Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am Morgen eines Tages im November 2011 kam es innerorts zwischen einem PKW und einem Motorroller zu einem Verkehrsunfall, als der PKW-Fahrer auf eine Vorfahrtsstraße einbiegen wollte und dabei den Motorrollerfahrer übersah. Dieser klagte aufgrund des Unfalls auf Schadenersatz. Der PKW-Fahrer stritt seine grundsätzliche Verantwortung nicht ab. Er führte aber an, dass dem Motorrollerfahrer zumindest ein Mitverschulden anzulasten sei, weil er keine Motorradschutzkleidung trug.
Das Landgericht Heidelberg entschied zu Gunsten des Motorrollerfahrers. Ihm habe ein Anspruch auf Schadenersatz nach § 7 Abs. 1 StVG zugestanden.
Nach Ansicht des Landgerichts sei dem Motorrollerfahrer wegen der fehlenden Motorradschutzkleidung kein Mitverschulden nach § 254 BGB anzulasten gewesen. Zwar müsse ein Geschädigter alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen treffen, um sich selbst vor Schäden zu schützen. Kommt er dem nicht nach, so könne sich sein Anspruch mindern. Es sei auch vorteilhaft beim Fahren eines Motorrollers Schutzkleidung zu tragen. Dies greife aber zu kurz. Denn das Abstellen allein auf die Möglichkeit der Verringerung oder Vermeidung von Verletzungsfolgen würde dazu führen, maximale Sicherheitsanforderungen einzufordern. Dies sei aber nicht der Maßstab. Vielmehr komme es auf die Verkehrsauffassung an.
Nach Einschätzung des Landgerichts hält es die Verkehrsauffassung für nicht notwendig innerorts auf einem Leichtkraftrad Schutzkleidung zu tragen. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen gewesen, dass die StVO detaillierte Regelungen enthält, um auf die mit dem Straßenverkehr verbundenen Gefahren zu reagieren. So enthalte sie etwa die Verpflichtung zum Anschnallen und Tragen eines Helms. Ein Verkehrsteilnehmer könne sich wegen dieser gesetzgeberischen Fürsorge darauf verlassen, dass er sich verkehrsgerecht verhält, wenn er sich an die StVO hält. Da sie abgesehen von der Helmpflicht keine weiteren Vorschriften zur Schutzkleidung eines Leichtkraftradfahrers enthalte, dürfe ein Motorrollerfahrer zumindest innerorts davon ausgehen, dass er sich verkehrsgerecht verhält, wenn er keine Motorradschutzkleidung trägt.
Zwar sei es richtig, so das Landgericht weiter, dass Schutzkleidung vor allem bei geringen Geschwindigkeiten vor Verletzungen schützt. Dies führe aber nicht zu einer Tragepflicht. Denn konsequenterweise müssten dann auch Fahrer von Kleinkrafträdern oder Fahrrädern, die durchaus Geschwindigkeiten von 45 km/h erreichen können, Protektorenschutzkleidung tragen. Diese Ansicht vertrete aber niemand. Hinzu komme die Gefahr, dass die Fahrer von Leichtkrafträdern den Spott und Hohn anderer ausgesetzt sind, wenn sie eine vollständige Motorradschutzkleidung tragen würden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 28.10.2014
Quelle: Landgericht Heidelberg, ra-online (vt/rb)