18.10.2024
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Sie sehen vier Hände, die ineinander greifen.

Dokument-Nr. 31475

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Urteil10.02.2022Landessozialgericht Berlin-BrandenburgL 3 U 148/20
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Urteil10.02.2022

Sturz auf dem Weg zum Hörge­rä­te­akustiker kein ArbeitsunfallFür Anerkennung eines Arbeitsunfalls muss konkretes Handeln im Zusammenhang mit versicherter Tätigkeit stehen

Das Landes­so­zi­al­gericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass eine Frau, die auf dem Weg zum Geschäft ihres Hörge­rä­te­akus­tikers stürzt, nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung steht. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das LSG die Revision zum Bundes­so­zi­al­gericht zugelassen

Die als Fahrdienst­leiterin für die Deutsche Bahn tätige Klägerin litt unter Einschränkungen ihres Hörvermögens. Daher hatte sie mit ihrer Arbeitgeberin schriftlich vereinbart, bei ihrer Arbeit stets Hörgeräte tragen und hierfür vorsorglich auch immer Ersatzbatterien mitführen zu müssen. Am 12. August 2019 verrichtete die Frau ihre Spätschicht, als ihre Hörgeräte unerwartet ausfielen und sie die Batterien wechseln musste. Daher machte sie sich am Vormittag des folgenden Tages auf den Weg zum Geschäft ihres Hörge­rä­te­akus­tikers, um von dort neue Ersatzbatterien zu besorgen. Im unmittelbaren Anschluss wollte sie erneut ihre Spätschicht im Stellwerk antreten. Am Bordstein vor dem Geschäft geriet sie ins Straucheln, stürzte und zog sich einen Bruch am Kopf des Oberarmknochens zu. Das Sozialgericht Potsdam hatte mit Urteil vom 16. September 2020 entschieden, dass der Schutz der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung auch auf dem Weg bestehe, den die Frau zurücklege, um Ersatzbatterien für ihre Hörgeräte zu besorgen. Gegen dieses Urteil hat die für die Versicherung der Frau zuständige Unfallkasse Berufung eingelegt.

LSG: Persönliche Gegenstände wie Hörgeräte oder Brillen sind grundsätzlich keine Arbeitsgeräten

Das LSG gab der Unfallkasse nunmehr Recht. Er hat entschieden, dass persönliche Gegenstände wie Hörgeräte oder Brillen grundsätzlich nicht zu den Arbeitsgeräten gehören, deren (Ersatz-)Beschaffung versichert ist. Dies gelte jedenfalls dann, wenn sie nicht nahezu ausschließlich beruflich genutzt würden. Hier hätten die beigezogenen ärztlichen Unterlagen sowie die eigenen Angaben der Frau ergeben, dass sie zum Unfallzeitpunkt auch privat auf die Benutzung der Hörgeräte angewiesen gewesen sei.

Unfall­ver­si­che­rungs­schutz kann nicht beliebig erweitert werden

Unfall­ver­si­che­rungs­schutz lasse sich auch nicht aus der mit der Arbeitgeberin getroffenen Nebenabrede herleiten, wonach die Frau bei ihrer Arbeit stets Hörgeräte tragen und Ersatzbatterien mitführen müsse. Indem er Nebenpflichten begründe, könne der Arbeitgeber den Unfallversicherungsschutz nicht beliebig in den eigentlich privaten Bereich ausdehnen. Es obliege jedem Arbeitnehmer, funktionsfähig zum Dienst zu erscheinen und persönliche Einschränkungen von sich aus soweit wie möglich zu kompensieren, beispielsweise eine im privaten Bereich verordnete Sehhilfe oder eben auch ein Hörgerät zu tragen. Werde diese Verpflichtung arbeits­ver­traglich noch einmal ausdrücklich festgehalten, so führe dies nicht dazu, dass Unfälle, die im Zusammenhang mit der Beachtung dieser Verpflichtung eintreten, unter den gesetzlichen Unfall­ver­si­che­rungs­schutz fielen.

Kein besonders enger Zusammenhang mit Arbeit­s­tä­tigkeit

Der Schutz der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung sei nur dann auf betrieblich veranlasste Vorbe­rei­tungs­hand­lungen auszuweiten, wenn diese in einem besonders engen sachlichen, örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Arbeit­s­tä­tigkeit selbst stünden. Dieser besonders enge Zusammenhang sei hier nicht gegeben. Um ihre Arbeits­fä­higkeit zu erhalten, sei die Frau nicht darauf angewiesen gewesen, plötzlich und ohne weiteren Verzug Batterien für ihre Hörgeräte zu besorgen. Vielmehr handelte es sich bei dem Kauf der Batterien um die turnusmäßig wiederkehrende Instandhaltung eines Hilfsmittels. Hierfür konnte sie zeitlich flexibel in ihrer Freizeit tätig werden und hätte auch vorausschauend einen Vorrat anlegen können.

Quelle: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, ra-online (pm/ab)

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