21.11.2024
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Dokument-Nr. 33163

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Landgericht München I Urteil04.08.2023

"Orphan Drug"-Marktex­klu­sivität - Arzneimittel "Eculizumab"Orphan-Drugs-Verordnung begründet einen zivil­recht­lichen Verbotsanspruch gegen Wettbewerber

Das Landgericht München I seine bereits erlassene einstweilige Verfügung wegen Verletzung des Rechts auf Marktex­klu­sivität für seltene Leiden überwiegend bestätigt.

Die von einem Wettbewerber im Arznei­mit­tel­sektor verklagten Pharma­un­ter­nehmen wurden im einstweiligen Rechtsschutz zur Unterlassung des Vertriebs ihres Medikaments für seltene Leiden ohne bestimmte, im Einzelnen im Tenor benannte begleitende Maßnahmen zum Schutz des Orphan Drug-Marktex­klu­si­vi­täts­rechts der Verfü­gungs­klägerin verurteilt.

Die Unter­neh­mens­gruppe der Verfü­gungs­klägerin vertreibt ein Medikament, das für vier seltene Krankheiten zugelassen ist: die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie („PNH“), das atypische Hämolytisch-Urämische Syndrom („aHUS“), die refraktäre generalisierte Myasthenia Gravis („gMG“), und Neuromyelitis-Optica-Spektrum-Erkrankungen („NMOSD“). Für drei der Krankheiten, nämlich aHUS, gMG und NMOSD hält sie neben der Marktzulassung auch Exklu­si­vi­täts­rechte für seltene Leiden gemäß der Verordnung (EG) 141/2000. Für die Krankheit PNH ist das Marktexklusivitätsrecht bereits abgelaufen. Die Unter­neh­mens­gruppe der Verfü­gungs­be­klagten hat für ihr Medikament, ein sog. Biosimilar zu dem Referenzprodukt der Klägerin, die Zulassung für die Indikation PNH erlangt und es auf den deutschen Markt gebracht. Nach Erlass der Beschluss­ver­fügung wurde das Medikament wieder vom Markt genommen.

Voraussetzungen für Gewährung einer Unter­las­sungs­ver­fügung liegen vor

Zur Überzeugung der LG liegen die Voraussetzung für die Gewährung einer Unterlassungsverfügung vor.

Die Beklagtenseite hatte angeführt, dass die Orphan-Drugs-Verordnung nur ein (öffentlich-rechtliches) Zulas­sungs­verbot ausspreche, aus dem sich kein zivil­recht­licher Verbotsanspruch gegen Wettbewerber herleiten lasse.

Das LG bejahte gleichwohl einen zivil­recht­lichen Verbotsanspruch. Das Marktex­klu­si­vi­tätsrecht der Verordnung 141/2000/EG für orphan drugs ist nach der Überzeugung des LG recht. Inhalt des vom Verord­nungsgeber gewährten Marktex­klu­si­vi­täts­rechts ist es jedenfalls auch, gegenüber Wettbewerbern Schutz vor Beein­träch­ti­gungen oder Verletzungen der gewährten Marktex­klu­sivität für orphan drugs zu gewähren. Nach dem Verständnis des LG wollte der Verord­nungsgeber mit dem Marktex­klu­si­vi­tätsrecht eine über die bloße Zulas­sungs­si­tuation hinausgehende Rechtsposition schaffen. Das Marktex­klu­si­vi­tätsrecht ist nach der Verordnung der maßgebliche Anreiz für Investitionen im Bereich der orphan drugs. Das kann nur gelingen, wenn (über die regulatorische Zulas­sungs­si­tuation hinaus) dem Inhaber die Möglichkeit gegeben wird, individuell gegen Umgehungen seines Rechts vorzugehen.

Verfü­gungs­be­klagte sind mittelbare Handlungsstörer

Das LG ist der Auffassung, dass die Verfü­gungs­be­klagten als sog. mittelbare Handlungsstörer durch Empfeh­lungs­schreiben einen adäquat-kausalen Beitrag für eine indika­ti­o­ns­über­greifende Verwendung ihres Medikaments auch in den drei für die Unter­neh­mens­gruppe der Klägerin geschützten Indikationen gesetzt haben. Die von der Verfü­gungs­klägerin glaubhaft gemachte Begehungsgefahr haben die Verfü­gungs­be­klagten bis zum maßgeblichen Schluss der mündlichen Verhandlung nicht ausgeräumt. Rechtsfolge ist die Anordnung, das angegriffene Medikament nicht ohne bestimmte, im Tenor benannte Schutzmaßnahmen zu vertreiben. Die Erhebung der Hauptsacheklage ist angeordnet. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Zum Hintergrund:

Der Begriff „Orphan Drug“ steht für Medikamente, die für die Behandlung seltener Krankheiten vorgesehen sind. Sie werden auch als „Arzneimittel für seltene Leiden“ bezeichnet. Diese Medikamente sind wegen ihres teilweisen sehr kleinen Marktes, da sie nur bei seltenen Erkrankungen zum Einsatz kommen, und wegen ihres daher geringen Umsatzes für die pharmazeutische Industrie nach Einschätzung der EU-Kommission nicht interessant.

Quelle: Landgericht München I, ra-online (pm/ab)

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