In dem zugrunde liegenden Fall klagte ein Motorradfahrer nach einem Unfall im Jahr 2014 gegen den Unfallverursacher auf Zahlung von Schmerzensgeld. Der Unfallverursacher war der Meinung, dass dem Motorradfahrer ein Mitverschulden anzulasten sei, da er beim Fahren seiner Harley Davidson keinen Beinschutz trug. Er legte dazu, eine Umfrage der Bundesanstalt für Straßenwesen in Bergisch Gladbach aus dem Jahr 2014 vor, wonach 43 % der befragten 2.091 Motorradfahrer angaben, eine schützende Beinkleidung zu tragen. Das Amtsgericht Frankfurt am Main gab der Klage statt, ohne dem Kläger ein Mitverschulden anzulasten. Dagegen richtete sich die Berufung des Beklagten.
Das Landgericht Frankfurt am Main bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts und wies daher die Berufung des Beklagten zurück. Dem Kläger sei kein Mitverschulden anzulasten, weil er keinen Beinschutz trug. Zwar könne ein Mitverschulden nicht allein deshalb verneint werden, weil es keine gesetzliche Regelung zum Tragen eines Beinschutzes gibt. Maßstab sei vielmehr, ob der Verletzte diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt.
Nach Auffassung des Landgerichts sei zu prüfen, ob ein allgemeines Verkehrsbewusstsein besteht, zum eigenen Schutz bestimmte Schutzkleidung zu tragen. Ein solches Bewusstsein könne nicht schon aus einem reduzierten Verletzungsrisiko hergeleitet werden. Denn dies würde dazu führen, ein Mitverschulden generell dann zu bejahen, wenn der Geschädigte objektiv sinnvolle und allgemein zugängliche Schutzmöglichkeiten nicht gewählt hat. Vielmehr müsse das Verkehrsbewusstsein anhand von allgemein zugänglichen Erkenntnissen über die tatsächlichen Gepflogenheiten der konkreten Gruppe der Verkehrsteilnehmer festgestellt werden.
Jedoch sei ein allgemeines Verkehrsbewusstsein zum Tragen eines Beinschutzes beim Fahren einer Harley Davidson nicht festzustellen, so das Landgericht. Dabei sei auch zu beachten, dass derartige Motorräder im Vergleich zu anderen großmotorigen Krafträdern typischerweise weniger zum schnellen Fahren, sondern zum Cruisen, also einem moderateren Fahrstil, genutzt werden.
Die Umfrage der Bundesanstalt für Straßenwesen in Bergisch Gladbach genüge nach Ansicht des Landgerichts nicht, um ein allgemeines Verkehrsbewusstsein festzustellen. Denn zum einen sei schon fraglich, ob aus einer Gruppe von rund 2.000 Teilnehmern eine repräsentative Zahl ermittelt werden könne. Zum anderen seien 43 % kein ausreichender Wert zur Feststellung eines allgemeinen Verkehrsbewusstseins.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 31.01.2020
Quelle: Landgericht Frankfurt am Main, ra-online (vt/rb)