21.11.2024
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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil18.07.2013

Keine Sozialhilfe für Gebär­den­sprachkurs der Eltern eines gehörlosen KindesLeistungen der Einglie­de­rungshilfe umfassen nur Unterrichtung des behinderten Kindes selbst

Eltern gehörloser Kinder können vom Sozia­l­hil­fe­träger nicht die Übernahme der Kosten für das Erlernen der Gebärdensprache verlangen. Die zu gewährenden Leistungen der Einglie­de­rungshilfe umfassen zwar die Unterrichtung des behinderten Kindes selbst, nicht aber die Finanzierung eines Gebärden­sprach­kurses für dessen Eltern. Dies entschied das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg.

Die im Landkreis Heilbronn bei ihren Eltern wohnende mehrfach schwer­be­hinderte Klägerin leidet an einer an Taubheit grenzenden beidseitigen Schwerhörigkeit. Das siebenjährige Mädchen besucht einen Regel­kin­der­garten und erhält vom Sozialhilfeträger pädagogische und begleitende Hilfen. Für das Erlernen der Gebärdensprache gewährt ihr der Landkreis zudem ein so genanntes "persönliches Budget" in Höhe von 2.400 Euro monatlich. Um mit ihrer Tochter kommunizieren zu können, lassen sich auch die Eltern in der Gebärdensprache unterrichten. Sie haben hierfür einen Hauslehrer engagiert, der einmal wöchentlich für zwei Stunden aus Frankenthal in der Pfalz anreist und seit August 2011 insgesamt 14.250 Euro in Rechnung gestellt hat. Bislang war ein Großteil der Kosten von einer gemeinnützigen Stiftung übernommen worden; deren Höchst­för­derdauer ist jedoch zwischen­zeitlich ausgeschöpft.

Eltern können Gebärdensprache aus Büchern oder an der Volkshochschule erlernen

Der zuständige Sozia­l­hil­fe­träger lehnte den Antrag, auch die Kosten für die Unterrichtung der Eltern zu übernehmen, ab. Den Eltern sei es zuzumuten, die Gebärdensprache aus Büchern oder an der Volkshochschule zu erlernen.

SG: Klägerin muss Möglichkeit zur Kommunikation mit sozialem Umfeld eingeräumt werden

Das Sozialgericht Heilbronn erklärte die Ablehnung der Kostenübernahme für rechtswidrig und verurteilte den Landkreis dazu, über den Antrag der Klägerin erneut zu entscheiden. Der Klägerin müsse die Möglichkeit eingeräumt werden, mit ihrem sozialen Umfeld zu kommunizieren. Hierzu gehöre auch die Familie, deren Kommu­ni­ka­ti­o­ns­fä­higkeit mit der Klägerin deshalb gefördert werden müssen.

Gesetzlicher Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Unterrichtung der Eltern nicht gegeben

Dem widersprachen die Richter des Landes­so­zi­al­ge­richts Baden-Württemberg in zweiter Instanz und hoben die Heilbronner Entscheidung auf. Leistungen der Eingliederungshilfe stünden grundsätzlich nur dem behinderten Menschen selbst zu. Angehörige könnten nur ausnahmsweise in den Genuss solcher Leistungen kommen, wenn dies - anders als hier - gesetzlich so vorgesehen sei. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Unterrichtung der Eltern ergebe sich hier auch nicht aus dem Grundgesetz, der Europäischen Grund­recht­echarta oder dem Behin­der­ten­rechts­über­ein­kommen der Vereinten Nationen.

§ 53 SGB XII - Leistungs­be­rechtigte und Aufgabe

(1) Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten Leistungen der Einglie­de­rungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Einglie­de­rungshilfe erfüllt werden kann. Personen mit einer anderen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung können Leistungen der Einglie­de­rungshilfe erhalten. [...]

§ 55 SGB IX - Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft

(1) Als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft werden die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 nicht erbracht werden.

(2) Leistungen nach Absatz 1 sind insbesondere [...]

3. Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen,

4. Hilfen zur Förderung der Verständigung mit der Umwelt,

[...]

7. Hilfen zur Teilhabe am gemein­schaft­lichen und kulturellen Leben.

§ 57 SGB IX - Förderung der Verständigung

Bedürfen hörbehinderte Menschen oder behinderte Menschen mit besonders starker Beein­träch­tigung der Sprachfähigkeit auf Grund ihrer Behinderung zur Verständigung mit der Umwelt aus besonderem Anlass der Hilfe Anderer, werden ihnen die erforderlichen Hilfen zur Verfügung gestellt oder angemessene Aufwendungen hierfür erstattet.

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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