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Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Urteil05.12.2019
Bei drohender Unfruchtbarkeit nach Chemotherapie besteht Anspruch auf Kostenübernahme für Kryokonservierung von SamenzellenKosten stellen unabweisbaren laufenden besonderen Bedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II dar
Droht einem Leistungsbezieher in Folge einer Chemotherapie die Unfruchtbarkeit, so hat er Anspruch auf Übernahme der Kosten einer Kryokonservierung von Samenzellen nach dem SGB II. Dies entschied das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen.
Der Kläger des zugrunde liegenden Falls bezog SGB II-Leistungen. In Folge eines Immundefektes musste er sich einer Chemotherapie unterziehen. Zuvor beauftragte er aufgrund des drohenden Fertilitätsverlustes die Kryokonservierung von Spermienzellen. Die Kosten betrugen 297,50 Euro pro Jahr. Das beklagte Jobcenter lehnte deren Übernahme ab. Es handele sich um eine Maßnahme, die nicht der Sicherung des Lebensunterhalts, sondern der persönlichen Familienplanung diene. Das Sozialgericht Duisburg bestätigte dies und ließ die Berufung zu.
LSG bejaht Pflicht zur Kostenübernahme
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen schloss sich nun der Rechtsauffassung des Klägers an und erkannte die Kosten als unabweisbaren laufenden besonderen Bedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II an. Die Kosten zählten zur Gesundheitspflege, überstiegen den hierfür im Regelbedarf vorgesehenen Betrag von 180 Euro jährlich deutlich und hätten aufgrund eines atypischen Sachverhalts einen atypischen Umfang.
Kryokonservierung ist Bestandteil umfassender Krankenbehandlung
Die Kryokonservierung sei eine medizinisch zur Erhaltung der Fähigkeit, eigene Kinder zu haben, zwingend notwendige, ärztlich empfohlene und in das Gesamtbehandlungskonzept eingebundene Maßnahme gewesen. In einer derartigen Fallgestaltung sei sie keine Maßnahme, die lediglich die Wünsche eines Versicherten für seine individuelle Lebensgestaltung betreffe, sondern handele es sich um einen Bestandteil einer umfassenden Krankenbehandlung und damit einen existenziell notwendigen Bedarf i.S.d. Art. 1 Abs. 1 GG. Dieser dürfe dem Kläger nicht deshalb verschlossen bleiben, weil er nicht über die Mittel zu seiner Finanzierung verfüge.
Aufwendungen müssen nicht aus Freibeträgen bestritten werden
Ein Anspruch bestehe im Übrigen gegenüber der Krankenkasse weiterhin nicht. § 27 a Abs. 4 SGB V sei erst zum 11. Mai 2019 in Kraft getreten, die Richtlinien hierzu stünden noch aus. Der Kläger könne schließlich nicht darauf verwiesen werden, die Aufwendungen aus dem vom anzurechnenden Kindergeld abzusetzenden Freibetrag zu bestreiten.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 31.01.2020
Quelle: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen/ra-online (pm/kg)
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