15.11.2024
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Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Urteil05.12.2019

Bei drohender Unfruchtbarkeit nach Chemotherapie besteht Anspruch auf Kostenübernahme für Kryokon­ser­vierung von SamenzellenKosten stellen unabweisbaren laufenden besonderen Bedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II dar

Droht einem Leistungs­be­zieher in Folge einer Chemotherapie die Unfruchtbarkeit, so hat er Anspruch auf Übernahme der Kosten einer Kryokon­ser­vierung von Samenzellen nach dem SGB II. Dies entschied das Landes­so­zi­al­gericht Nordrhein-Westfalen.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls bezog SGB II-Leistungen. In Folge eines Immundefektes musste er sich einer Chemotherapie unterziehen. Zuvor beauftragte er aufgrund des drohenden Ferti­li­täts­ver­lustes die Kryokon­ser­vierung von Spermienzellen. Die Kosten betrugen 297,50 Euro pro Jahr. Das beklagte Jobcenter lehnte deren Übernahme ab. Es handele sich um eine Maßnahme, die nicht der Sicherung des Lebens­un­terhalts, sondern der persönlichen Familienplanung diene. Das Sozialgericht Duisburg bestätigte dies und ließ die Berufung zu.

LSG bejaht Pflicht zur Kostenübernahme

Das Landes­so­zi­al­gericht Nordrhein-Westfalen schloss sich nun der Rechts­auf­fassung des Klägers an und erkannte die Kosten als unabweisbaren laufenden besonderen Bedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II an. Die Kosten zählten zur Gesund­heits­pflege, überstiegen den hierfür im Regelbedarf vorgesehenen Betrag von 180 Euro jährlich deutlich und hätten aufgrund eines atypischen Sachverhalts einen atypischen Umfang.

Kryokon­ser­vierung ist Bestandteil umfassender Kranken­be­handlung

Die Kryokon­ser­vierung sei eine medizinisch zur Erhaltung der Fähigkeit, eigene Kinder zu haben, zwingend notwendige, ärztlich empfohlene und in das Gesamt­be­hand­lungs­konzept eingebundene Maßnahme gewesen. In einer derartigen Fallgestaltung sei sie keine Maßnahme, die lediglich die Wünsche eines Versicherten für seine individuelle Lebens­ge­staltung betreffe, sondern handele es sich um einen Bestandteil einer umfassenden Kranken­be­handlung und damit einen existenziell notwendigen Bedarf i.S.d. Art. 1 Abs. 1 GG. Dieser dürfe dem Kläger nicht deshalb verschlossen bleiben, weil er nicht über die Mittel zu seiner Finanzierung verfüge.

Aufwendungen müssen nicht aus Freibeträgen bestritten werden

Ein Anspruch bestehe im Übrigen gegenüber der Krankenkasse weiterhin nicht. § 27 a Abs. 4 SGB V sei erst zum 11. Mai 2019 in Kraft getreten, die Richtlinien hierzu stünden noch aus. Der Kläger könne schließlich nicht darauf verwiesen werden, die Aufwendungen aus dem vom anzurechnenden Kindergeld abzusetzenden Freibetrag zu bestreiten.

Quelle: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen/ra-online (pm/kg)

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