18.10.2024
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Dokument-Nr. 32362

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Landgericht Osnabrück Beschluss10.11.2022

Durchsuchungs­anordnung hinsichtlich der Räumlichkeiten des Bundes­mi­nis­teriums der Finanzen rechtswidrigLG Osnabrück listet mehrere rechtswidrige Details des Durchsuchung­sbeschlusses auf

Das Landgericht Osnabrück hat die Durchsuchungs­anordnung des Amtsgerichts Osnabrück vom 10. August 2021 betreffend das Bundes­mi­nis­terium der Finanzen in Berlin für Diensträume sowie Papierarchive und elektronische Archive, die beim Bundes­mi­nis­terium der Zentralstelle für Finanz­transaktions­untersuchungen (Financial Intelligence Unit; FIU) zugeordnet sind, für rechtswidrig erklärt.

Die Staats­an­walt­schaft Osnabrück führt seit dem 23. Februar 2020 ein Ermitt­lungs­ver­fahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Straf­ver­ei­telung im Amt. Mitarbeitern der nunmehr als Direktion X in die Genera­l­zoll­di­rektion integrierten FIU wird vorgeworfen, übermittelte Geldwä­sche­ver­dachts­mel­dungen verschiedener Bankinstitute nicht, verzögert oder nicht vollständig den Straf­ver­fol­gungs­be­hörden bekannt gemacht zu haben. Aufgrund eines früheren Durch­su­chungs­be­schlusses fand bereits im Jahr 2020 eine Durchsuchung der Diensträume der FIU statt. Nach der Beschlagnahme und Sicherstellung mehrerer Aktenordner wurden im Nachgang weitere Unterlagen der ermittelnden Polizei­dienst­stelle übersandt. Ferner wurden E-Mailpostfächer von vier Führungskräften der FIU gesichert und unveränderlich gespeichert.

Beschlag­nah­me­a­n­ordnung betreffend einzelner E-Mailpostfächer

Unter dem 6. August 2021 beantragte die Staats­an­walt­schaft beim Amtsgericht Osnabrück die Durchsuchung der der FIU zuzuordnenden Diensträume nebst Papierarchiven sowie elektronischen Archiven sowohl in den Räumlichkeiten des Bundes­mi­nis­teriums der Justiz und für Verbrau­cher­schutz als auch des Bundes­mi­nis­teriums der Finanzen. Im Laufe der Maßnahme beim Bundes­fi­nanz­mi­nis­terium erwirkte die Staats­an­walt­schaft zudem noch fernmündlich eine Beschlag­nah­me­a­n­ordnung betreffend einzelner E-Mailpostfächer von Mitarbeitern der Arbeitsebene des Bundes­fi­nanz­mi­nis­teriums. Mit Schreiben vom 25. Februar 2022 hat das Bundes­mi­nis­terium der Finanzen Beschwerde gegen die Durch­su­chungs­a­n­ordnung vom 10. August 2021 sowie gegen die fernmündlich getroffene Beschlag­nah­me­a­n­ordnung erhoben. Das Amtsgericht Osnabrück hat den Beschwerden nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landgericht Osnabrück zur Entscheidung vorgelegt.

Richter­vor­behalt nicht genüge getan

Die 1. Große Strafkammer erachtet den Durchsuchungsbeschluss betreffend das Bundes­mi­nis­terium der Finanzen unter mehreren Gesichtspunkten für rechtswidrig. Der Gang des Verfahrens und der angefochtene Beschluss ließen nicht hinreichend erkennen, dass dem Richtervorbehalt genüge getan worden sei. So sei maßgeblicher Grund für die Beantragung des Durch­su­chungs­be­schlusses ein Schreiben vom 15. Mai 2020 des Bundes­mi­nis­teriums der Justiz und für Verbrau­cher­schutz an das Bundes­mi­nis­terium der Finanzen gewesen. Dieses Schreiben sei aber nicht nur bereits Gegenstand der Akte gewesen, sondern auch in polizeilichen Ermitt­lungs­be­richten erwähnt. Ferner sei im Antrag der Staats­an­walt­schaft lediglich auf eine erste Auswertung gesicherter E-Mailkor­re­spondenz zwischen den Bundes­mi­nis­terien der Finanzen sowie der Justiz und für Verbrau­cher­schutz und der FIU verwiesen worden. Insoweit hätten die Ermitt­lungs­er­gebnisse dem Ermitt­lungs­richter konkreter benannt werden müssen.

Unbestimmte Formulierungen des Beschlusses nicht von Regelung des § 103 StPO gedeckt

Ferner seien bei einer Durchsuchung gemäß § 103 StPO die Unterlagen, die als Beweismittel für die aufzuklärende Straftat gesucht werden sollen, hinreichend konkret zu benennen. Auch dieser Anforderung werde der Beschluss nicht gerecht. Zwar lasse die Anordnung eine detaillierte Aufzählung verschiedenster Beweismittel der Gattung nach erkennen, ermögliche jedoch zugleich faktisch die Suche nach jeglichem Gegenstand, der überhaupt im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Geldwä­sche­ver­dachts­mel­dungen bei der FIU stehe beziehungsweise noch darüber hinausgehend generell allen E-Mail-Accounts, dienstlichen Mobiltelefonen und Datenspeichern. Die zu unbestimmten Formulierungen des Beschlusses seien von der Regelung des § 103 StPO nicht gedeckt.

Heraus­ga­be­ver­langen nicht entbehrlich

Schließlich sei vor der Anordnung der Durchsuchung ein an das Ministerium gerichtetes Herausgabeverlangen durch die Ermitt­lungs­be­hörden erforderlich gewesen. Hierauf hat schon die 12. Große Strafkammer - bezogen auf die Durch­su­chungs­maßnahme im Bundes­mi­nis­terium der Justiz und für Verbrau­cher­schutz - hingewiesen (vgl. PM 5/22). Ein solches Heraus­ga­be­ver­langen sei auch bezüglich des Bundes­fi­nanz­mi­nis­teriums nicht entbehrlich gewesen, da im Ergebnis kein Grund zur Annahme bestanden habe, dieses werde einem entsprechenden Gesuch nicht nachkommen. Hieran ändere auch die vom Bundes­mi­nis­terium der Finanzen über die FIU ausgeübte Rechtsaufsicht nichts.

Verfahren teilweise an Ermitt­lungs­richter des AG Osnabrück zurückgegeben

Hinsichtlich der gegen die mündlich erlassene Beschlag­nah­me­a­n­ordnung bezüglich einzelner dienstlicher E-Mail-Accounts von Mitarbeitern der Arbeitsebene im Bundes­mi­nis­terium der Finanzen gerichteten Beschwerde hat die 1. Große Strafkammer des Landgerichts in ihrem Beschluss das Verfahren an den Ermitt­lungs­richter des Amtsgerichts Osnabrück zurückgegeben, da nach Auffassung der Kammer mit jener Anordnung noch keine wirksame Beschlagnahme vorliege. Sie lasse bislang nicht in ausreichendem Maße erkennen, weshalb und inwieweit sämtliche - beziehungsweise welche - Inhalte der E-Mailpostfächer als Beweismittel von Bedeutung seien.

Quelle: Landgericht Osnabrück, ra-online (pm/ab)

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