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Landgericht München I Urteil13.01.2014

Landgericht München I verbietet Äußerungen der Stiftung Warentest bezüglich des Schokoladen-Aromas von Ritter SportGrenzen bei Meinung­s­äu­ßerung bei Warentests muss eingehalten werden

Das Landgericht München I hat den Widerspruch der Stiftung Warentest gegen die von Ritter Sport am 28.11.2013 erwirkte einstweilige Verfügung zurückgewiesen. Die Deklaration des „natürlichen Aromas" der Voll-Nuss ist korrekt. Eine Verbraucher­täuschung liegt nicht vor.

Das Landgericht München I hat der Stiftung Warentest (Beklagte) im einstweiligen Verfü­gungs­ver­fahren durch Urteil verboten, in Bezug auf die Voll-Nuss-Schokolade des Schokoladen­herstellers Ritter Sport (Klägerin) folgende Behauptungen zu verbreiten:

1. „Wir haben den chemisch hergestellten Aromastoff Piperonal nachgewiesen.“,

2. „Das Zutaten­ver­zeichnis ist irreführend: Das Aroma ist nicht wie deklariert „natürlich“, da der nachgewiesene Aromastoff Piperonal chemisch hergestellt wird.“,

3. „Im Zutaten­ver­zeichnis wird nur „natürliches Aroma“ genannt. Aber die Schokolade erfüllt dieses Versprechen nicht.“,

4. „[ ],… - wegen Irreführung hätten die Nussschokoladen nicht verkauft werden dürfen. Juristisch ausgedrückt: Sie sind so nicht verkehrsfähig.“,

5. Die Bewertung „mangelhaft“ in der Rubrik „DEKLARATION“ allein mit der Fußnote „Das Zutaten­ver­zeichnis ist irreführend: Das Aroma ist nicht wie deklariert natürlich, da der nachgewiesene Aromastoff Piperonal künstlich hergestellt wird“ als Begründung.

Sachverhalt

Die Beklagte hatte im November 2013 auf ihrer Homepage und in ihrem Heft 12/2013 das Ergebnis einer Untersuchung verschiedener Nussschokoladen veröffentlicht. Dabei erteilte sie der Sorte „Voll-Nuss“ der Klägerin die Note „mangelhaft“ und bewertete die Schokolade wie oben wiedergegeben.

Streit um die Anwendung von chemisch hergestelltem Piperonal als Aromastoff

Die Klägerin und die dem Rechtsstreit beigetretene Aromen­lie­fe­rantin setzen sich hiergegen zur Wehr und machen geltend, die angebliche Feststellung der Beklagten, wonach die getestete Schokolade der Klägerin den chemisch hergestellten Aromastoff Piperonal enthalte, sei falsch. Der Stoff Piperonal könne in einer Vielzahl natürlicher botanischer Quellen (wie z.B. Pfeffer, Vanille, Sassafras-Öl) nachgewiesen werden. Für die Schokolade aus dem Hause der Klägerin werde der Aromastoff Piperonal aus pflanzlichen Ausgangsstoffen durch zugelassene Verfahren nach der Europäischen Aromen­ver­ordnung (VO (EG) Nr. 1334/2008) gewonnen. Die Beklagte könne sich in Bezug auf die streit­ge­gen­ständliche Berich­t­er­stattung auch nicht auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen, nachdem sie nicht nachweisen könne, dass sie die erforderliche journalistische Sorgfalt angewendet habe.

Verstoß gegen die Aromen­ver­ordnung

Die Beklagte hält dem entgegen, unstreitig enthalte die Schokolade ,3 mg Piperonal/Heliotropin pro kg. Das von der Beklagten beauftragte unabhängige Prüfinstitut und die Beklagte hätten übereinstimmend festgestellt, dass Piperonal industriell durch eine chemische Oxidation hergestellt werde. Ein industrielles Herstel­lungs­ver­fahren, das der Europäischen Aromen-Verordnung (VO (EG) Nr. 1334/2008) entspreche, sei jedoch weder der Beklagten noch dem beauftragten Prüfinstitut bekannt, so dass man auf einen Verstoß gegen die Aromen-Verordnung geschlossen habe.

