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Dokument-Nr. 35553

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Urteil11.11.2025Landgericht München I42 O 14139/24
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Landgericht München I Urteil11.11.2025

ChatGPT darf Liedtexte wie "Atemlos" oder "Männer" nicht ohne Lizenz nutzenChatGPT verletzt Urheberrechte - Urteil GEMA gegen Open AI

Werden urheber­rechtlich geschützte Liedtexte von einer KI-Anwendung ohne entsprechende Lizenz genutzt, stellt dies eine Verletzung des deutschen Urheberrechts dar. Das Urteil erging im Rechtsstreit zwischen der GEMA und OpenAI (dem Entwickler von ChatGPT). Die auf das Urheberrecht spezialisierte 42. Zivilkammer des Landgerichts München I hat mit Urteil den von der GEMA gegen zwei Unternehmen der Unter­neh­mens­gruppe Open AI geltend gemachten Ansprüchen auf Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatz daher im Wesentlichen stattgegeben.

Soweit die Klägerin darüber hinaus Ansprüche auf Grund einer Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts wegen fehlerhafter Zuschreibung veränderter Liedtexte geltend gemacht hat, hat die Kammer die Klage abgewiesen.

Sachverhalt

Das Urteil betrifft die Liedtexte neun bekannter deutscher Urheberinnen und Urheber (darunter "Atemlos" von Kristina Bach oder "Wie schön, dass du geboren bist" von Rolf Zuckowski oder "Männer" und "Bochum").

Die Klägerin ist eine Verwer­tungs­ge­sell­schaft und hat die Ansprüche als solche geltend gemacht. Zur Begründung hatte sie vorgetragen, die Liedtexte seien in den Sprachmodellen der Beklagten memorisiert und würden bei Nutzung des Chatbots auf einfache Anfragen der Nutzer als Antworten (Outputs) in weiten Teilen originalgetreu ausgegeben.

Die Beklagten sind Betreiber von Sprachmodellen und darauf basierender Chatbots. Sie hatten gegen die erhobenen Ansprüche eingewandt, ihre Sprachmodelle speicherten oder kopierten keine spezifischen Trainingsdaten, sondern reflektierten in ihren Parametern, was sie basierend auf dem gesamten Trainings­da­tensatz erlernt hätten. Da die Outputs nur als Folge von Eingaben von Nutzern (Prompts) generiert werden würden, seien nicht die Beklagten, sondern der jeweilige Nutzer als Hersteller des Outputs für diese verantwortlich. Ohnehin seien eventuelle Rechtseingriffe von den Schranken des Urheberrechts, insbesondere der Schranke für das sogenannten Text- und Data-Mining gedeckt.

Nach der Entscheidung der erkennenden Kammer stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche sowohl aufgrund der gegebenen Verviel­fäl­tigung der Texte in den Sprachmodellen als auch durch ihre Wiedergabe in den Outputs zu.

Sowohl durch die Memorisierung in den Sprachmodellen als auch durch die Wiedergabe der Liedtexte in den Outputs des Chatbot lägen Eingriffe in die urheber­recht­lichen Verwer­tungs­rechte vor. Diese seien nicht durch Schran­ken­be­stim­mungen, insbesondere die Schranke für das Text und Data Mining gedeckt.

Im Einzelnen

Nach Überzeugung der Kammer seien die streit­ge­gen­ständ­lichen Liedtexte reproduzierbar in den Sprachmodellen 4 und 4o der Beklagten enthalten. Aus der infor­ma­ti­o­ns­tech­nischen Forschung sei bekannt, dass Trainingsdaten in Sprachmodellen enthalten sein können und sich als Outputs extrahieren lassen. Dies werde als Memorisierung bezeichnet. Eine solche liege vor, wenn die Sprachmodelle beim Training dem Trainings­da­tensatz nicht nur Informationen entnähmen, sondern sich in den nach dem Training spezifizierten Parametern eine vollständige Übernahme der Trainingsdaten finde. Eine solche Memorisierung sei durch einen Abgleich der Liedtexte, die in den Trainingsdaten enthalten waren, mit den Wiedergaben in den Outputs festgestellt. Angesichts der Komplexität und Länge der Liedtexte sei der Zufall als Ursache für die Wiedergabe der Liedtexte ausgeschlossen.

Durch die Memorisierung sei eine Verkörperung als Voraussetzung der urhe-berrechtlichen Verviel­fäl­tigung der streit­ge­gen­ständ­lichen Liedtexte durch Daten in den spezifizierten Parametern des Modells gegeben. Die streitge-genständlichen Liedtexte seien reproduzierbar in den Modellen festgelegt. Gemäß Art. 2 InfoSoc-RL liege eine Verviel­fäl­tigung "auf jede Art und Weise und in jeder Form" vor. Die Festlegung in bloßen Wahrschein­lich­keits­werten sei hierbei unerheblich. Neue Technologien wie Sprachmodelle wären vom Verviel­fäl­ti­gungsrecht nach Art. 2 InfoSoc-RL und § 16 UrhG erfasst. Nach der Rechtsprechung des Unions­ge­richtshofes sei für die Verviel­fäl­tigung aus-reichend eine mittelbare Wahrnehmbarkeit, die gegeben sei, wenn das Werk unter Einsatz technischer Hilfsmittel wahrgenommen werden könne.

Diese Verviel­fäl­tigung in den Modellen sei weder durch die Schran­ken­be­stim­mungen des Text und Data Mining des § 44 b UrhG noch durch § 57 UrhG als unwesentliches Beiwerk gedeckt.

Zwar unterfielen Sprachmodelle grundsätzlich dem Anwen­dungs­bereich der Text und Data Mining Schranken. Die Vorschriften deckten erforderliche Verviel­fäl­ti­gungen beim Zusammenstellen des Datenkorpus für das Training, wie etwa die Verviel­fäl­tigung eines Werks durch seine Überführung in ein anderes (digitales) Format oder Speicherungen im Arbeitsspeicher. Hintergrund hierfür sei der Gedanke, dass diese Verviel­fäl­ti­gungen lediglich zu nachfolgenden Analysezwecken erstellt würden und damit die Verwer­tungs­in­teressen des Urhebers am Werk nicht beein­träch­tigten. Da diese für das Text und Data Mining rein vorbereitenden Handlungen kein Verwer­tungs­in­teresse be-rührten, sehe das Gesetz keine Vergü­tungs­pflicht gegenüber dem Urheber vor.

Würden beim Training - wie hier - nicht nur Informationen aus Trainingsdaten extrahiert, sondern Werke vervielfältigt, stelle dies nach Auffassung der Kammer kein Text und Data Mining dar. Die Prämisse des Text und Data Mining und der diesbezüglichen Schran­ken­be­stim­mungen, dass durch die automatisierte Auswertung von bloßen Informationen selbst keine Verwer­tungs­in­teressen berührt sind, greife in dieser Konstellation nicht. Im Gegenteil, durch die gegebenen Verviel­fäl­ti­gungen im Modell werde in das Verwer­tungsrecht der Rechteinhaber eingegriffen.

Eine andere, mutmaßlich technik- und innova­ti­o­ns­freundliche Auslegung, die ebenfalls Verviel­fäl­ti­gungen im Modell von der Schranke als gedeckt ansehen wollte, verbiete sich angesichts des klaren Wortlauts der Bestimmung. Auch eine analoge Anwendung komme nicht in Betracht. Selbst wenn man eine planwidrige Regelungslücke annehmen wollte, weil dem Gesetzgeber die Memorisierung und eine damit einhergehende dauerhafte urheber­rechtlich relevante Verviel­fäl­tigung in den Modellen nicht bewusst gewesen sein sollte, mangele es an einer vergleichbaren Interessenlage. Die Schran­ken­re­gelung normiere mit der Zulässigkeit vorbereitender Verviel­fäl­ti­gungs­hand­lungen beim Text und Data Mining einen Sachverhalt, bei dem die Verwer­tungs­in­teressen der Urheber nicht gefährdet seien, weil bloße Informationen extrahiert und das Werk als solches gerade nicht vervielfältigt werde. Bei Verviel­fäl­ti­gungen im Modell werde die Werkverwertung hingegen nachhaltig beeinträchtigt und die berechtigten Interessen der Rechteinhaber hierdurch verletzt. Die Urheber und Rechteinhaber würden durch eine analoge Anwendung der Schran­ken­be­stimmung, die keine Vergütung für die Verwertung vorsieht, somit schutzlos gestellt. Das Risiko der Memorisierung stamme allein aus der Sphäre der Beklagten. Bei einer Analogie der Schranke würde ausschließlich der verletzte Rechteinhaber dieses Risiko tragen.

Mangels Vorliegens eines Hauptwerks stellten die Verviel­fäl­ti­gungen der streit­ge­gen­ständ­lichen Liedtexte kein unzulässiges Beiwerk nach § 57 UrhG dar. Entgegen der Ansicht der Beklagten seien die Liedtexte nicht ne-ben dem gesamten Trainings­da­tensatz als nebensächlich und verzichtbar anzusehen. Hierfür wäre erforderlich, dass es sich bei dem gesamten Trai-nigsdatensatz ebenfalls um ein urheber­rechtlich geschütztes Werk handele.

Der Eingriff der Beklagten in die Verwer­tungs­rechte der Klägerin sei auch nicht durch eine Einwilligung der Rechteinhaber gerechtfertigt, da das Training von Modellen nicht als eine übliche und erwartbare Nutzungsart zu werten sei, mit der der Rechteinhaber rechnen müsse.

Auch durch Wiedergabe der Liedtexte in den Outputs des Chatbots hätten die Beklagten nach der Entscheidung der Kammer unberechtigt die streit­ge­gen­ständ­lichen Liedtexte vervielfältigt und öffentlich zugänglich gemacht. In den Outputs wären die originellen Elemente der Liedtexte stets wiedererkennbar.

Hierfür seien die Beklagten und nicht die Nutzer verantwortlich. Die Outputs seien durch einfach gehaltene Prompts generiert worden. Die Beklagten betrieben die Sprachmodelle, für die die Liedtexte als Trainingsdaten ausgewählt und mit denen sie trainiert worden sind. Sie seien für die Architektur der Modelle und die Memorisierung der Trainingsdaten verantwortlich. Damit hät-ten die von den Beklagten betriebenen Sprachmodelle die ausgegebenen Outputs maßgeblich beeinflusst, der konkrete Inhalt der Outputs werde von den Sprachmodellen generiert.

Der Eingriff in die Verwer­tungs­rechte durch die Outputs sei ebenfalls nicht durch eine Schran­ken­be­stimmung gedeckt.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle: Landgericht München I, ra-online (pm/pt)

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