18.10.2024
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Arbeitsgericht Hamburg Urteil12.05.2009

"Klei mi ann Mors" – Fristlose Kündigung wegen Beleidigung einer Vorgesetzten unwirksamIm Rahmen eines Konflikts spontan geäußerte Unhöflichkeit kommt keiner schweren Vertrags­ver­letzung gleich

Ein Angestellter, der seine Vorgesetzte im Affekt mit den Worten "Klei mi ann Mors", was so viel bedeutet, wie "Kratz mich am Hintern" beleidigt, kann dennoch nicht gekündigt werden. Die Äußerung stellt zwar eine Ungehörigkeit und Unhöflichkeit dar, ist jedoch nicht als schwere Vertrags­ver­letzung anzusehen, die eine Kündigung rechtfertigt. Dies entschied das Arbeitsgericht Hamburg.

Im zugrunde liegenden Streitfall kam es zu einer Ausein­an­der­setzung zwischen einem Angestellten und seiner Vorgesetzen. In dem Streit ging es unter anderem um einen Urlaubswunsch des späteren Klägers. Dritte waren nicht zugegen. Eine Einigung wurde nicht erzielt, die Atmosphäre und der Tonfall verschärften sich. Wer es zu verantworten hat, dass der Streit eskalierte, ist zwischen den Parteien streitig. Das Gespräch endete schließlich, als der Angestellte zur Vorgesetzten „Klei mi ann Mors“ sagte.

Arbeitgeber spricht außer­or­dentliche Kündigung aus

Der Arbeitgeber empfand dies als grobe Beleidigung. Eine in aller Form ausgesprochene Entschuldigung nahm der Arbeitgeber nicht an und kündigte dem Angestellten schließlich außerordentlich.

Arbeitnehmer hätte zuvor abgemahnt werden müssen

Der Angestellte klagte erfolgreich gegen seine Entlassung vor dem Arbeitsgericht Hamburg. Die Kündigung sei nach Auffassung der Richter als außer­or­dentliche Kündigung schon deshalb unwirksam, weil die Beklagte den Kläger vor ihrem Ausspruch nicht einschlägig abgemahnt habe. Der Arbeitgeber sei jedoch nach ständiger und zutreffender Rechtsprechung des Bundes­a­r­beits­ge­richts dazu verpflichtet, einen Arbeitnehmer, dessen Arbeits­ver­hältnis wegen eines nicht vertrags­ge­rechten Verhaltens fristlos oder fristgemäß gekündigt werden soll, zunächst abzumahnen. Dies sei hier unstreitig nicht erfolgt.

Gewicht der Unhöflichkeit kommt keiner schweren Vertrags­ver­letzung gleich

Es fehle auch an einem wichtigen Grund für eine Kündigung. Der Angestellte habe sich gegenüber der Vorgesetzen zwar zweifelsfrei nicht korrekt verhalten, indem er ihr gegenüber erklärte: „Klei mi ann Mors“, was plattdeutsch ist und auf Hochdeutsch so viel bedeutet wie: "Kratz mich am Hintern". Die Äußerung sei ungehörig und unhöflich und ein solcher Ton verbiete sich gegenüber einer Vorgesetzten. Das Gericht zweifelte jedoch daran, dass das Gewicht dieser Unhöflichkeit einer schweren Vertrags­ver­letzung gleichkommt, die „an sich“ geeignet sei, einen wichtigen Grund für eine Kündigung im Sinne des § 626 BGB darzustellen.

Langjährige Betrie­bs­zu­ge­hö­rigkeit und Entschul­di­gungen des Arbeitnehmers müssen Berück­sich­tigung finden

Zu Gunsten des Klägers sei zudem zu berücksichtigen, dass er bereits seit 1999 für den Arbeitgeber tätig ist, und es sich um den ersten Vorfall dieser Art handele. Darüber hinaus habe sich der Angestellte für seine Äußerung vor Ausspruch der Kündigung unter anderem gegenüber der Perso­na­l­leiterin und dem Arbeitgeber und sich auch im Rahmen des Kündi­gungs­schutz­ver­fahrens gegenüber der Vorgesetzen in aller Form entschuldigt.

Beleidigende Äußerung war keine vorsätzliche und kühl geplante Herabsetzung der Vorgesetzten

Letztlich sei auch zu beachten, dass die Äußerung spontan mündlich und nicht etwa schriftlich erfolgte und dass es sich nicht um eine vorsätzliche und kühl geplante Herabsetzung der Vorgesetzten handelte, sondern dass die Äußerung im Rahmen eines Konflikts spontan gefallen sei. Gesamt­be­trachtet sei daher eine außer­or­dentliche Kündigung unzulässig.

Quelle: ra-online (kg)

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