gegangen, sei sozial isoliert gewesen und habe in ständiger Angst gelebt, eingefangen zu werden. Ihr Partner habe das Verhältnis zu den Eltern untergraben und die Jugendliche massiv unter Druck gesetzt. Sie selbst habe die Schuld allein bei ihren Eltern gesucht. Gegen diese Entscheidung legte sowohl der Partner als auch die Jugendliche Beschwerde ein.
Oberlandesgericht hält Kontakt- und Annäherungsverbot für unangemessen und nicht hilfreich
Das Oberlandesgericht Brandenburg entschied zu Gunsten des Paares und hob daher die Entscheidung des Amtsgerichts auf. Zwar sei die Jugendliche seit längerem und anhaltend erheblich gefährdet gewesen. Dennoch sei die Verhängung des Kontakt- und Annäherungsverbot mit dem Ziel der endgültigen Zerstörung der Beziehung nicht das geeignete und angemessene Mittel gewesen, um der Kindeswohlgefährdung zu begegnen. Es sei zu beachten gewesen, dass die Beziehung dem selbstbestimmten Willen der Jugendlichen entsprochen habe und dass die Gefahren nicht so sehr unmittelbar aus der Beziehung selbst, sondern ganz entscheidend aus dem eskalierten Konflikt resultiert haben.
Begegnung der Kindeswohlgefährdung durch Akzeptanz der Beziehung
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts sei es näherliegend, die Beziehung aus der Heimlichkeit und den dadurch bedingten negativen Folgen herauszuholen. Durch die Akzeptanz der Beziehung werde der Jugendlichen ein Neustart für die Entwicklung eines stabilen sozialen Umfelds mit gesichertem Obdach, gesichertem Schulbesuch sowie gesichertem Kontakt zu Gleichaltrigen ermöglicht.
Beziehung entspricht Wunsch der Jugendlichen
Der intensiv, zielorientiert, erlebnisgestützt und stabil geäußerte Wunsch der Jugendlichen, eine Beziehung mit dem älteren Partner zu pflegen, sei nach Auffassung des Oberlandesgerichts Ausdruck einer bewussten Entscheidung. Dieser müsse angesichts des Alters und der persönlichen Reife der fast 16-jährigen Jugendlichen beachtet werden. Es lägen zudem keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die Jugendliche aufgrund einer psychischen Erkrankung in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand befinde. Auch sei nichts dafür ersichtlich, dass der Partner die Jugendliche manipuliere. Es sei angesichts der Ereignisse und der wachsenden Selbstbestimmung der Jugendlichen nicht gerechtfertigt, ihm allein die Hauptschuld für die Situation anzulasten. Auch die Eltern und das Jugendamt haben zu der Eskalation entscheidend beigetragen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 11.11.2016
Quelle: Oberlandesgericht Brandenburg, ra-online (vt/rb)