15.11.2024
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Landgericht Essen Urteil26.09.2012

"Porno-Pranger": Namensnennung einer Privatperson in Gegnerliste einer Anwaltskanzlei unzulässigVerletzung des allgemeinen Persönlich­keits­rechts begründet Unter­lassungs­anspruch

Soll eine Privatperson im Zusammenhang mit Urheber­rechts­verstößen im Erotikbereich in einer Gegnerliste einer Anwaltskanzlei genannt werden, so begründet die darin liegende Verletzung des allgemeinen Persönlich­keits­rechts einen Unter­lassungs­anspruch. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Essen hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Anwaltskanzlei, die auf dem Gebiet des Urheberrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes spezialisiert war und in diesem Zusammenhang auch Abmahnverfahren wegen Urheber­rechts­ver­let­zungen, vor allem im Erotikbereich, durchführte, beabsichtigte im September 2012 eine Gegnerliste auf ihrer Homepage zu veröffentlichen. Auf dieser Liste, im Internet als "Porno-Pranger" bezeichnet, sollten auch die Namen von Privatpersonen stehen. Eine von diesen Personen sah darin eine Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts und beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtet auf Unterlassung der Namensnennung. Das Landgericht Essen folgte dem Antrag und erließ eine entsprechende einstweilige Verfügung (LG Essen, Beschl. v. 30.08.2012 - 4 O 263/12). Dagegen legte die Anwaltskanzlei Widerspruch ein.

Anspruch auf Unterlassung wegen Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts bestand

Das Landgericht Essen bestätigte die einstweilige Verfügung und wies den Widerspruch der Anwaltskanzlei zurück. Die Privatperson habe ein Anspruch auf Unterlassung nach § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1004 Abs. 1Satz 2 BGB analog gehabt. Denn durch eine Veröf­fent­lichung ihres Namens auf der Gegnerliste wäre ihr allgemeines Persön­lich­keitsrecht (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt worden.

Persön­lich­keitsrecht umfasst Anonymität

Vom allgemeinen Persön­lich­keitsrecht umfasst sei auch das Grundrecht auf informationelle Selbst­be­stimmung, so das Landgericht weiter. Dazu gehöre die Befugnis grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, ob, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Dinge in die Öffentlichkeit gebracht werden. Daher könne ein jeder regelmäßig selbst entscheiden, in gewählter Anonymität zu bleiben und die eigene Person nicht in der Öffentlichkeit dargestellt zu sehen.

Rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts

Die mit der Veröf­fent­lichung des Namens einhergehende Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts wäre zudem nach Auffassung des Landgerichts rechtswidrig gewesen. Denn die Abwägung zwischen dem allgemeinen Persön­lich­keitsrecht der Privatperson und dem Recht auf freie Meinung­s­äu­ßerung (Art. 5 GG) und freie Berufsausübung (Art. 12 GG) der Anwaltskanzlei habe ergeben, dass dem Persön­lich­keitsrecht Vorrang zu gewähren war. Zwar sei eine Werbung mit Gegnerlisten grundsätzlich zulässig. Dies gelte jedoch nicht bei Privatpersonen.

Namensnennung von Privatpersonen zu Werbezwecken unzulässig

Die Anwaltskanzlei habe nach Ansicht des Landgerichts kein besonderes Interesse daran gehabt, Rechtss­trei­tig­keiten mit Privatpersonen unter Veröf­fent­lichung des Namens der Privatpersonen zu vermarkten. Zwar sei es richtig, dass Unternehmen aufgrund ihres öffentlichen Auftritts im Geschäftsleben, in ihrer infor­ma­ti­o­nellen Selbst­be­stimmung eingeschränkt sind. Sie müssen eher Darstellungen dulden, die auch bei neutraler Darstellung ein kritisches Element haben können. Soweit aber der Bezug zu einer Geschäft­s­tä­tigkeit nicht besteht, komme dem infor­ma­ti­o­nellen Selbst­be­stim­mungsrecht eine höhere Bedeutung zu. Der Name einer Privatperson, die nicht im Geschäftsleben an die Öffentlichkeit tritt, dürfe daher nicht zu Werbezwecken genutzt werden.

Beein­träch­tigung des sozialen Ansehens

Hinzu sei nach Einschätzung des Landgerichts eine Beein­träch­tigung des sozialen Ansehens gekommen. Zwar sei die wahrheitsgemäße Information, jemand sei in eine gerichtliche oder außer­ge­richtliche Ausein­an­der­setzung involviert, grundsätzlich nicht ehrenrührig. Im vorliegenden Fall hätte jedoch die Veröf­fent­lichung des Namens auf der Gegnerliste beinhaltet, dass über den Anschluss der namentlich genannten Person eine Urheberrechtsverletzung im pornografischen Bereich begangen wurde. Dadurch wäre der Verdacht eines strafrechtlich relevanten Verhaltens öffentlich gemacht worden.

Quelle: Landgericht Essen, ra-online (vt/rb)

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