21.11.2024
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Oberlandesgericht Bamberg Urteil26.01.2011

Kein Fahrverbot bei drohender Kündigung des ArbeitsplatzesStrafrichter muss vor Verhängung eines Fahrverbots Vorliegen besonderer Härte prüfen

Schon ein Schreiben des Arbeitsgebers mit einer Kündi­gung­s­an­drohung kann ausreichen, um dem Betroffenen ein drohendes Fahrverbot zu ersparen. In Fällen, in denen der Bußgeldkatalog für Verkehrs­verstöße ein Regelfahrverbot vorsieht, muss das Tatgericht im Hinblick auf eine möglicherweise vorliegende Härte in Gestalt einer drohenden Arbeitsplatz- oder Existenz­ge­fährdung umfassend aufklären - jedenfalls dann, wenn der Betroffene Anknüp­fung­s­tat­sachen vorbringt. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Bamberg.

Mit dieser Begründung hob das Oberlan­des­gericht das zuvor vom Amtsgericht Kulmbach verhängte Fahrverbot gegen einen PKW-Fahrer auf. Dieser war wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit verurteilt worden, nämlich der Unterschreitung des vorge­schriebenen Mindestabstands zu dem vorausfahrenden Fahrzeug. Das Oberlan­des­gericht urteilte, dass das Amtsgericht in der 1. Instanz die von dem Fahrer vorgetragene Existenz­ge­fährdung, die mit einem Fahrverbot für ihn einhergehe, nicht ausreichend berücksichtigt habe.

Eigenes Verschulden: Wirtschaftliche und berufliche Folgen eines Fahrverbots sind grundsätzlich hinzunehmen

Grundsätzlich sei es zwar so, dass berufliche oder wirtschaftliche Schwierigkeiten, die bei einer Vielzahl von Berufen regelmäßig Folge des Fahrverbotes seien, für ein Absehen von der Verhängung nicht genügen. Vielmehr müssen Autofahrer eine solche Folge als selbst­ver­schuldet hinnehmen.

Ausnahme: Arbeitsplatz- oder Existenz­ge­fährdung

Jedoch sei bei einem drohenden Verlust des Arbeitsplatzes oder der wirtschaft­lichen Existenz durch das Fahrverbot vielfach, wenn auch nicht zwingend, eine Ausnahme gerechtfertigt. In diesen Fällen bedürfe die Verhängung des Fahrverbots aber jedenfalls - auch in den Regelfällen - näherer Begründung.

Arbeitgeber bescheinigte betroffenem Fahrer schriftlich, ihn bei Verhängung eines Fahrverbots zu entlassen

Eine solche nähere Begründung hatte das Amtsgericht Kulmbach jedoch nicht vorgenommen. Hinsichtlich der von dem Fahrer vorgetragenen Gefährdung seines Arbeitsplatzes hatte es überdies dem Betroffenen die Beweislast auferlegt. Dem Gericht reichte es nicht aus, dass der Fahrer ein Schreiben seines Arbeitgebers vorgelegte, wonach dieser ihm bescheinigte, dass er im Fall der Anordnung eines Fahrverbots seinen Arbeitsplatz verliere.

Amtser­mitt­lungs­grundsatz: Gericht muss Fall umfassend aufklären

Diesbezüglich verwies das Oberlan­des­gericht auf § 77 OWiG (Gesetz über Ordnungs­wid­rig­keiten). Danach hat das Gericht von Amts wegen die Wahrheit zu erforschen. Deshalb - so das Oberlan­des­gericht - bedürfe es in Fällen, in denen der Bußgeldkatalog ein Regelfahrverbot vorsehe, im Hinblick auf eine möglicherweise vorliegende Härte in Gestalt einer drohenden Arbeitsplatz- oder Existenz­ge­fährdung umfassender Aufklärung durch das Tatgericht, sofern der Betroffene Anknüp­fung­s­tat­sachen vorbringe. Eine weitergehende Darlegungs- oder Beweislast obliege dem Betroffenen nicht.

Quelle: ra-online, Oberlandesgericht Bamberg (vt/we)

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