15.11.2024
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Sie sehen ein altes Ehepaar auf einer Parkbank.
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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil04.09.2008

Ehefrau mit 10 prozentiger Kapital­be­tei­ligung an einer GmbH muss Sozial­versicherungs­beiträge zahlenKeine Rückerstattung von Sozial­versicherungs­beiträgen bei behaupteter Selbst­stän­digkeit

Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass Arbeitsverträge nicht danach unterschiedlich ausgelegt werden können, ob sie den Betroffenen individuell jeweils steuerlich oder sozialrechtlich nützlich bzw. günstig sind.

In jüngster Zeit wird des Öfteren von Famili­en­un­ter­nehmen geltend gemacht, ein Angehöriger unterliege nicht der Versi­che­rungs­pflicht in der Sozia­l­ver­si­cherung. Hintergrund dafür ist, dass eine zu geringe Rente aus der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung befürchtet wird. Man erhofft sich nach Beitrags­rü­ck­er­stat­tungen und einer gewinn­brin­genden privaten Anlage dieser Gelder eine höhere private Alterssicherung.

Schriftlicher Arbeitsvertrag

Im vorliegenden Fall wurde die Klägerin, eine GmbH, von den Eheleuten bereits 1978 gegründet. Seither war die Ehefrau, die mit 10 % an der GmbH beteiligt ist, als kaufmännische Leiterin der GmbH beschäftigt und zur Sozia­l­ver­si­cherung angemeldet. Es wurde Lohnsteuer entrichtet, die auch als Betriebsausgabe verbucht wurde. Im Jahre 1996 wurde aus steuer­recht­lichen Gründen zusätzlich ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen. Ihr Ehemann, der zu 90 % an der GmbH beteiligt ist, ist Geschäftsführer der GmbH. Fast 30 Jahre später (im Jahre 2004) beantragte die GmbH die Feststellung, dass die Ehefrau seit 1976 selbstständig tätig sei und deshalb nicht der Versi­che­rungs­pflicht unterliege. Sie (die Ehefrau) habe u. a. ein erhebliches unter­neh­me­risches Risiko getragen, da sie z. B. Bürgschaften für die Klägerin übernommen habe. Die beklagte Krankenkasse bestand auf der Versi­che­rungs­pflicht. Das Sozialgericht wies die Klage ab.

Gericht: Ehefrau ist seit 1978 abhängig beschäftigt

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts hatte keinen Erfolg. Maßgebend bei der Abgrenzung von selbstständiger Tätigkeit zur Unternehmereigenschaft sind - auch bei Famili­en­un­ter­nehmen - die Umstände des Einzelfalls. Der Senat kam hier zu dem Ergebnis, dass die Ehefrau seit 1978 abhängig beschäftigt ist und deshalb der Versi­che­rungs­pflicht in den jeweiligen Zweigen der Sozia­l­ver­si­cherung (Kranken-, Pflege-, Renten­ver­si­cherung) unterliegt. Bei einem derart niedrigen Kapitalanteil (10 %) sei im Regelfall ein abhängiges Beschäf­ti­gungs­ver­hältnis anzunehmen. Die Ehefrau habe Weisungen des Geschäfts­führers bzw. Beschlüsse der Gesell­schaf­ter­ver­sammlung aufgrund ihres geringen Kapitalanteils nicht verhindern können. Soweit sich die Klägerin darauf berufen hat, der Arbeitsvertrag sei allein aus steuer­recht­lichen Gründen geschlossen und "nicht gelebt" worden, weil sie z. B. - entgegen dem Arbeitsvertrag - viel zuhause gearbeitet habe, könnten die Wirkungen des Arbeits­ver­trages nicht so ausgelegt werden, ob sie dem Betroffenen jeweils günstig sind (Indivi­du­a­lnütz­lichkeit) oder nicht. Nach den Regelungen des Arbeits­ver­trages hatte die Ehefrau keine Möglichkeit, ihre Tätigkeit unmittelbar selbst zu gestalten, sondern sie war wie eine Arbeitnehmerin in den Betrieb eingebunden. Aus der familiären Verbundenheit der Eheleute folge nichts anderes, denn diese hätten in der Regel ein gesteigertes beiderseitiges Interesse am wirtschaft­lichen Erfolg des Unternehmens.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des LSG Baden-Württemberg vom 03.09.2008

der Leitsatz

Besteht zwischen einer GmbH-Gesell­schafterin, die gemeinsam mit ihrem Ehemann Gesell­schafterin der GmbH ist und die über einen Kapitalanteil von 10 vH verfügt, und der GmbH ein schriftlicher Arbeitsvertrag, ist die GmbH-Gesell­schafterin abhängig beschäftigt. Dieser Beurteilung steht nicht die Behauptung entgegen, der Arbeitsvertrag sei allein aus steuer­recht­lichen Gründen abgeschlossen und „nicht gelebt“ worden. Arbeitsverträge können nicht nach Indivi­du­a­lnütz­lichkeit steuerrechtlich und sozialrechtlich unterschiedlich ausgelegt werden (Anschluss an BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R -).

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