Dokument-Nr. 23982
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Landessozialgericht Schleswig-Holstein Beschluss17.02.2017
Arbeitsuchende EU-Ausländer können als Eltern ihrer schulpflichtigen minderjährigen Kinder weiterhin Leistungen nach dem SGB II erhaltenGemeinschaftsrechtlich normierter Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet Schlechterstellung von Unionsbürgern gegenüber Inländern
Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht hat entschieden, dass der neu eingeführte generelle Ausschluss von arbeitsuchenden Unionsbürgern mit minderjährigen schulpflichtigen Kindern, die ihr Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO (EU) 492/2011ableiten, gegen das Europarecht verstößt. Das Landessozialgericht hat deshalb einer rumänischen Familie im Eilverfahren vorläufig Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) mit der Begründung zuerkannt, dass es der gemeinschaftsrechtlich normierte Gleichbehandlungsgrundsatz hier verbietet, Unionsbürger gegenüber Inländern schlechter zu stellen.
Zum 29. Dezember 2016 hat der Gesetzgeber Ansprüche ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch teilweise neu geregelt. Mit den Neuregelungen will er erreichen, dass Personen ohne materielles Aufenthaltsrecht aus dem FreizügG/EU, solche mit einem Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in Deutschland sowie Personen, die ihr Aufenthaltsrecht "nur" aus Art.10 VO (EG) Nr.492/2011 ableiten, von den Leistungen zur Existenzsicherung ausgeschlossen sein sollen. Dabei betrifft Art. 10 VO (EU) 492/2011 minderjährige Kinder von EU-Ausländerinnen und -Ausländern und ihr Recht, in dem Mitgliedsstaat, in dem eines ihrer Elternteile beschäftigt ist oder war, eine Schul- oder Berufsausbildung zu machen. Aus diesem Aufenthaltsrecht des Kindes, das vor allem den Familien von Wanderarbeitern zugutekommen soll, leitet sich wiederum nach EU-Recht ein Aufenthaltsrecht der sorgeberechtigten Elternteile ab, auch wenn von den Eltern aktuell keiner (mehr) erwerbstätig ist. Eine Leistungsberechtigung nach dem SGBII soll - so das Ziel des Gesetzgebers - erst dann in Betracht kommen, wenn die adressierten Personenkreise seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben.
Bei der Entscheidung handelt es sich - soweit ersichtlich - um die erste eines Landessozialgerichts zu diesem Themenkomplex.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 15.03.2017
Quelle: Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht/ra-online
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