24.11.2024
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Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht Urteil08.03.2006

Klagen gegen Schacht Konrad abgewiesen

In den am 28. Februar, 1. und 2. März 2006 verhandelten Streitsachen wegen des Planfest­stel­lungs­be­schlusses vom 22. Mai 2002 für die Errichtung und den Betrieb des ehemaligen Eisen­erz­bergwerks Konrad in Salzgitter als Anlage zur Endlagerung radioaktiver Abfälle mit vernach­läs­sigbarer Wärme­ent­wicklung (schwach- und mittel­ra­dio­aktive Abfälle) und der gleichzeitig erteilten wasser­recht­lichen Erlaubnisse hat das Nieder­säch­sische Oberver­wal­tungs­gericht die Klagen der Gemeinde Lengede, der Stadt Salzgitter und der Gemeinde Vechelde als unzulässig und die Klage zweier Landwirte als unbegründet abgewiesen.

Das Gericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kommunen durch die angefochtenen Entscheidungen des Nieder­säch­sischen Umwelt­mi­nis­teriums nicht in ihren Rechten betroffen sind. Sie werden durch das Vorhaben weder in ihrer Planungshoheit noch als Eigentümerinnen von Grundstücken oder als Betreiberinnen kommunaler Einrichtungen noch sonst in rügefähigen Rechten berührt. Davon abgesehen hätten die Klagen der Kommunen auch in der Sache keinen Erfolg haben können, denn der Planfest­stel­lungs­be­schluss und die wasser­recht­lichen Erlaubnisse verletzen deren Rechte nicht. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Klage der beiden Landwirte.

Das durchgeführte Verwal­tungs­ver­fahren lässt Mängel nicht erkennen. Der von den Klägern bezweifelte Bedarf für das Vorhaben ist unabhängig davon, ob diese Frage von ihnen zur gerichtlichen Prüfung gestellt werden kann, angesichts der gesetzlichen Verpflichtung des Bundes, Anlagen zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle einzurichten, und der bereits angefallenen und noch weiter zu erwartenden Abfallmengen gegeben. Die Erfor­der­lichkeit des Endlagers kann deshalb auch nicht mit dem Hinweis auf vorhandene Zwischenlager oder die Vorzugs­wür­digkeit eines einzigen Endlagers für alle Arten radioaktiver - also auch wärme­ent­wi­ckelnder - Abfälle, dessen Reali­sier­barkeit ungewiss war und ist, bezweifelt werden. Eines ausdrücklichen Beschlusses des Parlaments über die vorgesehene Form der dauerhaften und nach Verschluss der Schächte wartungsfreien Endlagerung in tiefen geologischen Schichten bedurfte es neben den vorhandenen gesetzlichen Grundlagen im Atomgesetz nicht. Ein Mangel besteht auch nicht darin, dass alternative Standorte nicht umfassend und vergleichend untersucht worden sind. Ein derartiges Stand­ort­s­uch­ver­fahren ist nach den geltenden atomrechtlichen Bestimmungen nicht vorgesehen.

Im Übrigen sind für die Kläger rechtlich erhebliche Nachteile damit nicht verbunden, denn die Prüfung der Planfest­stel­lungs­behörde hat ergeben, dass der vorgesehene Standort geeignet und die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden und Risiken getroffen worden ist. Der Senat hatte insoweit lediglich zu überprüfen, ob die der behördlichen Entscheidung zugrunde liegenden Annahmen auf einer ausreichend ermittelten Datenbasis beruhen und die Sicher­heits­be­wer­tungen hinreichend vorsichtig sind. Das ist zu bejahen.

Im bestim­mungs­gemäßen Betrieb der Anlage ist nach den nachvoll­ziehbaren Feststellungen und Bewertungen der Planfest­stel­lungs­behörde gewährleistet, dass die maßgeblichen, dem Schutz der Umgebungs­be­völ­kerung dienenden Grenzwerte der Strah­len­schutz­ver­ordnung selbst an den ungünstigsten Einwir­kungs­stellen deutlich unterschritten werden. Das gilt auch unter Berück­sich­tigung der von den klagenden Landwirten geltend gemachten besonderen Exposi­ti­o­nspfade, Arbeits­be­din­gungen und Ernäh­rungs­ge­wohn­heiten.

Auch von den wasser­recht­lichen Erlaubnissen, insbesondere der gestatteten Einleitung von Grubenwasser in Oberflä­chen­ge­wässer, gehen keine die Kläger nachteilig berührenden Wirkungen aus.

Gegen Gefahren und Risiken durch Störfälle ist ebenfalls hinreichend Vorsorge getroffen worden. Die einzelnen Trans­port­vorgänge unterliegen gesonderter Prüfung und sind nicht Gegenstand des Planfest­stel­lungs­ver­fahrens für die Errichtung und den Betrieb der Anlage. Im Hinblick auf den Schutz zukünftig lebender Generationen erfordert das Vorhaben unter dem Gesichtspunkt der Langzeit­si­cherheit den Nachweis, dass ein wartungsfreier Verbleib der eingelagerten radioaktiven Abfälle auf Dauer gefahrlos ist. Ungeachtet dessen, dass die Kläger Entwicklungen, wie sie frühestens in mehreren hunderttausend Jahren erwartet werden, nicht zum Anlass von Rügen nehmen können, ist ihr Vorbringen nicht geeignet, den von dem Beklagten erbrachten Nachweis zu erschüttern.

Auch die Ansicht der Kläger, die Risiken eines terroristischen Angriffs in Form eines gezielten Flugzeu­g­ab­sturzes seien nicht hinreichend beurteilt worden, ist unzutreffend. Bei diesen Gefahren und Risiken, die die Planfest­stel­lungs­behörde betrachtet und bewertet hat, handelt es sich - sofern darauf das Atomgesetz überhaupt Anwendung findet - nicht um anlageimmanente Betriebsrisiken, sondern ihrer Art und Reichweite nach um unbestimmte und allenfalls begrenzt voraussehbare Akte, deren Abwehr als im Schwerpunkt gesamt­s­taatliche Aufgabe vornehmlich von den dafür zuständigen Behörden und Sicher­heits­organen im öffentlichen Interesse zu leisten ist. Welche Maßnahmen erfolg­ver­sprechend sind, obliegt ihrer pflichtgemäßen Entscheidung und Verantwortung, ohne dass Dritte - wie die Kläger - insoweit befugt sind, die Erfüllung dieser Verpflichtung in Gestalt bestimmter Maßnahmen zu verlangen. Im Übrigen hat die Prüfung des Beklagten ergeben, dass selbst bei einem unterstellten Flugzeugabsturz auf die übertägigen Anlagen des geplanten Endlagers katas­tro­phen­artige Auswirkungen nicht zu erwarten sind und eine Evakuierung von Personen wegen radiologischer Wirkungen in der Umgebung nicht erforderlich wäre.

Quelle: Pressemitteilung des Niedersäschsischen OVG vom 08.03.2006

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