Den Entscheidungen lagen Ausschreibungen der Allgemeinen Ortskrankenkassen unter dem Titel „Arzneimittel-Rabattverträge 2008/2009“ zugrunde. Vertragspartner sollten sämtliche Allgemeinen Ortskrankenkassen werden, wobei die AOK Baden-Württemberg als „federführend handelnder Vertragspartner“ bezeichnet wurde. Die Ausschreibung erstreckte sich auf insgesamt 83 Wirkstoffe. Je Wirkstoff sollte ein Rabattvertrag mit drei Unternehmen, bei bestimmten verordnungsstarken Wirkstoffen mit vier Unternehmen geschlossen werden. Kriterien für die Auswahl der Angebote je Wirkstoff waren eine näher bezeichnete Produktbreite und Wirtschaftlichkeit. An der Ausschreibung beteiligte sich eine Vielzahl von Unternehmen, die Angebote auf einen oder mehrere Wirkstoffe abgaben. Verschiedene Angebote wurden wegen unzureichender Produktbreite oder unzureichender Wirtschaftlichkeit abgelehnt.
Daraufhin riefen mehrere nicht berücksichtigte Unternehmen die ihrer Ansicht nach zuständigen Vergabekammern an, und zwar die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf, die Vergabekammer Karlsruhe sowie die Vergabekammer des Bundes. Sie haben geltend gemacht, es seien zu ihren Lasten erhebliche Vergabefehler aufgetreten. Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf (Beschluss vom 31. Oktober 2007) sowie die Vergabekammer des Bundes (Beschlüsse vom 15. November 2007) haben den Allgemeinen Ortskrankenkassen den Zuschlag auf Grund des bisherigen Vergabeverfahrens untersagt.
Dagegen haben die Allgemeinen Ortskrankenkassen sofortige Beschwerde zum Vergabesenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf eingelegt sowie Klage zum Sozialgericht Stuttgart erhoben. Des Weiteren haben in einigen Verfahren Unternehmen sofortige Beschwerde eingelegt, weil ihrer Auffassung nach die Entscheidungen der Vergabekammern nicht weit genug gegangen seien.
In seinen Entscheidungen, in deren Mittelpunkt das Verhältnis zwischen dem öffentlichen Krankenkassenrecht und dem Vergaberecht steht, hat sich der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf für zuständig erklärt. An einer abschließenden Entscheidung hat sich der Senat gehindert gesehen, weil zunächst die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften über die Frage, ob öffentliche Krankenkassen „öffentliche Auftraggeber“ im Sinne der Richtlinie 2004/18/EG seien, abgewartet werden soll. Zur Begründung seiner Zuständigkeit führt der Senat aus, dass nach § 116 GWB gegen Entscheidungen des Vergabekammern allein die Beschwerde zum Vergabesenat beim Oberlandesgericht zulässig sei, und zwar unabhängig davon, ob die Vergabekammer zu Recht oder zu Unrecht von einem vergabepflichtigen Auftrag ausgegangen seien. Die Sozialgerichte könnten insoweit nicht angerufen werden. Der Vergabesenat führt dann weiter aus, dass das allgemeine Vergaberecht auch für Auftragserteilungen der Krankenkassen gelte. Nach einer vorläufigen Bewertung handele es sich bei den Allgemeinen Ortskrankenkassen nämlich um öffentliche Auftraggeber, weil sie zum einen – mittelbar über die Krankenversicherungsbeiträge – über den Bund finanziert und zum anderen von den Ländern beaufsichtigt würden. Bei den Rabattverträgen handele es sich auch um Lieferaufträge, weil nach dem vorgesehenen Vertrag die Pharmaunternehmen nämlich ihre Lieferfähigkeit zu gewährleisten hatten und der Preis für die Lieferungen, wenn auch nur mittelbar, festgelegt worden sei.
Der Senat hat ausdrücklich offen gelassen, ob und inwieweit Vergabefehler vorliegen, weil auch insoweit zunächst die Entscheidung des Europäischen Gerichtshof zu wesentlichen Vorfragen abgewartet werden soll.
Erläuterungen
Beschlüsse
vom 18. (VII-Verg 44 – 47/07) und
vom 19. Dezember 2007 (VII-Verg 48 –51/07)
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 27.12.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Düsseldorf vom 19.12.2007