21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
ergänzende Informationen

Landgericht Weiden Urteil04.07.2003

Vorhaut-Verlust: Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit schützt Jugendliche nicht vor Verlust der VorhautVorhaut nach Alkoholgenuss in Hosen­reiß­ver­schluss eingeklemmt

Wenn sich ein Jugendlicher mit Alkohol betrinkt und sich beim späteren Urinieren seine Vorhaut im Reißverschluss seiner Hose einklemmt, so dass die Vorhaut entfernt werden muss, so kann er für diesen Schaden nicht den Verkäufer der alkoholischen Getränke verantwortlich machen. Dies gilt auch dann, wenn der Verkäufer dem Jugendlichen kein Alkohol verkaufen durfte, wie das Landgericht Weiden entschied.

Ein 14-Jähriger (Kläger) erwarb im Geschäft des späteren Beklagten 18 Flaschen Bier zu je ,33 Liter und eine ,7-Liter-Flasche Palm Beach. Nach dem gemein­schaft­lichen Konsum des Alkohols mit seinen Freunden, infolgedessen der Junge in einen nicht unerheblichen Alkoholrausch geraten war, musste er urinieren und klemmte sich beim anschließendem Verschließen des Hosenschlitzes seine Vorhaut in den Reißverschluss. Der Jugendliche wurde hierdurch erheblich verletzt, musste sich in ein Krankenhaus begeben und einer Operation unterziehen, die letztlich mit der Entfernung der Vorhaut endete und einen kurzfristigen Kranken­haus­auf­enthalt nach sich zog.

Junge will 5.000 Euro Schmerzensgeld

Gezeichnet durch den herben Verlust verlangte der Jugendliche, vertreten durch seine Eltern, finanziellen Ersatz für seine Entbehrungen vom Inhaber des Ladens. Er machte ein Schmerzengeld in Höhe von mindestens 5.000 Euro geltend sowie Schadenersatz in Höhe von 150 Euro resultierend aus der Beschädigung seiner Hose, Fahrtkosten seiner Eltern ins Krankenhaus und Beschaffung von Lesestoff für den Klini­k­auf­enthalt. Der Junge begründete seine Klage zudem damit, dass er "erhebliche Schmerzen erlitten" habe und "Nachteile in seinem künftigen Liebesleben" befürchte. Der Inhaber des Ladens müsse für den entstandenen Schaden aufkommen, argumentierten die Eltern des Jungen, weil er gegen das Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit verstoßen habe. Er hätte ihrem Sohn gar keinen Alkohol verkaufen dürfen. Der Alkoholkonsum sei ursächlich für die anschließende Verletzung geworden.

Landgericht weist Klage auf Schmerzensgeld und Schadenersatz wegen fehlender Ursächlichkeit ab

Das Landgericht wies die Klage des Jungen ab. Er habe keinen Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB wegen fahrlässiger Körperverletzung oder nach § 823 Abs. 2 i.V.m. dem Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit. Zunächst einmal war das Gericht nicht davon überzeugt, dass der Alkohol ursächlich für das Einklemmen der Vorhaut in den Reißverschluss war.

Verstoß gegen Jugend­schutz­gesetz

Außerdem liege die hier in Rede stehende Verlet­zungsfolge nicht im Schutzbereich des Gesetzes zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit. Zwar habe der Beklagte einen Verstoß gegen das JSchÖG begangen, indem er Alkohol an Personen unter 16 Jahren verkauft habe. Er habe sich damit auch einer Ordnungs­wid­rigkeit schuldig gemacht. Jedoch könne dieses Gesetz hier nicht als Schadenersatz gewährendes Schutzgesetz zu Gunsten des Klägers herangezogen werden.

Schutzbereich des Gesetzes: Verhinderung von Verwahr­lo­sungs­ten­denzen

Nach herkömmlicher Auffassung sei der Zweck der Jugend­schutz­normen nicht nur, die Jugend vor alkohol­be­dingten körperlichen Schäden, sondern auch vor geistiger und sittlicher Verwahrlosung zu schützen, die häufig ihren Grund in zu früher Gewöhnung an den Genuss von Alkohol habe. Insbesondere Gefahren geistiger und sittlicher Verwahrlosung sollten vermieden werden. Der Schutzbereich des Gesetzes sei die Verhinderung von Verwahr­lo­sungs­ten­denzen durch zu frühzeitigen Alkoholgenuss. Unter diesen Schutzbereich falle der vorliegende Fall nicht.

Schutz vor Verletzungen durch Alkohol

Allerdings biete das Gesetz auch einen individuellen Schutz, wodurch das Erleiden von Verletzungen gerade durch den Alkoholgenuss zu verstehen sei. Hierbei müsse es sich jedoch um eine Beein­träch­tigung der körperlichen Unversehrtheit handeln, die typisch als Folge von Alkoholgenuss auftrete. Das sei hier aber nicht der Fall.

Keine alkoholtypische Verletzung

Das Gericht war davon überzeugt, dass ein Einklemmen der Vorhaut auch bei einem nüchternen Menschen passieren kann und folglich nicht der gesicherte Schluss zulässig sein, dass dies die Folge des Alkoholgenusses gewesen sei. Darüber hinaus handle es sich bei der eingetretenen Verlet­zungsfolge nicht um eine alkoholtypische, die in Folge von Enthemmung oder einem jugendlichen Leichtsinn, gesteigert durch Alkohol, eingetreten sei.

Berufung

Der Kläger ging gegen die Entscheidung des Landgerichts Weiden in Berufung vor das Oberlan­des­gericht Nürnberg. Aber auch dies wies die Klage ab (Urteil vom 12.03.2004, 6 U 2507/03).

Quelle: ra-online, LG Weiden (vt/pt)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil10359

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI