21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.

Dokument-Nr. 28427

Drucken
ergänzende Informationen

Landgericht Osnabrück Urteil29.01.2020

Landgericht Osnabrück präzisiert Anforderungen an sog. Verwertungs­kündigung einer MietwohnungHohe Anforderungen an Verwertungs­kündigung einer Mietwohnung

Das Landgerichts Osnabrück hat in einer aktuellen Entscheidung die Anforderungen an die sog. Verwertungs­kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) präzisiert.

Diese Vorschrift erlaubt dem Vermieter einer Wohnung, den Mietvertrag zu kündigen, wenn er nur so die Immobilie wirtschaft­lichen verwerten kann und ihm durch die Fortsetzung des Mietver­hält­nisses erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen. Die Hürden für eine solche Kündigung seien hoch, so das Landgericht.

Nur noch eine Wohnung von ursprünglich vier vermietet

Geklagte hatte eine Gemeinde aus dem Emsland in der Nähe von Sögel. Sie war Eigentümerin eines Gebäudes mit ursprünglich vier Wohnungen. Tatsächlich lebte jedoch nur noch ein einziger Mieter in dem Haus. Er nutzte für eine Monatsmiete von EUR 40,00 das gesamte Dachgeschoss des Hauses, obgleich er dort eigentlich nur eine von zwei Wohnungen angemietet hatte. Im Übrigen stand das Haus leer. Die Miete hatte die Gemeinde zuletzt in den 1950er Jahren erhöht. Sanie­rungs­maß­nahmen an dem Gebäude hatte die Gemeinde seit Jahrzehnten nicht durchgeführt, weshalb das Haus mittlerweile einen erheblichen Inves­ti­ti­o­nsstau aufwies.

Gemeinde wollte die Immobilie Verkaufen und Kündigte den Mieter

Im Jahr 2016 plante die Gemeinde, sich der Immobilie zu entledigen. Sie bot sie deshalb an ihrem "Schwarzen Brett" zu einem Mindest­kaufpreis von EUR 60.000,00 zum Verkauf an. Gleichzeitig kündigte die Gemeinde das Mietverhältnis mit dem letzten verbliebenen Mieter mit der Begründung, die notwendige Sanierung des Hauses durch die Gemeinde sei wirtschaftlich nicht darstellbar. Der Verkauf des Hauses stelle die einzig sinnvolle Nutzung der Immobilie dar. Ein Käufer lasse sich aber nur finden, sofern das Haus nicht mehr vermietet sei. Der Mieter lehnte jedoch einen Auszug ab. Er sah die Kündigung als unwirksam an.

Gemeinde klagte auf Räumung des Hauses und war Erstinstanzlich erfolgreich

Die Gemeinde klagte schließlich vor dem Amtsgericht Meppen gegen den Mieter auf Räumung des Hauses. Das Amtsgericht gab der Gemeinde in erster Instanz recht und verurteilte den Mieter zur Räumung der Wohnung. Beraten durch einen Sachver­ständigen für Immobi­li­en­be­wertung kam das Amtsgericht zu dem Ergebnis, die Gemeinde habe eine sogenannte Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB aussprechen dürfen. Sie habe ein berechtigtes Interesse daran, das Haus zu einem bestmöglichen Kaufpreis auf den Markt zu bringen. Veräußerbar sei das Haus aber nur im geräumten Zustand. Im vermieteten Zustand sei hingegen ein Verkauf unmöglich, da durch die geringe Miete eine Sanierung nicht zu refinanzieren sei. Die Alternative zum Verkauf, eine Sanierung des Gebäudes durch die Gemeinde, sei aus demselben Grund ebenfalls wirtschaftlich nicht zumutbar. Dabei spiele keine Rolle, dass die Gemeinde zuvor jahrzehntelang nicht in das Haus investiert habe. Denn der Mieter habe in dieser Zeit weder Mängel angezeigt noch sonst Repara­tur­maß­nahmen verlangt.

LG verneint Verwer­tungs­kün­digung

Mit seiner Berufung gegen dieses Urteil zum Landgericht Osnabrück war der Mieter nun erfolgreich. Das Landgericht hob das Urteil des Amtsgerichts auf und wies die Räumungsklage der Gemeinde ab. Anders als das Amtsgericht sah das Landgericht keine Grundlage für eine Verwer­tungs­kün­digung. Zur Begründung führte das Landgericht aus, ob eine Fortsetzung des Mietver­hält­nisses unzumutbar sei, sei eine Frage der Abwägung. Diese falle hier zum Nachteil der Gemeinde aus.

Geringe Rendite beruht auf verschulden der Gemeinde

Nach Überzeugung des Landgerichts war zunächst zu berücksichtigen, dass die geringe Rendite des Objekts letztlich auf Versäumnissen der Gemeinde beruhte, ebenso der hohe Sanie­rungs­aufwand. Die Gemeinde hatte nach den Feststellungen des Landgerichts die Miete seit mehr als 50 Jahren nicht erhöht, obwohl dies möglich gewesen wäre. Zudem hatte sie das Haus über Jahrzehnte verfallen lassen. Dabei spielte in den Augen des Landgerichts keine Rolle, dass dies nicht von vorneherein mit dem Ziel geschehen war, später eine Verwer­tungs­kün­digung auszusprechen. Unerheblich war für das Landgericht auch, dass der Mieter seinerseits nie Mängel angezeigt habe. Als Vermieter wäre die Gemeinde vielmehr, so das Landgericht, von sich aus verpflichtet gewesen, die Immobilie laufend instandzuhalten (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB). Gegen diese Pflicht habe sie erkennbar verstoßen und das Haus dem sichtbaren Verfall preisgegeben.

Bemühungen zu Verkauf in vermietetem Zustand unzureichend

Das Landgericht kam außerdem zu dem Ergebnis, die Gemeinde habe nicht ausreichend belegen können, dass tatsächlich ein Verkauf des Hauses im vermieteten Zustand nicht zu wirtschaftlich zumutbaren Bedingungen möglich sei. Bei der Frage, ob zur wirtschaft­lichen Verwertung einer Immobilie die Kündigung der bestehenden Mietver­hältnisse erforderlich sei, komme es generell darauf an, welcher Preis im vermieteten Zustand und welcher im unvermieteten Zustand zu erzielen sei. Ein gewisser Preisnachteil durch einen Verkauf im vermieteten Zustand sei dem Vermieter dabei zumutbar. Bei einer Gemeinde als öffentlich-rechtlicher Körperschaft gelte dies noch mehr als bei einem privaten Vermieter. Insoweit hatte die Gemeinde aus Sicht des Landgerichts keine ausreichenden Bemühungen unternommen, das Haus überhaupt im vermieteten Zustand anzubieten. Das Angebot am Schwarzen Brett habe erkennbar nur einen sehr kleinen Kreis lokaler Interessenten angesprochen. Dies zeigte sich in den Augen des Landgerichts nicht zuletzt daran, dass sich auf dieses Angebot nur ein einziger Kaufinteressent gemeldet hatte. Den aus Sicht des Landgerichts gebotenen Versuch, durch Angebote im Internet oder über einen Makler die Immobilie einem größeren Personenkreis im vermieteten Zustand anzubieten, hatte die Gemeinde dagegen nicht unternommen. Angesichts der aktuellen Lage auf dem Immobilienmarkt war jedoch nach Überzeugung des Landgerichts keineswegs fernliegend, dass so ein Käufer hätte gefunden werden können, der das Haus auch im vermieteten Zustand zu einem attraktiven Preis übernommen hätte.

Quelle: Landgericht Osnabrück, ra-online (pm/ab)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil28427

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI