Oberlandesgericht Bamberg Beschluss15.11.2006
Autofahren nur mit Socken - Bußgeld?Verstoß gegen die Pflichten eines sorgfältigen Autofahrers
Das Lenken eines Kraftfahrzeugs nur mit Socken und ohne Schuhe stellt keine Verkehrsordnungswidrigkeit dar. Dies hat das Oberlandesgericht Bamberg entschieden.
Im Fall stoppte die Polizei einen Fahrer, der mit seinem LKW mit Anhänger auf der Autobahn unterwegs war. Er hatte dabei kein Schuhwerk an. Er fuhr mit Socken. Das Amtsgericht Bayreuth verurteilte den LKW-Fahrer zu einer Geldbuße von 50,- EUR. Durch sein Verhalten habe der Mann eine vorsätzliche Ordnungswidrigkeit nach §§ 23 Abs. 1, 49 StVO i.V.m. § 24 StVG begangen, führte das Amtsgericht aus.
Das Oberlandesgericht Bamberg hob dieses Urteil auf. Die Bamberger Richter konnten keinen Verstoß gegen § 23 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 StVO ausmachen. Ein Verstoß gegen Satz 1 käme von vornherein nicht in Betracht, weil nicht das Gehör oder die Sicht des Fahrers beeinträchtigt waren. Auch Satz 2 scheide aus. Danach müsse der Fahrzeugführer dafür sorgen, dass die Ladung und die Besetzung des Fahrzeugs vorschriftsmäßig sind und die Verkehrssicherheit durch Ladung und/oder Besetzung nicht beeinträchtigt seien.
Fahrer gehört nicht zur "Besetzung" im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO
Soweit § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO dem Fahrzeugführer die Verantwortlichkeit für die Besetzung des Fahrzeugs auferlege, können damit aber nur die Personen gemeint sein, die sich neben dem Fahrer noch im Fahrzeug befinden. Dies sei u. a. auch § 31 Abs. 2 StVZO zu entnehmen, der für den Fahrzeughalter eindeutig zwischen seiner Verantwortung für die Eignung des Fahrzeugführers einerseits und die (Ladung und) Besetzung andererseits differenziere, den Fahrer somit nicht als Teil der Besetzung ansehe. Dementsprechend werde im Rahmen des § 23 Abs. 1 StVO die Besetzung insbesondere in den Fällen als nicht vorschriftsmäßig angesehen, in denen sie den Bestimmungen des § 21 StVO nicht entspricht und dadurch die Verkehrssicherheit beeinträchtigt wird. § 21 StVO wiederum regelt die Sorgfaltspflichten des Fahrers bei der Mitnahme anderer Personen.
§ 209 SGB VII nur für Unternehmer oder Versicherten anwendbar
Auch eine Verurteilung nach §§ 209 Abs. 1 Nr. 1, 15 Abs. 1 SGB VII i.V.m. §§ 44 Abs. 2, 58 und 32 der Unfallverhütungsvorschriften "Fahrzeuge" (BGV D29) komme hier nicht in Betracht. Zwar hieße es in § 44 Abs. 2 BGV D29: "Der Fahrzeugführer muss zum sicheren Führen des Fahrzeugs den Fuß umschließendes Schuhwerk tragen." Als Unfallverhütungsvorschrift könne § 44 Abs. 2 BGV D29 aber nur im Rahmen eines Versicherungsverhältnisses nach dem SGB VII Geltung beanspruchen. Dementsprechend richte sich der Bußgeldtatbestand des § 58 BGV D29 im hier maßgeblichen Regelungsbereich über die Verweisung auf § 32 BGV D29 nur an Unternehmer und Versicherte als Normadressaten. Ob der Fahrer bei seiner Fahrt am 20.09.2005 als Unternehmer oder Versicherter im Sinne des § 32 BGV D29 unterwegs war, sei nicht festgestellt worden. Das Führen eines Lkw mit Anhänger sei auch im rein privaten Bereich möglich.
Verstoß gegen § 1 StVO - aber kein Unfall
Allerdings stelle das Fahren ohne Schuhe einen Verstoß gegen die Pflichten eines sorgfältigen Kraftfahrzeugführers dar (§ 1 Abs. 2 StVO), da wesentliche Fahrzeugfunktionen über Pedale mit Fußkontakt gesteuert würden, könne das Fahren ohne (oder mit ungeeignetem) Schuhwerk infolge einer dadurch bedingten Fehlbedienung der Pedale oder eines Abrutschens von den Pedalen mit erheblichen Risiken verbunden sein. Jedoch verlange § 1 Abs. 2 StVO die Herbeiführung eines von der Rechtsordnung missbilligten Erfolges (z.B. Unfall). Ein solcher "Erfolg" sei aber nicht eingetreten.
Daher gebe es insgesamt keine Grundlage, ein Bußgeld zu verhängen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 18.07.2007
Quelle: ra-online (pt)