Dokument-Nr. 12693
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- NJW-RR 1988, 782Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 1988, Seite: 782
- WuM 1988, 120Zeitschrift: Wohnungswirtschaft und Mietrecht (WuM), Jahrgang: 1988, Seite: 120
Landgericht Frankfurt am Main Urteil03.11.1987
Räum- und Streupflicht: Mieter kann nicht durch Hausordnung zum Winterdienst verpflichtet werdenAlleinige Verpflichtung der Mieter einer Erdgeschosswohnung zum Winterdienst wird als "überraschende Klausel" nicht Bestandteil des Mietvertrags
Werden einzelne Mieter in ihrer Verpflichtung zur Reinigung des Gemeinschaftseigentums durch die Hausordnung ungleich mehr belastet als andere, so wird diese Regelung unwirksam. Besonders die Übernahme des Winterdienstes stellt eine Mehrbelastung gegenüber den Verpflichtungen zur Reinigung von Hausflur und Treppe dar. Dies geht aus einem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main hervor.
Die 76-jährige Mieterin einer Erdgeschosswohnung, die ihrer durch die Hausordnung auferlegte Schneeräumungspflicht seit 30 Jahren nachkam, bat ihren Vermieter aus gesundheitlichen und altersbedingten Gründen um Befreiung von dieser Pflicht. Der Vermieter verneinte diese Bitte mit der Begründung, er müsse dann 6000 Mietverträge entsprechend ändern und die Beauftragung eines Reinigungsunternehmens verursache zusätzliche Kosten in Höhe mehrerer Tausend DM. Er schlug der Frau vor, Verwandte, Freunde oder Nachbarn um Hilfe bei der Durchführung der Arbeiten zu bitten.
Regelung in der Hausordnung
Die Hausordnung regelte unter Ziffer 16: "Die Inhaber der Wohnungen im Erdgeschoss reinigen den Zugang zum Hause, die Haustreppe sowie die Treppen auf den Flur ihres Geschosses; sie haben erforderlichenfalls den Zugang zum Haus und die Haustreppe von Schnee freizuhalten und Glätte durch Sand, Asche oder andere abstumpfende Mittel zu beseitigen. Die Inhaber der Wohnungen in den oberen Stockwerken reinigen die Treppe zu ihrem Geschoss und den dazugehörigen Flur."
Regelung in Hausordnung verstößt gegen Gleichbehandlungsgrundsatz
Das Landgericht Frankfurt am Main erklärte die zur Schneebeseitigung verpflichtende Ziffer 16 der Hausordnung für nichtig. Nach dieser Klausel sei der Mieter der Erdgeschosswohnung zum Reinigen des Hauszugangs, der Haustreppe sowie den Treppen und Fluren seines Geschosses verpflichtet. Er sei zudem dafür verantwortlich, den Hauszugang und die Haustreppe von Glätte im Winter freizuhalten. Nach Auffassung des Gerichts verstoße diese Klausel gegen § 9 Abs. 1 AGBG, da der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gewahrt sei.
Winterdienst stellt erhebliche Mehrbelastung dar
Aufgabe der Hausordnung sei es, das reibungslose Zusammenleben der Mieter in einer Hausgemeinschaft zu regeln. Somit könne die Hausordnung nur solche Bestimmungen beinhalten, die von der Natur der Sache her eine Selbstverständlichkeit und nach dem Mietvertrag ohnehin zu respektieren seien. Hierzu gehöre auch die Reinigung der gemeinschaftlich genutzten Räume, jedoch nicht die Verpflichtung zur Übernahme der Treppenhausreinigung und Schneebeseitigung, da dies eine erhebliche Mehrbelastung bedeute. Im Vergleich zur Reinigung von Hausflur und Treppe verlange der Winterdienst einen permanenten Einsatz, auch zu frühen Morgenstunden und bei unangenehmen Temperaturen und schlechten Witterungsbedingungen.
"Überraschende Klausel" in der Hausordnung aufgrund ungleicher Pflichtverteilung unwirksam
Bei der Verteilung der Reinigungspflicht sei eine geringfügig unterschiedliche Arbeitsbelastung einzelner Mieter hinzunehmen. Dies gelte jedoch nicht für die Schneeräumung, zu der im vorliegenden Fall nur die Mieter der Erdgeschosswohnungen verpflichtet werden sollen. Eine derartige Ungleichverteilung der Pflichten könne nicht über die Hausordnung, sondern ausschließlich über den Mietvertrag geregelt werden. Der Mieter müsse in Hausordnungen nur den üblichen Regelungsinhalt erwarten, wie etwa die gleichmäßige Verteilung der Reinigungspflichten. Werden dem Mieter zusätzliche Pflichten auferlegt, handele es sich um eine überraschende Klausel nach § 3 AGBG und werde demnach nicht Vertragsbestandteil. Zudem sei die Mieterin von ihrer Verpflichtung gemäß § 275 BGB wegen nachträglicher subjektiver Unmöglichkeit frei geworden.
Erläuterungen
Die Entscheidung ist aus dem Jahre 1987 und erscheint im Rahmen der Reihe "Wissenswerte Urteile".
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 30.01.2012
Quelle: ra-online, Landgericht Frankfurt am Main (vt/st)
der Leitsatz
Der Vermieter kann den Winterdienst nur in einer einvernehmlichen Regelung im Mietvertrag auf den Mieter übertragen werden - nicht aber durch eine Hausordnung (rao).
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