Im zugrunde liegenden Fall verlangte eine Frau von ihrer Krankenkasse die Kostenübernahme für eine so genannte Magenbypassoperation in Höhe von 5.378,16 Euro. Sie machte geltend, alle bisherigen Versuche, ihr erhebliches Übergewicht zu verringern, seien erfolglos geblieben. Ihr Körpergewicht betrug damals 115 Kilo bei 171 Zentimetern Körpergröße. Nachdem die Krankenversicherung die Kostenübernahme abgelehnt hatte, ließ die Frau die Operation zunächst auf eigene Kosten durchführen und verklagte danach die Krankenkasse.
Das Sozialgericht Trier verurteilte die Krankenversicherung erstinstanzlich, die Kosten der Magenbypassoperation zu übernehmen. Die Krankenkasse legte gegen das Urteil des Sozialgerichts Berufung ein und argumentierte, dass vor der Magenbypassoperation erst die konservativen Behandlungsmöglichkeiten auszuschöpfen seien. Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz folgte dem Vortrag der Krankenkasse und hob das erstinstanzliche Urteil auf.
Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten der Magenbypassoperation nach § 13 SGB V. Vorliegend komme lediglich ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V in Betracht. Dieser scheide aber aus, weil die Krankenkasse die Gewährung der Magenbypassoperation als Sachleistung nicht zu Unrecht abgelehnt hatte, führte das Gericht das Landessozialgericht aus.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig sei, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Starkes Übergewicht (im Allgemeinen ab einem BMI von größer/gleich 30) stelle eine Krankheit dar. Dabei könne dahinstehen, ob bereits der Adipositas als solcher Krankheitswert zukomme. Jedenfalls bestünde bei einem derart ausgeprägten Übergewicht ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Begleit- und Folgeerscheinungen, das eine Behandlung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion erforderlich mache, führte das Landessozialgericht aus.
Eine Magenbypassoperation stelle jedoch eine mittelbare Krankenbehandlung durch die chirurgische Operation eines funktionell intakten Organs dar, bei der eine anderweitige krankhafte Funktionsstörung behandelt werde. Eine solche mittelbare Krankenbehandlung bedürfe einer speziellen Rechtfertigung. Eine solche Behandlung sei nur dann ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich (§ 2 Abs. 1 Satz 3, § 12 Abs. 1 SGB V), wenn sie nach Art und Schwere der Erkrankung, Dringlichkeit der Interventionsrisiken sowie nach Abwägung der Risiken und des zu erwartenden Nutzens der Therapie sowie etwaiger Folgekosten für die Krankenversicherung gerechtfertigt sei.
Nach diesen Maßstäben sei eine chirurgische Behandlung der Adipositas nur gerechtfertigt, wenn sie die Ultima ratio ist, d.h. alle anderen unmittelbaren Therapiemöglichkeiten erfolglos ausgeschöpft worden seien oder nicht in Betracht kämen.
Nach der Evidenzbasierten Leitlinie "Prävention und Therapie der Adipositas", Version 2007 (Hrsg: Deutsche Adipositas-Gesellschaft, Deutsche Diabetes-Gesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin) sollte eine chirurgische Therapie der Adipositas nur erfolgen, wenn zuvor eine wenigstens sechs- bis 12monatige konservative Behandlung nach definierten Qualitätskriterien stattgefunden hat. Nach der genannten Leitlinie erfordert eine qualifizierte Adipositasbehandlung u.a. obligatorisch die Beteiligung eines Arztes mit ernährungsmedizinischer Qualifikation und einer Ernährungsfachkraft, eine medizinische Eingangsuntersuchung und Betreuung, eine strukturierte Schulung in Gruppen, ein integriertes Therapiekonzept aus Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie sowie eine systematische Datendokumentation. Die zahlreichen von der Klägerin bisher durchgeführten Maßnahmen entsprechen nicht diesen Anforderungen an ein qualifiziertes Therapieprogramm. Die Voraussetzungen für eine mittelbare chirurgische Behandlung der Adipositas durch eine Magenbypassoperation waren daher im Zeitpunkt der Durchführung der Operation nicht erfüllt.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 06.10.2010
Quelle: ra-online, Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (pt)