18.10.2024
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Dokument-Nr. 30009

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Beschluss11.03.2021Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht13 MN 70/21
Beschluss15.03.2021Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht13 MN 103/21
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Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht Beschluss11.03.2021

Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht Beschluss15.03.2021

Keine vorläufige Außer­voll­zug­setzung der coronabedingten Schließung von Baumärkten und Bekleidungs­geschäftenNieder­säch­sisches Ober­verwaltungs­gericht lehnt Eilanträge ab

Das Ober­verwaltungs­gerichts hat mit Eilbeschlüssen zwei Anträge auf vorläufige Außer­voll­zug­setzung der in § 10 Abs. 1b Satz 1 der Nieder­säch­sischen Corona-Verordnung (im Folgenden: Corona-VO) in der derzeit aktuellen Fassung angeordneten grundsätzlichen Schließung von Baumärkten für nicht­ge­werbliche Kunden sowie von Bekleidungs­geschäften abgelehnt.

Die Antragstellerin in dem Verfahren 13 MN 70/21 ist Teil einer Baumarktkette, die in Niedersachsen acht Baumärkte betreibt. Die Antragstellerin in dem Verfahren 13 MN 103/21 führt bundesweit Beklei­dungs­ge­schäfte, fünf davon in Niedersachsen. Die Antragsteller hatten geltend gemacht, dass die grundsätzlichen Schließungen auch unter Berück­sich­tigung der mittlerweile eröffneten Ausnahmen, etwa des Termin-Shopping und des Außer-Haus-Verkaufs, unver­hält­nismäßig seien und sie in ihren Rechten verletzten. Angesichts der zur Verfügung stehenden Verkaufsflächen sei das Infek­ti­o­ns­risiko gering und könne durch geeignete Hygienekonzepte weiter reduziert werden. Zudem hätte der Verord­nungsgeber eine regional abgestufte Öffnung von Betrieben in den Regionen, in denen das Infek­ti­o­ns­ge­schehen nachweislich niedriger sei, vorsehen können. Die grundsätzliche Schließung mit wenigen Ausnahmen stelle außerdem eine Benachteiligung gegenüber anderen Verkaufsstellen des Einzelhandels dar, die ohne Beschränkungen verkaufen dürften.

Keine Anknüpfung der Maßnahmen an 7-Tages-Inzidenz

Das Oberver­wal­tungs­gericht hat die Anträge nach einer sogenannten Folgenabwägung abgelehnt. Für den Senat sei derzeit offen, ob § 10 Abs. 1b Satz 1 Corona-VO in einem Haupt­sa­che­ver­fahren für unwirksam zu erklären sei. Zur Begründung führte der Senat zunächst aus, dass die Voraussetzungen für den Erlass infek­ti­o­ns­schutz­recht­licher Schutzmaßnahmen unter Berück­sich­tigung des aktuellen Infek­ti­o­ns­ge­schehens weiterhin erfüllt seien. Die streit­ge­gen­ständ­lichen Schließungen seien auch nicht unmittelbar mit der sog. 7-Tages-Inzidenz verknüpft, sondern unter Berück­sich­tigung aller weiteren für das Infek­ti­o­ns­ge­schehen relevanten Umstände angeordnet worden. Die vom Verord­nungsgeber getroffene Bewertung rechtfertige es auch weiterhin, infek­ti­o­ns­schützende Maßnahmen grundsätzlich landesweit einheitlich zu ergreifen, insbesondere um einen „Einkauf­s­tou­rismus“ zwischen Gebieten verschiedener Inzidenzen zu vermeiden. Landesweit betrage die 7-Tages-Inzidenz inzwischen wieder mehr als 79 und steige weiter an, wobei ein erheblicher Teil der Landkreise und kreisfreien Städte eine Inzidenz von mehr als 50 aufweise. Das Infek­ti­o­ns­ge­schehen stelle sich landesweit diffus dar und lasse sich überwiegend keinen bestimmten Ereignissen oder Örtlichkeiten zuordnen, die ausschließ­licher oder vorrangiger Gegenstand verordneter Schutzmaßnahmen sein könnten.

Zweifel an Erfor­der­lichkeit und Angemessenheit der Betrie­bs­schlie­ßungen

Es sei aber zweifelhaft, ob die streit­ge­gen­ständ­lichen Schließungen noch erforderlich und angemessen seien. Dabei stellte der Senat nicht in Abrede, dass die grundsätzliche Schließung in ihrer Eingriff­sin­tensität durch die mit Wirkung vom 8. März 2021 eingeführten Ausnahmen betreffend den Verkauf nach Termin­ver­ein­barung bei geringen Anforderungen an die vorherige Termin­ver­ein­barung, den Verkauf im Fernabsatz zur Abholung und die Anprobe- und Bemus­te­rungs­termine erheblich gemildert worden sei. Gleichwohl verbleibe eine Betrie­bs­be­schränkung, die von nicht unerheblichem Gewicht gerade im Hinblick auf Erschwerungen des Zugangs für sog. Laufkundschaft sei. Auch wenn dazu im Eilverfahren keine abschließenden Feststellungen getroffen werden könnten, sei nicht ausgeschlossen, dass insoweit mildere, aber hinreichend effektive andere Mittel zur Verfügung stünden. Dafür kämen etwa verbesserte Hygienekonzepte, eine bessere Erforschung von Infek­ti­o­ns­um­feldern, die Effektivierung der Kontakt­nach­ver­folgung, die Erarbeitung und praktische Umsetzung einer landesweiten Teststrategie sowie die Optimierung der Impfkampagne in Betracht.

Keine willkürliche Ungleich­be­handlung

Eine willkürliche Ungleich­be­handlung sei allerdings nicht festzustellen. Die vom Verord­nungsgeber vorgenommene Differenzierung zwischen den Betrie­bs­verboten und -beschränkungen in den Bereichen Freizeit, Sport, Unterhaltung und körpernaher Dienst­leis­tungen und in grundsätzlich allen Verkaufsstellen des Einzelhandels einerseits und andererseits den hiervon ausgenommenen Verkaufsstellen für die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und mit Gütern oder Dienst­leis­tungen des täglichen Bedarfs erscheine unter Berück­sich­tigung des infek­ti­o­ns­schutz­recht­lichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeiten und aller sonstigen relevanten Belange nicht willkürlich. Zudem müsse es möglich sein, die Öffnungen unter Beachtung der Infektionslage Schritt für Schritt sowie erfor­der­li­chenfalls versuchsweise und damit nahezu zwangsläufig ungleich vorzunehmen. Eine relevante Ungleich­be­handlung im Hinblick auf die Verkaufs­flä­chen­be­grenzung (einerseits 40 qm je Kunde mit jeweils einer Begleitperson und andererseits 20 qm je Kunde bei großflächigen Verkaufsstellen) sei ebenfalls nicht gegeben. Im Rahmen der wegen der offenen Erfolgs­aus­sichten vorzunehmenden Folgenabwägung überwiege derzeit aber noch das Interesse an der Vermeidung von Infektions-, Erkrankungs- und Todesfällen. Ohne die streit­ge­gen­ständ­lichen Betrie­bs­schlie­ßungen könnte sich die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung zahlreicher weiterer Personen, der Überlastung der gesund­heit­lichen Einrichtungen bei der Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimms­tenfalls des Todes von Menschen noch weiter erhöhen. Im Rahmen der Folgenabwägung werde auch berücksichtigt, dass die Corona-VO zeitlich befristet sei und damit sichergestellt sei, dass sie fortlaufend an neuere Entwicklungen der Pandemie angepasst werden müsse.

Quelle: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, ra-online (pm/aw)

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