18.10.2024
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Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss18.12.2007

Allgemeines Vergaberecht gilt auch für Pharma-Rabattverträge

Der Vergabesenat des Oberlan­des­ge­richts Düsseldorf hat sich erstmals mit Pharma-Rabattverträgen nach § 130 a Abs. 8 SGB V. befasst. Nach dieser Vorschrift können die Krankenkassen mit Pharma-Unternehmen Verträge abschließen, durch die den Krankenkassen Rabatte gesichert werden. Die Apotheker sind im Allgemeinen gehalten, bei der Verschreibung von Wirkstoffen Medikamente derjenigen Unternehmen abzugeben, mit denen die Krankenkasse einen derartigen Rabattvertrag abgeschlossen hat.

Den Entscheidungen lagen Ausschreibungen der Allgemeinen Ortskran­ken­kassen unter dem Titel „Arzneimittel-Rabattverträge 2008/2009“ zugrunde. Vertragspartner sollten sämtliche Allgemeinen Ortskran­ken­kassen werden, wobei die AOK Baden-Württemberg als „federführend handelnder Vertragspartner“ bezeichnet wurde. Die Ausschreibung erstreckte sich auf insgesamt 83 Wirkstoffe. Je Wirkstoff sollte ein Rabattvertrag mit drei Unternehmen, bei bestimmten verord­nungs­starken Wirkstoffen mit vier Unternehmen geschlossen werden. Kriterien für die Auswahl der Angebote je Wirkstoff waren eine näher bezeichnete Produktbreite und Wirtschaft­lichkeit. An der Ausschreibung beteiligte sich eine Vielzahl von Unternehmen, die Angebote auf einen oder mehrere Wirkstoffe abgaben. Verschiedene Angebote wurden wegen unzureichender Produktbreite oder unzureichender Wirtschaft­lichkeit abgelehnt.

Daraufhin riefen mehrere nicht berücksichtigte Unternehmen die ihrer Ansicht nach zuständigen Vergabekammern an, und zwar die Vergabekammer bei der Bezirks­re­gierung Düsseldorf, die Vergabekammer Karlsruhe sowie die Vergabekammer des Bundes. Sie haben geltend gemacht, es seien zu ihren Lasten erhebliche Vergabefehler aufgetreten. Die Vergabekammer bei der Bezirks­re­gierung Düsseldorf (Beschluss vom 31. Oktober 2007) sowie die Vergabekammer des Bundes (Beschlüsse vom 15. November 2007) haben den Allgemeinen Ortskran­ken­kassen den Zuschlag auf Grund des bisherigen Verga­be­ver­fahrens untersagt.

Dagegen haben die Allgemeinen Ortskran­ken­kassen sofortige Beschwerde zum Vergabesenat des Oberlan­des­ge­richts Düsseldorf eingelegt sowie Klage zum Sozialgericht Stuttgart erhoben. Des Weiteren haben in einigen Verfahren Unternehmen sofortige Beschwerde eingelegt, weil ihrer Auffassung nach die Entscheidungen der Vergabekammern nicht weit genug gegangen seien.

In seinen Entscheidungen, in deren Mittelpunkt das Verhältnis zwischen dem öffentlichen Kranken­kas­senrecht und dem Vergaberecht steht, hat sich der Vergabesenat des Oberlan­des­ge­richts Düsseldorf für zuständig erklärt. An einer abschließenden Entscheidung hat sich der Senat gehindert gesehen, weil zunächst die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften über die Frage, ob öffentliche Krankenkassen „öffentliche Auftraggeber“ im Sinne der Richtlinie 2004/18/EG seien, abgewartet werden soll. Zur Begründung seiner Zuständigkeit führt der Senat aus, dass nach § 116 GWB gegen Entscheidungen des Vergabekammern allein die Beschwerde zum Vergabesenat beim Oberlan­des­gericht zulässig sei, und zwar unabhängig davon, ob die Vergabekammer zu Recht oder zu Unrecht von einem verga­be­pflichtigen Auftrag ausgegangen seien. Die Sozialgerichte könnten insoweit nicht angerufen werden. Der Vergabesenat führt dann weiter aus, dass das allgemeine Vergaberecht auch für Auftrags­er­tei­lungen der Krankenkassen gelte. Nach einer vorläufigen Bewertung handele es sich bei den Allgemeinen Ortskran­ken­kassen nämlich um öffentliche Auftraggeber, weil sie zum einen – mittelbar über die Kranken­ver­si­che­rungs­beiträge – über den Bund finanziert und zum anderen von den Ländern beaufsichtigt würden. Bei den Rabattverträgen handele es sich auch um Lieferaufträge, weil nach dem vorgesehenen Vertrag die Pharma­un­ter­nehmen nämlich ihre Lieferfähigkeit zu gewährleisten hatten und der Preis für die Lieferungen, wenn auch nur mittelbar, festgelegt worden sei.

Der Senat hat ausdrücklich offen gelassen, ob und inwieweit Vergabefehler vorliegen, weil auch insoweit zunächst die Entscheidung des Europäischen Gerichtshof zu wesentlichen Vorfragen abgewartet werden soll.

Erläuterungen
Beschlüsse

vom 18. (VII-Verg 44 – 47/07) und

vom 19. Dezember 2007 (VII-Verg 48 –51/07)

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Düsseldorf vom 19.12.2007

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