Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Bausparer wehrte sich mit einer Klage gegen die im Januar 2015 ausgesprochenen Kündigungen seiner drei Bausparverträge. Die Bausparkasse berief sich dabei auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Sämtliche Bausparverträge waren zum Kündigungszeitpunkt zuteilungsreif, jedoch waren noch nicht die Bausparsummen vollständig angespart.
Das Landgericht Stuttgart entschied gegen die Bausparkasse. Dieser habe kein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zugestanden. Zwar sei die Vorschrift anwendbar gewesen (andere Ansicht: LG Karlsruhe, Urt. v. 09.10.2015 - 7 O 126/15 -). Jedoch sei das Darlehen noch nicht vollständig empfangen worden. Auf die bloße Zuteilungsreife sei es nicht angekommen. Das Landgericht begründete dies wie folgt:
Gegen ein Abstellen auf die Zuteilungsreife habe nach Ansicht des Landgerichts gesprochen, dass trotz Zuteilungsreife für den Bausparer weiter die Möglichkeit bestanden habe, Sparleistungen auf den Bausparvertrag zu erbringen.
Nach Auffassung des Landgerichts könne aufgrund der Besonderheiten des Bausparens für einen vollständigen Empfang des Darlehens nicht auf die Zuteilungsreife abstellt werden. Würde man dies tun, so führe dies zu zwei Problemen. Zum einen wäre dieser Zeitpunkt vom Bausparer fast beliebig bestimmbar, was zu Planungsunsicherheiten auf Seiten der Bausparkasse komme. Zum anderen würde der vollständige Empfang des Darlehens nicht von den Konditionen des Darlehens vom Bausparer an die Bausparkasse, entsprechend der Rollenverteilung in der Ansparphase, abhängen. Vielmehr hinge der vollständige Empfang von den Konditionen des Bauspardarlehens und damit denen der zweiten Phase eines Bausparvertrags ab. Die zweite Phase (Darlehensphase) sei jedoch bei Anwendung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB getrennt von der ersten Phase (Ansparphase) zu betrachten.
Das Risiko der Bausparkasse, mit Zuteilungsreife einen von ihr unbeeinflussbaren Zeitraum nicht marktgerechte Zinsen zahlen zu müssen, hielt das Landgericht für unbeachtlich. Zwar sei dieses Risiko für die Regelung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB maßgeblich gewesen. Jedoch stelle der Wortlaut auf den vollständigen Empfang des Darlehens ab. Zudem bestehe das Risiko, auch vor Zuteilungsreife einen unangepassten Zins zahlen zu müssen.
Das Landgericht gab zudem zu Bedenken, dass es beim Abstellen auf den Zeitpunkt der Zuteilungsreife an einem, an die Bausparkasse zu entrichtenden Darlehensbetrag fehle, an dem der vollständige Empfang im Sinne von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB anknüpfen könne. Ein tauglicher Darlehensbetrag sei die Bausparsumme. Diese Summe sei der einzige Betrag, der zwischen den Parteien fest vereinbart sei und der beiden Parteien Planungssicherheit biete.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 07.04.2016
Quelle: Landgericht Stuttgart, ra-online (vt/rb)