19.04.2025
Unser Newsletter wird demnächst umgestellt...

Als Nachfolger des erfolgreichen Portals kostenlose-urteile.de werden wir demnächst auch dessen Newsletter übernehmen und unter dem Namen urteile.news weiter betreiben.

Solange können Sie sich noch über kostenlose-urteile.de bei unserem Newsletter anmelden. Er enthält trotz des Namens kostenlose-urteile.de alle neuen Urteilsmeldungen von urteile.news und verweist auch dahin.

Wir bitten für die Unannehmlichkeiten um ihr Verständnis.

> Anmeldung und weitere Informationen
19.04.2025 
Sie sehen das Logo des Jobcenters mit einer Menschenmenge und eine Geldbörse.
ergänzende Informationen

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Urteil03.04.2025

Bürger­gel­d­emp­fängerin muss nicht den Unterschied zwischen brutto und netto kennenZur Auswirkung eines Fehlers des Jobcenters bei der Einkom­men­s­an­rechnung zugunsten der im Leistungsbezug stehenden Familie

Der 3. Senat des Landes­so­zi­al­ge­richts Berlin-Brandenburg hat einen Fall entschieden, in dem sich ein Fehler des Jobcenters bei der Einkom­men­s­an­rechnung zugunsten der im Leistungsbezug stehenden Familie ausgewirkt hat. Zu klären war, ob das Jobcenter die überzahlten Leistungen zurückfordern darf.

Die 3-köpfige Familie bezieht seit Juli 2020 Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­terhalts (seit Januar 2023: Bürgergeld) vom Jobcenter. Der Ehemann ging ab Februar 2021 einer Arbeit als Verkäufer in einem Lebens­mit­telladen nach. Laut Arbeitsvertrag sollte er hierfür monatlich 1.600 € netto erhalten. Den Arbeitsvertrag reichte er Anfang Februar 2021 beim Jobcenter ein. Das Jobcenter setzte daraufhin die Höhe der bewilligten Leistungen herab, indem es ein monatliches Bruttogehalt von 1.600 € berücksichtigte und netto 1.276,40 € unter weiterer Berück­sich­tigung der gesetzlich vorgesehenen Freibeträge zum Abzug brachte. Nachdem der Ehemann seine Lohnbe­schei­nigung vorgelegt hatte, aus der sich ein Bruttoeinkommen von 2.001,75 € bzw. ein Nettoeinkommen von 1.600 € ergab, wollte das Jobcenter seinen eigenen Fehler rückwirkend berichtigen. Es forderte die Familie auf, die für 10 Monate überzahlten Leistungen in Höhe von insgesamt über 3.000 € zu erstatten. Hiergegen wandte sich die Familie und klagte vor dem Sozialgericht Berlin. Dieses gab dem Jobcenter recht und wies die Klage ab.

Landes­so­zi­al­gericht gibt Familie recht - Geld muss nicht zurückgezahlt werden

Das sah das Landes­so­zi­al­gericht anders und gab der Berufung der Familie statt. Der Rechenfehler des Jobcenters hätte der Familie zwar auffallen können, wenn sie den Bescheid aufmerksam gelesen hätte. Übersehe sie diesen Fehler aber, so handele sie nicht grob fahrlässig bzw. verletze ihre Sorgfalts­pflichten nicht in besonders schwerem Maße. Dies sei nur dann der Fall, wenn sie schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb nicht beachtet habe, was im gegebenen Falle jedem einleuchten müsse. Bei komplizierten Berechnungen, wie sie sich zum Beispiel in Bescheiden zur Grundsicherung finden, könne von einem juristischen Laien verlangt werden, dass er die Berechnung durchlese und eventuelle Fehler bei den eingestellten Daten beachte. Dabei sei auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit sowie das subjektive Einsichts­vermögen abzustellen.

Ehefrau war sich bei bei brutto und netto nicht sicher

Hier habe die Ehefrau, die in der Familie den Kontakt mit den Behörden wahrnehme, den Bescheid gelesen, grob geprüft und dort auch den Betrag von 1.600 € entdeckt. Sie habe in einer Vernehmung durch das Gericht, die dem Urteil vorausgegangen war, nachvollziehbar und glaubhaft angegeben, die Begriffe brutto und netto nicht sicher ausein­an­der­halten zu können. Daher habe sich der Fehler ihr auch nicht aufdrängen müssen und sie habe auf die Richtigkeit des Bescheides vertrauen dürfen. Dieser Umstand schließe eine rückwirkende Korrektur des Bescheides zum Nachteil der Familie aus.

Bei der Frage der groben Fahrlässigkeit kommt es auf die persönliche Urteils­fä­higkeit und Erkennt­nis­mög­lichkeit an

Der Senat hat in seinem Urteil verdeutlicht, dass für die hier maßgebliche Frage grober Fahrlässigkeit stets auf die persönliche Urteils­fä­higkeit und Erkennt­nis­mög­lichkeit abzustellen ist. Bei einem anderen Adressaten des Bescheides hätte die Entscheidung also auch anders ausfallen können.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das unterlegene Jobcenter kann beim Bundes­so­zi­al­gericht die Zulassung der Revision beantragen.

Rechtlicher Hintergrund

Maßgebliche Vorschrift ist hier § 45 Absatz 2 Satz 1 und Satz 3 Nr. 3 Zehntes Buch Sozial­ge­setzbuch (SGB X). Danach darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er die Rechts­wid­rigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Quelle: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, ra-online (pm/pt)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil34991

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI