15.11.2024
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Landgericht München I Urteil19.09.2013

Rabattzahlungen an privates Kranken­versicherungs­unternehmen nach Arznei­mittel­rabattgesetz verfas­sungsgemäßArzneimittel­herstellerin muss PKV Rabatte gewähren

Das Landgericht München I hat entschieden, dass Rabattzahlungen eines Arzeimittel­herstellers an ein privates Kranken­versicherungs­unternehmen nach dem Arznei­mittel­rabattgesetz verfas­sungsgemäß sind.

Im zugrunde liegenden Streitfall begehrte die klagende Arznei­mit­tel­her­stellerin im Hauptantrag die Feststellung, dass sie nicht verpflichtet ist, an das beklagte private Kranken­ver­si­che­rungs­un­ter­nehmen Zahlungen nach dem Gesetz über Rabatte für Arzneimittel (AMRabG) zu leisten, wenn die Kranken­ver­si­cherung die Kosten für die von der Klägerin unter ihrem Namen in den Verkehr gebrachte verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel ihren Versi­che­rungs­nehmern im Rahmen des Versi­che­rungs­ver­hält­nisses ganz oder teilweise erstattet hat.

Hilfsanträge gegen Abschlags­re­gelung ebenfalls erfolglos

Das Landgericht München I wies die Klage jedoch ab. Auch die Hilfsanträge, die dahin zielten, Abschläge jedenfalls für solche Arzneimittel nicht oder zumindest für die Vergangenheit nicht zahlen zu müssen, deren Kosten aufgrund von Selbstbehalten nicht erstattet wurden, hat die Kammer abgewiesen. Die Klägerin hielt die Abschlags­re­ge­lungen für verfas­sungs­widrig.

Landgericht hält Regelungen des AMRabG für verfas­sungs­konform

Eine Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hat das Gericht nicht eingeholt, da es die Regelungen des AMRabG für verfas­sungs­konform hält. Zur Begründung der Entscheidung führte das Gericht im Wesentlichen aus, dass die Regelungen des AMRabG nicht gegen die in Art. 12 Abs. 1 GG normierte Berufsfreiheit verstoßen.

Eingriff in Grundrecht der Berufsfreiheit gerechtfertigt

Die durch das AMRabG begründeten Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit sind als Berufs­aus­übungs­re­ge­lungen gerechtfertigt. Es steht dem Gesetzgeber frei, sich für ein Zwei-Säulen-Modell aus gesetzlicher und privater Kranken­ver­si­cherung zu entscheiden. Trifft der Gesetzgeber eine solche Entscheidung, darf er dem in Art. 20 Abs. 1 GG verankerten Sozial­staats­prinzip in beiden Säulen Geltung verschaffen. Vor diesem Hintergrund ist die Sicherung eines bezahlbaren Kranken­ver­si­che­rungs­schutzes auch in der privaten Kranken­ver­si­cherung ein verfas­sungs­le­gitimes Regelungsziel.

Abschläge dürfen ausschließlich zur Vermeidung oder Begrenzung von Prämi­e­n­er­hö­hungen oder zur Prämi­e­n­er­mä­ßigung verwendet werden

Die Regelungen des AMRabG sind auch geeignet und erforderlich, dieses Ziel zu erreichen. § 1 Satz 4 AMRabG regelt, dass die Abschläge gemäß § 1 Satz 1 AMRabG von den Unternehmen der privaten Kranken­ver­si­cherung ausschließlich zur Vermeidung oder Begrenzung von Prämi­e­n­er­hö­hungen oder zur Prämi­e­n­er­mä­ßigung bei den Versi­cher­ten­be­ständen verwendet werden dürfen. Da die Arznei­mit­tel­kosten eine nicht unwesentliche Grundlage der Prämi­en­be­rechnung darstellen, ist die Maßnahme zur Sicherung eines bezahlbaren Kranken­ver­si­che­rungs­schutzes geeignet.

Vor dem Hintergrund der Kosten­stei­ge­rungen im Arznei­mit­tel­bereich in der Vergangenheit durfte der Gesetzgeber die Maßnahme auch für erforderlich halten.

Belastungen durch AMRabG aufgrund der geringeren Anzahl privat kranken­ver­si­cherter Personen tragbar

Die Regelungen des AMRabG sind auch nicht unzumutbar. Im Vergleich zu den Abschlägen zugunsten der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung sind die Belastungen durch das AMRabG aufgrund der geringeren Anzahl an privat kranken­ver­si­cherten Personen tragbar. Gleichzeitig profitieren die Arznei­mit­tel­her­steller durch den regelmäßig umfassenderen Leistungs­katalog der privaten Kranken­ver­si­che­rungen im Bereich der erstatteten Arzneimittel von den privaten Kranken­ver­si­che­rungen. Daher ist es zumutbar, wenn sich die Arznei­mit­tel­her­steller auch daran beteiligen, zu einem bezahlbaren Kranken­ver­si­che­rungs­schutz auch in der privaten Kranken­ver­si­cherung beizutragen.

Rückwirkende Klarstellung der Rechtslage durch den Gesetzgeber ausnahmsweise zulässig

Auch § 1 Satz 3 AMRabG, wonach zur Ermittlung der Abschläge auf vertraglichen oder gesetzlichen Regelungen beruhende Selbst- oder Eigenbehalte nicht zu berücksichtigen sind, ist nach Auffassung der Kammer mit dem Grundgesetz vereinbar. Eine verfas­sungs­widrige Rückwirkung dieser erst durch Art. 3a des Dritten Gesetzes zur Änderung arznei­mit­tel­recht­licher und anderer Vorschriften vom 7. August 2013 (BGBl. I 2013, S. 3108) eingeführten, jedoch bereits rückwirkend zum 1. August 2011 in Kraft gesetzten Regelung liegt nicht vor. Denn es fehlt an einem schutzwürdigen Vertrauen in eine vor Einführung der Neuregelung geltende abweichende Rechtslage. Schutzwürdiges Vertrauen ist jedoch Voraussetzung einer erfolgreichen Berufung auf eine unzulässige Rückwirkung. Ein solches konnte jedoch nicht erwachsen. Schon aus § 1 Satz 1 AMRabG folgt eine Verpflichtung zur Zahlung der Abschläge auch bei lediglich teilweiser Erstattung durch die privaten Kranken­ver­si­che­rungen bzw. Beihilfeträger. Damit liegt jedenfalls die Konstellation einer unklaren und verworrenen Rechtslage vor, in der die rückwirkende Klarstellung durch den Gesetzgeber ausnahmsweise zulässig ist.

Quelle: Landgericht München I/ra-online

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