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18.01.2025  
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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil24.02.2017

Keine renten­recht­lichen Beitragszeiten für ehemalige Heimkinder wegen "Zwangsarbeit"Unter Zwang geleistete Arbeit von Heimkindern kann nicht als Beitragszeit in Renten­ver­si­cherung anerkannt werden

Nach der derzeitigen Rechtslage kann die von ehemaligen Heimkindern geleistete Arbeit, die nicht Teil eines versicherungs­pflichtigen Lehr- oder Beschäftigungs­verhältnisses war, sondern sich als - nach damaligem Verständnis - Teil der Unterbringungs- und Erzie­hungs­maß­nahmen darstellt, nicht als renten­rechtliche Beitragszeit im Versi­che­rungskonto der betreffenden Personen anerkannt werden. Dies entschied das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg. Eine renten­rechtliche Berück­sich­tigung dieser Zeiten kann nur der Gesetzgeber regeln.

Die heute 63jährige Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens war von 1964 bis 1971 im Kinderasyl Gundelfingen an der Donau untergebracht. Im Jahr 2013 beantragte sie bei der beklagten Deutschen Rentenversicherung Bund die Klärung ihres Versi­che­rungs­kontos für diesen Zeitraum. Sie habe im Heim "Zwangsarbeit" im Sinne eines faktischen Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nisses geleistet, was nicht als bloße erzieherische Maßnahme bewertet werden könne. Sie habe im Rahmen einer 6-Tage-Woche täglich 6-8 Stunden in der anstalts­in­ternen Hauswirtschaft und in der Wäscherei/Schneiderei gearbeitet. Als Gegenleistung habe sie vom Heim Kost/Logis, Bekleidung, geringe DM-Beträge und Gegenstände des täglichen Gebrauchs erhalten. Das Heim habe sich dadurch Personalkosten erspart und Einnahmen aus der Vermittlung an Fremdbetriebe erzielt.

Renten­ver­si­cherung lehnt Anerkennung von Beitragszeiten ab

Die Renten­ver­si­cherung hat die Anerkennung von Beitragszeiten unter Hinweis auf die Rechtslage abgelehnt. Die Berück­sich­tigung von Versi­che­rungs­zeiten ohne ein echtes versi­che­rungs­pflichtiges Lehr- oder Beschäf­ti­gungs­ver­hältnis sei nicht möglich. Unter Zwang geleistete Arbeit von Heimkindern könne nicht als Beitragszeit in der Renten­ver­si­cherung anerkannt werden. Beiträge seien vom Heim nicht gezahlt worden. Um einen Ausgleich für ehemalige Heimkinder zu schaffen, sei der "Fonds Heimerziehung" geschaffen worden.

Gerichte geben Deutscher Renten­ver­si­cherung Recht

Widerspruch und Klage der Klägerin vor dem Sozialgericht Karlsruhe blieben erfolglos. Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg gaben der Deutschen Renten­ver­si­cherung Recht, wiesen aber auch auf die rechts­po­li­tische Bedeutung des Falles hin.

Erhalt von Kost/Logis, Bekleidung und Taschengeld stellt kein (beitrags­pflichtiges) Arbeitsentgelt dar

Es ist zwar glaubhaft, dass die Klägerin zu verschiedenen Arbeiten herangezogen worden ist, wenn auch der genaue Umfang auch unter Berück­sich­tigung von bereits bestehenden Bewei­ser­leich­te­rungen nicht mehr aufklärbar ist (Anfragen der Gerichte beim Kinderheim Gundelfingen, beim Landkreis Neu-Ulm, bei der Regierung Oberschwabens, dem Bistum Augsburg hatten keine weitere Klärung erbracht). Weder hat aber nach damaligem Recht eine echte versi­che­rungs­pflichtige Beschäftigung vorgelegen, noch hat es Beitrags­zah­lungen des Heimes gegeben, noch ist ein Arbeits­ver­hältnis vereinbart worden. Nach damaliger Anschauung war das Prinzip der Erziehung durch Arbeit vorherrschend. Heimkinder standen nicht in einem auf den freien Austausch von Arbeit und Lohn gerichteten Verhältnis. Was die Klägerin im Rahmen ihrer Unterbringung erhalten hat (Kost/Logis, Bekleidung, Taschengeld), stellt sich daher nicht als (beitrags­pflichtiges) Arbeitsentgelt dar. Ob das Kinderasyl Gundelfingen seinerzeit Personal eingespart oder die Arbeit der Klägerin gewerblich für Dritte genutzt hat, war nicht aufklärbar, hätte aber auch nicht zur Versi­che­rungs­pflicht geführt.

Renten­rechtliche Berück­sich­tigung der Zeiten nach derzeitiger Rechtslage nicht möglich

Der Petiti­o­ns­aus­schuss des Deutschen Bundestages hat zwar im Jahr 2008 hinsichtlich der Möglichkeit der Beitrags­nach­en­t­richtung für Arbeit während der Heimun­ter­bringung ein Tätigwerden des Gesetzgebers angeregt. Auch der Runde Tisch Heimerziehung hat in seinem Abschluss­bericht die Frage von Rente­n­ansprüchen aufgrund nicht gezahlter Sozia­l­ver­si­che­rungs­beiträge thematisiert. Inwieweit die zum 1. Januar 2017 geschaffene Stiftung "Anerkennung und Hilfe" die vom Petiti­o­ns­aus­schuss angeregten Maßnahmen umgesetzt oder Schäden finanziell ausgeglichen hat, hatte das Landes­so­zi­al­gericht vorliegend nicht zu prüfen, da nach der Gesetzeslage zu entscheiden war. Danach war es dem Gericht verwehrt, die von der Klägerin geltend gemachten Zeiten als weitere Beitragszeiten in ihrem Versi­che­rungs­verlauf/Versi­che­rungskonto feststellen. Eine renten­rechtliche Berück­sich­tigung dieser Zeiten ist nach der gegebenen Rechtslage nicht möglich und ist damit Sache des Gesetzgebers.

Sozial­ge­setzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Renten­ver­si­cherung

SGB VI

§ 54 SGB VI

(1) Renten­rechtliche Zeiten sind

1. Beitragszeiten,

a) als Zeiten mit vollwertigen Beiträgen,

b) als beitrags­ge­minderte Zeiten,

2. beitragsfreie Zeiten und

3. Berück­sich­ti­gungs­zeiten.

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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