Testergebnis-Veröf­fent­li­chungen verletzen Rechte der Klägerin

Das Gericht stellt in seiner Entscheidung fest, dass die Klägerin durch die Testergebnis- Veröf­fent­li­chungen in ihren Rechten verletzt werde. Die Beklagte könne sich zwar grundsätzlich bei den im Interesse der Allgemeinheit durchgeführten Warentests auf eine weitgehende Meinung­s­äu­ße­rungs­freiheit berufen. Diese Freiheit finde ihre Grenze allerdings in den ebenfalls geschützten Interessen der Klägerin, nicht in unbilliger Weise in ihrer Stellung am Markt beeinträchtigt zu werden.

Testbe­rich­t­er­stattung steht außer Verhältnis zu den Zielen einer Verbrau­cher­auf­klärung

Diese Grenze ist nach Auffassung des Gerichts vorliegend überschritten. Die dem Testergebnis zugrunde liegende Beurteilung beruhe auf einer Auslegung der Europäischen Aroma-Verordnung (VO (EG) Nr. 1334/2008) durch die Beklagte, die unzutreffend und nicht mehr vertretbar sei. Auch im Übrigen stehe die Testberichterstattung in der streit­ge­gen­ständ­lichen Form außer Verhältnis zu den Aufgaben und Zielen einer sachlichen Verbrau­cher­auf­klärung.

Geltende Regelungen müssen kritisch hinterfragt werden

Das Gericht betont, sie verkenne zwar nicht das Bemühen der Beklagten um die Wahrung strenger Anforderungen an die Feststellung der „Natürlichkeit“ eines Aromas. Die Beklagte komme damit im Grundsatz ihrem von der Meinungs­freiheit gedeckten Auftrag nach. Auch müsse es der Beklagten selbst­ver­ständlich frei stehen, höhere Standards als die geltenden anzumahnen, jedenfalls aber die geltenden Regelungen kritisch zu hinterfragen.

Gründe für Erwägungen in Testbe­rich­t­er­stattung nicht offengelegt

Das Gericht beanstandet jedoch, dass die Beklagte in ihrer Testbe­rich­t­er­stattung die Gründe für ihre Erwägungen nicht offengelegt habe. Somit könne der Verbraucher auch nicht nachvollziehen, warum die Beklagte zu ihrer Bewertung gelangt sei. Jedenfalls nehme die Berich­t­er­stattung eine Unschärfe in Kauf, die nicht erforderlich sei, um das Ziel der Verbrau­cher­auf­klärung zu erreichen.

Gefährdung der Verbraucher bestand nie

Zu berücksichtigen sei bei der Abwägung weiterhin, dass unstreitig nie eine Gefährdung der Verbraucher bestanden habe. Vielmehr gehe es hier allein um die Vereinbarkeit der Angabe „natürliches Aroma“ mit der von der Beklagten – im Ergebnis unzutreffend – vorgenommenen Auslegung der Europäischen Aromen-Verordnung. Die schlicht verbrau­cher­po­li­tische Forderung könne eine so wenig transparente Berich­t­er­stattung nicht rechtfertigen, zumal der Anschein einer tatsächlichen Feststellung („chemisch hergestellt“) geweckt werde.

Kein fairer Warentest

Von einem fairen Warentest könne nicht gesprochen werden, wenn diesem in der zentralen Frage der Auslegung der Bestimmungen der Aromen-Verordnung ein nicht vertretbares, zu enges Verständnis zugrunde liege. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Beklagte – ohne Offenlegung der zugrun­de­lie­genden Wertung – aus einer scheinbaren Tatsache nicht nur abgeleitet habe, dass es sich um kein natürliches Aroma handele, sondern sogar eine angebliche, zur mangelnden Verkehrs­fä­higkeit der Schokolade führende Irreführung der Verbraucher behauptet habe.

Frage zur Herstellung des Aromas bleibt offen

Damit bleibt die zunächst in der mündlichen Verhandlung erörterte Frage, wie das Aroma hergestellt wird, offen: Auch die Beklagte konnte nämlich nicht ausschließen, dass eine „natürliche“ Herstellung möglich ist, wenn man die von der Klägerin und vom Gericht gewählte Auslegung der Aromen­ver­ordnung zugrunde legte.

Berufung

Die Stiftung Warentest hat am 13. Januar 2014 angekündigt, gegen diese Entscheidung Berufung einlegen zu wollen.

Quelle: Amtsgericht München I/ra-online/Ritter Sport/Stiftung Warentest

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