02.11.2024
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Dokument-Nr. 34504

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Urteil07.02.2024Landgericht Lübeck2 NBs 702 Js 28388/23
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Landgericht Lübeck Urteil07.02.2024

Geldstrafe für Volksverhetzung auf FacebookVerwarnung mit Strafvorbehalt nicht ausreichend

Wird ein volks­ver­het­zender Inhalt auf Facebook mit dem Aufruf zum weiteren Teilen gepostet, kann eine Verwarnung zur Verteidigung der Rechtsordnung nicht ausreichen. Das Landgericht Lübeck als zweite Instanz änderte ein Urteil des Amtsgerichts Ratzeburg von einer Verwarnung in eine Geldstrafe.

Ein Mann veröffentlichte auf seinem frei zugänglichen Facebook-Profil ein Gedicht mit dem Titel „Das Asylgedicht“. Das Gedicht beginnt mit der Frage „‘Herr Asylbetrüger, na wie geht's?‘“. Der Rest des Gedichts ist die erfundene Antwort des so Angesprochenen. Er erklärt, dass er Straftaten begehe und das deutsche Sozialsystem ausnutze. Gleichzeitig beleidigt er alle Deutschen, die für ihre Lebens­er­hal­tungs­kosten arbeiten gehen würden. Den Facebook-Post überschrieb der Mann mit der Aufforderung „Bitte schnell verbreiten, FB will das Sperren.“. An das Ende schrieb er „Das gehört veröffentlicht!!!“. Das Gedicht und die Texte hatte der Mann von anderen Personen übernommen. Der Mann wurde vom AG Ratzeburg wegen Volksverhetzung für schuldig befunden und verwarnt. Zudem sollte er 2.000 € an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen. Gleichzeitig bestimmte das Amtsgericht eine Geldstrafe für den Fall, dass der Mann sich in den nächsten zwei Jahren nicht bewähren würde. Die Staats­an­walt­schaft legte Berufung gegen die Entscheidung ein.

Verhängung einer Strafe zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten

Das LG hat das Urteil des AG teilweise aufgehoben. Nur eine Verwarnung auszusprechen mit der Möglichkeit einer späteren Geldstrafe sei nicht angebracht. Vielmehr sei die Verhängung einer Strafe zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten. Das Urteil führt dazu aus, dass die Tat „zweifellos nicht nur eine auslän­der­kri­tische, sondern eine auslän­der­feindliche Motivation als Hintergrund“ habe. Es betonte die Notwendigkeit „Vorgehensweisen, die im Sinne der Volksverhetzung geeignet sind, die Bevölkerung gegen Teile der Bevölkerung aufzuhetzen, im Keim zu ersticken und solchen Handlungsweisen keinerlei Verbrei­tungs­mög­lichkeit zu gewähren“. Hinzu komme, „dass der Nachah­mungs­effekt gerade bei Verbreitung von inkriminierten Texten über soziale Medien nahezu hürdenlos eintreten kann, so dass bereits aus Gründen der Genera­l­prä­vention gegen mögliche Nachah­mung­stäter eine Sanktion sogleich erfolgen muss und nicht im Sinne eines Strafvorbehalts lediglich bedingt verhängt werden kann.“. Die Kammer hielt eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen für angemessen. Sie berücksichtigte, dass es sich um einen Ersttäter gehandelt hat und dass dieser zudem vor dem LG gestanden und Reue sowie Einsicht in das begangene Unrecht gezeigt hat.

Was ist Volksverhetzung?

Volksverhetzung wird in § 130 des Straf­ge­setz­buches unter Strafe gestellt. Bestraft wird – vereinfacht gesagt -, wer gegen bestimmte Gruppen „zum Hass aufstachelt“ oder „zu Gewalt- oder Willkür­maß­nahmen“ auffordert oder bestimmte Gruppen (oder Einzelne) „beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet“. Mit dieser Regelung wird das Recht auf freie Meinung­s­äu­ßerung gemäß Art. 5 des Grundgesetzes begrenzt. Möglich ist das, weil (fast) alle Grundrechte unter bestimmten Voraussetzungen eingeschränkt werden können. So steht es auch ausdrücklich im Grundrecht zur Meinungs­freiheit: „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“. Wenn Bürgerinnen und Bürger der Meinung sind, dass bestimmte Einschränkungen zu weit gehen, können sie das Bundes­ver­fas­sungs­gericht anrufen. Das prüft dann, ob die Einschränkung wirklich gerechtfertigt ist. Damit steht Deutschland übrigens weltweit an der Spitze des Rechtsschutzes: nur wenige Staaten geben jeder Bürgerin und jedem Bürger die Möglichkeit, persönlich ein Verfas­sungs­gericht anzurufen.

Das „Gedicht“ in der Rechtsprechung

Der Mann hat das Gedicht nicht selbst geschrieben. Es beschäftigt die Gerichte in analoger Form schon seit den 1990er Jahren immer wieder. So berichtete das Nachrich­ten­magazin Der Spiegel 1994 über ein Verfahren vor dem Landgericht Hannover. Ein anderer Mann hatte das Gedicht mit dem Faxgerät an ihm unbekannte Personen verschickt. Auch dieses Verfahren endete mit einem Schuldspruch. 1993 sprach das Amtsgericht Bad Kissingen dagegen einen Mitarbeiter der Auslän­der­ab­teilung eines Landratsamtes vom Vorwurf der Volksverhetzung frei, der das Gedicht in seinem Dienstzimmer aufgehängt hatte. Dort war es für Besucher des Amtes frei einsehbar. Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: Landgericht Lübeck, ra-online (pm/ab)

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