21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen die Rücken von verschiedenen Zeitungen, die nebeneinander aufgereiht wurden.
ergänzende Informationen

Landgericht Hamburg Beschluss11.05.2017

AfD-Politikerin Dr. Alice Weidel muss Bezeichnung als "Nazi-Schlampe" durch Satiremagazin hinnehmenLandgericht Hamburg lehnt einstweilige Verfügung gegen den NDR wegen der Sendung "extra 3" ab

Das Landgericht Hamburg hat einen Antrag der AfD-Politikerin Dr. Alice Weidel auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Norddeutschen Rundfunk zurückgewiesen. Der Antrag richtet sich gegen eine Äußerung des Moderators der NDR-Sendung "extra 3" vom 27. April 2017, in der die Antragstellerin als "Nazi-Schlampe" bezeichnet wurde. Nach der Entscheidung des Gerichts handelt es sich dabei um Satire, die im konkreten Kontext der Äußerung von der Meinungs­freiheit gedeckt ist. Als Spitzen­kan­didatin der AfD steht die Antragstellerin im Blickpunkt der Öffentlichkeit und muss auch überspitzte Kritik hinnehmen.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Gegenstand der Satiresendung vom 27. April 2017 war der Parteitag der AfD, auf dem die AfD-Politikerin Dr. Alice Weidel (Antragstellerin) zur Spitzen­kan­didatin gewählt wurde. Im Anschluss an ihre Wahl hielt sie eine Rede, in der es u.a. heißt: "Es muss endlich Schluss damit sein, dass diejenigen, die auf die Missstände in unserem Land hinweisen, härter bekämpft werden als die Missstände selbst. Und wir werden uns als Demokraten und Patrioten trotz dessen nicht den Mund verbieten lassen. Denn die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte". In der Sendung wurde zunächst diese Sequenz eingespielt, die der Moderator mit den Worten "Jawoll, Schluss mit der politischen Korrektheit! Lasst uns alle unkorrekt sein, da hat die Nazi-Schlampe doch recht. War das unkorrekt genug? Ich hoffe!" kommentierte.

Entscheidung muss unter Abwägung zwischen Meinungs­freiheit und allgemeinem Persön­lich­keitsrecht erfolgen

Der Entscheidung liegt eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem allgemeinen Persön­lich­keitsrecht der Antragstellerin zugrunde. Für die rechtliche Beurteilung seien die konkrete Präsentation und der Zusammenhang zu berücksichtigen, in den die Aussage gestellt worden ist. Eine Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts ist nur anzunehmen, wenn die von ihrer satirischen Umkleidung freigelegte Aussage die Würde des Betroffenen in ihrem Kernbereich trifft.

Persönliche Diffamierung der Betroffenen stand nicht im Vordergrund

Einer Bewertung der Äußerung als unzulässige Formal­be­lei­digung steht es entgegen, wenn – wie hier – mit Bezug auf den Gegenstand der Satire eine Ausein­an­der­setzung in der Sache erfolgt und nicht die persönliche Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht.

Die umstrittene Äußerung bezieht sich mit den Begriffen "Nazi" und "Schlampe" in klar erkennbarer satirischer Weise, d.h. durch typische Übertreibung, auf die aktuelle Forderung der Antragstellerin, die politische Korrektheit gehöre auf den Müllhaufen der Geschichte. In diesem Zusammenhang soll die besonders scharfe Wortwahl "Nazi-Schlampe" als politisch – und auch sonst – nicht akzeptierte Formulierung zeigen, wohin die Forderung der Antragstellerin führen könnte. Erkennbar geht es nicht darum, dass die Antragstellerin hinter dem Leitbild des Natio­nal­so­zi­a­lismus stehen würde oder sie Anlass für die Bezeichnung als "Schlampe" gegeben hätte. Der Zuschauer begreift den Begriff "Nazi" als grobe Übertreibung, die an die Wahl der Antragstellerin zur Spitzen­kan­didatin der AfD anknüpft, nimmt deswegen aber nicht an, dass die Antragstellerin Anhängerin der Nazi-Ideologie sei. Es könne dahinstehen, ob die Bezeichnung "Schlampe" stets eine sexuelle Konnotation habe, wie die Antragstellerin vorträgt. Denn es sei erkennbar, dass die Bezeichnung "Schlampe" in einem solch verstandenen Sinne keinen Wahrheitsgehalt beansprucht, sondern als Anknüpfung an deren Äußerung zur politischen Korrektheit nur gewählt wurde, weil die Antragstellerin eine Frau ist.

Quelle: Oberlandesgericht Hamburg/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss24275

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI