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- NJW-RR 2016, 544Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2016, Seite: 544
- NJW-Spezial 2016, 154Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2016, Seite: 154
- Amtsgericht Brühl, Urteil11.06.2015, 21 C 140/14
Landgericht Köln Urteil13.01.2016
Fehlende polizeiliche Belehrung eines Minderjährigen über Recht Eltern zu kontaktieren kann zu Beweisverwertungsverbot im Zivilprozess führenVerstoß gegen strafprozessuale Belehrungspflicht begründet ausnahmsweise Beweisverwertungsverbot im Zivilprozess
Ein Verstoß gegen eine strafprozessuale Belehrungspflicht kann ausnahmsweise zu einem Beweisverwertungsverbot im Zivilprozess führen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn Polizeibeamte einen unter Schock stehenden 15-jährigen Beschuldigten einer Ordnungswidrigkeit nicht über sein aus § 67 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) zu stehendes Recht, seine Eltern zu kontaktieren, belehrt wird. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Köln hervor.
In dem zugrunde liegenden Fall wurde ein 15-jähriger Jugendlicher von einem Auto angefahren, wodurch dieses beschädigt wurde. Der Autofahrer behauptete, dass der Jugendliche über Rot lief. Er erhob daher Klage auf Zahlung von Schadensersatz.
Amtsgericht gab Schadensersatzklage statt
Das Amtsgericht Brühl gab der Schadensersatzklage statt. Zwar habe der Jugendliche bestritten einen Rotlichtverstoß begangen zu haben. Aufgrund der Aussage zweier Polizeibeamter sei ihm der Verstoß aber nachzuweisen gewesen. Der Jugendliche habe den Polizeibeamten am Unfallort während seiner ersten Vernehmung gestanden, den Rotlichtverstoß begangen zu haben. Dies ließ der Jugendliche aber nicht gelten. Seiner Meinung nach, seien die Aussagen der Polizeibeamten nicht verwertbar gewesen, da er nicht über sein Konsultationsrecht aus § 67 JGG belehrt worden sei. Er legte daher gegen die Entscheidung Berufung ein.
Landgericht verneint Schadensersatzanspruch
Das Landgericht Köln entschied zu Gunsten des minderjährigen Jugendlichen und hob daher die Entscheidung des Amtsgerichts auf. Dem Autofahrer habe kein Anspruch auf Schadensersatz nach § 823 BGB zugestanden, da er nicht habe beweisen können, dass der Jugendliche für den Schaden verantwortlich war. Die Aussagen der Polizeibeamten seien nicht verwertbar gewesen.
Verstoß gegen Belehrungspflicht
Die Polizeibeamten haben den Jugendlichen nicht über sein Konsultationsrecht aus § 67 JGG belehrt und somit gegen eine strafprozessuale Belehrungspflicht verstoßen, so das Landgericht. Das Recht eines minderjährigen Beschuldigten, seine Eltern vor einer Aussage zu kontaktieren, beruhe auf der Erkenntnis, dass jugendliche Beschuldigte gegenüber Erwachsenen eine deutlich höhere "Geständnisfreudigkeit" aufweisen und somit die Gefahr bestehe, dass sie leichtfertigt auf ihr nach § 136 Abs. 1 StPO zustehendes Schweigerecht verzichten.
Verstoß gegen Belehrungspflicht begründet Beweisverwertungsverbot
Der Verstoß gegen die Belehrungspflicht habe nach Ansicht des Landgerichts zu einem Beweisverwertungsverbot geführt. Zwar sei eine strafprozessuale Belehrung nicht darauf gerichtet, den Beschuldigten vor einer zivilrechtlichen Verfolgung zu schützen. Vielmehr sei der Beschuldigte allein davor zu bewahren, aktiv zu seiner strafrechtlichen Verfolgung beitragen zu müssen. Dennoch könne ausnahmsweise ein Beweisverwertungsverbot im Zivilprozess vorliegen. So habe der Fall hier gelegen.
Minderjährigkeit und Schockzustand begründete Verwertungsverbot
Nach Auffassung des Landgerichts sei zu beachten gewesen, dass der Beklagte zum Zeitpunkt seiner polizeilichen Vernehmung minderjährig war. Die Vorschrift des § 455 ZPO, wonach eine parteiverantwortliche Vernehmung von Minderjährigen erst ab dem 16. Lebensjahr möglich ist, zeige, dass auch im Zivilprozess eine "verantwortliche" Aussage Minderjähriger erst ab dem 16. Lebensjahr in Betracht kommen solle. Zudem habe nicht ausgeschlossen werden dürfen, dass der Jugendliche zum Zeitpunkt der Vernehmung unter Schock stand. Angaben eines unter Schock stehenden Unfallbeteiligten seien jedoch mit äußerster Vorsicht zu würdigen. Denn nach den Erkenntnissen der Wahrnehmungspsychologie können Ereignisse, die kurz vor einem Schock eintreten, mehr oder weniger vergessen werden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 22.08.2016
Quelle: Landgericht Köln, ra-online (vt/rb)
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