23.11.2024
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Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil09.06.2011

"Besser eine Frau mit Charakter, als drei Schlampen": Fristlose Kündigung auch bei möglicher Schul­d­un­fä­higkeit wegen Depres­si­ons­krankheit zulässigAndauernde sexuell gefärbte grobe Beleidigungen machen Weiter­be­schäf­tigung unzumutbar

Auch schuldlose Pflicht­ver­let­zungen des Arbeitnehmers können ausnahmsweise einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen. Dies hat das Landes­a­r­beits­gericht Schleswig-Holstein entschieden.

Der 52-jährige Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls war bei der Beklagten, einem Zulie­fe­rer­betrieb für die Automo­bil­branche, seit 1986 als Sachbearbeiter beschäftigt. Seit der Trennung von seiner Familie befand sich der Kläger kurzfristig Mitte 2008 in ambulanter psychologischer Behandlung. Von Ende 2008 bis Mitte 2009 war er aufgrund eines psychischen Zusammenbruchs arbeitsunfähig. Am 8. Februar 2010 ermahnte die Beklagte den Kläger, seine fortlaufenden anzüglichen Bemerkungen gegenüber dem weiblichen Personal zu unterlassen. Als der Kläger zwei Tage später die mit ihm im Großraumbüro zusammen tätige Vorgesetzte und weitere Arbeit­neh­me­rinnen mit den Worten „Besser eine Frau mit Charakter, als drei Schlampen“ beleidigte, mahnte die Beklagte ihn ab. Am 25. Februar 2010 forderte der Kläger seine Kollegen und Kolleginnen trotz der Mittagspause auf, zu bleiben, da er gleich eine „Bombe platzen“ lassen würde. Als seine Vorgesetzte erschien, behauptete er, dass sie die Nacht bei einem Geschäfts­partner verbracht habe. Er habe ihr Auto gesehen und sie, die Vorgesetzte, wisse ja, dass der Mann HIV positiv sei und was sie sich damit jetzt eingefangen habe. Sowohl die Vorgesetzte als auch der Mann stritten dies ab und stellten gegen den Kläger Strafanzeige wegen Verleumdung. Die Beklagte kündigte dem Kläger aufgrund dieses Vorfalles fristlos.

Kündi­gungs­schutzklage erfolglos

Das Arbeitsgericht Neumünster wies die Kündi­gungs­schutzklage zurück. Im Berufungs­ver­fahren wandte der mittlerweile unter Betreuung stehende Kläger lediglich ein, dass während eines Klini­k­auf­enthalts im April und Mai 2010 festgestellt worden sei, dass er manisch-depressiv sei und auch am 25. Februar 2010 schuldlos gehandelt habe. Das Landes­a­r­beits­gericht Schleswig-Holstein hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Verhal­tens­be­dingte fristlose Kündigung hier auch ohne erforderliches schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers zulässig

Zur Begründung hat das Landes­a­r­beits­gericht ausgeführt, dass es nicht darauf ankommt, ob die Vorgesetzte tatsächlich bei dem Geschäfts­partner übernachtet hat, denn aufgrund der konkreten Umstände und der süffisanten Diktion der klägerischen Unterstellungen hat er seine Vorgesetzte grob beleidigt. Er hat nicht nur eine Tatsa­chen­be­hauptung aufgestellt, sondern wollte die Vorgesetzte gezielt bloßstellen, indem er vermeintliche Intimitäten in deren Anwesenheit den Kollegen gegenüber preisgibt. Der Kläger ist auch bereits einschlägig abgemahnt worden. Zwar setzt eine verhal­tens­be­dingte fristlose Kündigung in der Regel ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers voraus. Indessen ist es der Beklagten nicht zumutbar, die durch den Kläger andauernd sexuell gefärbte grobe Beleidigungen verursachte erhebliche Störung des Betrie­bs­friedens und der betrieblichen Ordnung auch künftig hinzunehmen, selbst wenn der Kläger am 25. Februar 2010 schuldlos gehandelt haben sollte.

Quelle: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein/ra-online

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