21.11.2024
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Dokument-Nr. 26215

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Landgericht Oldenburg Beschluss20.07.2018

Hauptverfahren gegen Polizeibeamte nach Tod eines 23-jährigen abgelehntKein hinreichender Tatverdacht wegen fahrlässiger Tötung

Zwei Polizeibeamte, denen durch die Staats­an­walt­schaft fahrlässige Tötung vorgeworfen wurde, müssen sich nicht vor Gericht verantworten müssen. Die Eröffnung des Hauptverfahrens wurde abgelehnt. Dies hat das Landgericht Oldenburg entschieden.

Im vorliegenden Fall hatte die Staats­an­walt­schaft den beiden Beamten zur Last gelegt, für den tragischen Tod eines 23-jährigen gebürtigen Iraners am 19.11.2017 verantwortlich zu sein.

23-jähriger verlangte erfolglos Gaststät­ten­zutritt mit Hilfe der Polizei

In ihrer Anklageschrift führt die Staats­an­walt­schaft aus, der junge Mann sei zuvor in einem Oldenburger Lokal mit einem Hausverbot belegt worden. Er habe sich daraufhin zur Polizei­dienst­stelle begeben und die dortigen Beamten aufgefordert, ihm zu helfen, erneuten Zutritt zur Gaststätte zu bekommen. Nachdem die Polizeibeamten sein Anliegen zurückgewiesen hätten, habe der junge Mann angefangen, den Dienstbetrieb zu stören, weitere Beamte anzusprechen, per Telefon den Notruf zu wählen und von außen an die Scheiben des Dienstgebäudes zu schlagen. Auch nach einem Platzverweis habe sich der junge Mann nach kurzer Zeit wieder zur Polizei­dienst­stelle begeben und darauf gedrungen, dass man ihm helfe, wieder in das Lokal zu gelangen.

Polizeibeamte setzen jungen Mann im Gewerbegebiet statt zu Hause ab

Die beiden von der Staats­an­walt­schaft angeschuldigten 23- und 24-jährigen Polizeibeamten hätten ihn im Rahmen des sogenannten "Verbrin­gungs­ge­wahrsams" schließlich zu seiner Wohnanschrift bringen sollen. Sie hätten ihn daraufhin etwa 1 km von dort entfernt in Höhe eines Gewerbegebiets abgesetzt und ihm mitgeteilt, dass er stadteinwärts gehen müsse, um nach Hause zu gelangen.

Junger Mann vom Auto erfasst und verstorben

Der junge Mann sei daraufhin aber zu Fuß eine Dreivier­tel­stunde stadtauswärts unterwegs gewesen und sei dabei bisweilen direkt auf einer Fahrbahn gegangen. Dabei sei er schließlich gegen 7.15 Uhr vom PKW einer Frau erfasst worden und habe dabei so schwere Verletzungen erlitten, dass er kurze Zeit später im Krankenhaus verstorben sei. Die Staats­an­walt­schaft hat die beiden Polizeibeamten daher wegen fahrlässiger Tötung angeklagt und ihnen vorgeworfen, dass sie den möglichen tödlichen Verlauf hätten erkennen und vermeiden können.

Hilflose Lage zum Zeitpunkt des Aussetzens nicht hinreichend wahrscheinlich

Das Landgericht hat nun entschieden, dass es an dem für die Eröffnung des Hauptverfahrens erforderlichen hinreichenden Tatverdacht fehlt. In seinem Beschluss führt das Gericht aus, dass es nicht mit hinreichender Wahrschein­lichkeit feststehe, dass sich der später Getötete im Zeitpunkt des Aussetzens aus dem Streifenwagen in einer hilflosen Lage befunden habe. So könne insbesondere nicht festgestellt werden, dass er durch den Genuss von Alkohol oder auf Grund anderer Umstände nicht imstande gewesen sei, als Fußgänger die Gefahren des Straßenverkehrs zu erkennen und hierauf angemessen zu reagieren. Er sei mit einer Bluta­l­ko­hol­kon­zen­tration von ca. 1,50 ‰ zwar alkoholisiert gewesen; dies allein lasse allerdings keine hinreichend sicheren Schlüsse auf eine mangelnde Wegefähigkeit zu.

Keinerlei Ausfa­l­l­er­schei­nungen beim Getöteten erkennbar

Darüber hinaus habe der später Getötete nach den umfangreich ausgewerteten Zeugenaussagen vor dem Unfall keine entsprechenden Ausfa­l­l­er­schei­nungen gezeigt. Er habe sich gut verständigen können, nicht gelallt und einen sicheren Stand gehabt. Darüber hinaus sei er ohne Probleme in der Lage gewesen, sein Smartphone zu bedienen, via Smartphone-App seinen Standort an einen Bekannten zu übermitteln, zu telefonieren und Sprach­nach­richten zu versenden. Aus diesen Umständen zieht das Gericht auch den Schluss, dass der junge Mann verlässlich in der Lage gewesen wäre, von sich aus die Hilfe anderer in Anspruch zu nehmen, etwa indem er sich ein Taxi hätte rufen können. Insgesamt erscheine es angesichts der konkreten Beweislage nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Angeschuldigten in einer Hauptverhandlung der ihnen zur Last gelegten Tat überführt werden könnten.

Im Zwischen­ver­fahren hinreichenden Tatverdacht durch Gericht zu prüfen

Die Straf­pro­zess­ordnung schreibt vor, dass das Gericht nach Eingang der Anklageschrift in einem Zwischen­ver­fahren zu prüfen hat, ob gegen den oder die Angeschuldigten hinreichender Tatverdacht besteht. Dies ist der Fall, wenn nach sämtlichen Ergebnissen des Ermitt­lungs­ver­fahrens eine spätere Verurteilung wahrschein­licher ist als ein Freispruch. Da das Gericht diese Feststellung im Fall der angeschuldigten Polizeibeamten aber nicht treffen konnte, war die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen.

Quelle: Landgericht Oldenburg/ ra-online

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